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Quelle: a.a.a.p. Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052 |
Das Werden einer neuen Arbeiterbewegung / [Henk Canne Meijer]Quelle: Das Werden einer neuen Arbeiterbewegung / [Henk Canne Meijer]. – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung. – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1935, Nr. 8-9 (April-Mai); Quelle der Transkription: Rätekommunismus , 23. November 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek. Die OhnmachtDie Arbeiterbewegung zeigt ein Bild der größten Verwirrung. Zahlreiche Organisationen und Strömungen bekämpfen einander, während die Hungerpeitsche der besitzenden Klassen die breiten Massen immer aufs Neue geißelt. Und nach jedem Peitschenschlag steigt die Verwirrung im Lager der Arbeiter. Einheitsapostel beschwören die Arbeiter, den Bruderstreit zu beenden und gemeinschaftlich den Kampf gegen die besitzenden Klassen aufzunehmen. Sie begreifen nicht das Geringste von der ganzen Situation. Sie meinen, dass die Arbeiterklasse machtlos sei durch ihre Gespaltenheit, während in Wirklichkeit die noch stets zunehmende Zersplitterung durch die immer deutlicher werdende Ohnmacht entsteht. Bei jedem neuen Peitschenhieb demonstriert die besitzende Klasse den Arbeitermassen, dass die in den letzten 50 Jahren in mühevollen, aufopfernden Kämpfen aufgebaute Arbeiterbewegung als Waffe dem Kapital gegenüber ohne jeden Wert ist. Die alte Arbeiterbewegung erweist sich – um mit H. Gorter zu sprechen – als ein Schwert aus Pappe gegen einen stählernen Harnisch. Wie kommt es nun, dass die alte Arbeiterbewegung der kapitalistischen Klasse nicht gewachsen ist? Wodurch entsteht die Ohnmacht der alten Bewegung? Wir weisen in diesem Zusammenhang zuerst auf zwei Ursachen. Erstens ist die alte Bewegung völlig auf die schrittweise Verbesserung der Lebenslage im Rahmen des Kapitalismus gerichtet. Das Fatale dabei ist, dass von einer Verbesserung keine Rede mehr sein kann, wenn die Kapitale nicht genügend Profit abwerfen, welcher Zustand bekanntlich in der Krisis allgemein wird. Dann entsteht die Ohnmacht nicht aus der Schwäche der Arbeiterbewegung, sondern aus der „natürlichen“ Unmöglichkeit, etwas holen zu wollen, wo nichts ist. Die zweite Ursache liegt auf anderem Gebiet; es ist die gewaltige Macht des Kapitals. Das war nicht immer so. Früher waren die Kapitalisten in viel geringerem Maßen organisiert. Darum konnten die Arbeiter auch etwas gegen die Unternehmer ausrichten, wenn sie in ihrem Berufe die Arbeit niederlegten. Dadurch waren es fast immer kleine Gruppen, die im Kampf standen, und darum waren auch die Gewerkschaften und Berufsvereine die ausgewiesenen Führer dieser Bewegungen. Auch wenn bei dergleichen Aktionen bei weitem nicht alle Arbeiter in den Gewerkschaften organisiert waren, so wurde doch die Führung der Gewerkschaften als eine Selbstverständlichkeit anerkannt. Die „Bewegung der Arbeiter“, das heißt der Streik von organisierten, unorganisierten, christlichen usw. stellte sich unter die Führung der „organisierten Arbeiterbewegung“. Die Bewegung der Arbeiter und die „Arbeiterbewegung“ fallen hier zusammen. Aber im Laufe der Zeit wird das anders. Die Unternehmer vereinigen sich in Unternehmerverbänden, der Kleinbetrieb wird zum Großbetrieb und diese verbinden sich wieder zu größeren Wirtschaftsorganisationen, wie Syndikaten, Trusts, Kartelle und Monopolen. Das Kapital bildet dadurch einen so mächtigen Block, dass die auf einzelne Berufe beschränkten Streiks der Arbeiter dagegen wirkungslos abprallten. Die Gewerkschaften trachteten darum, die Streiks zu vermeiden; sie sahen mehr und mehr ihre Aufgabe in Verhandlungen und Zusammenarbeit mit den Unternehmerverbänden, die sich schließlich zur „Arbeitsgemeinschaft“ verdichtete. Sie mussten diesen Weg wohl gehen, weil mit der alten Kampfesweise auf der Basis des Berufes nichts mehr auszurichten war. Doch die „Arbeitsgemeinschaft“ zwischen Kapital und Arbeit kann auf die Dauer nur zur Folge haben, dass der Lebensstandard der Arbeiter den Kapitalinteressen zum Opfer gebracht wird. Und weil die Gewerkschaftsführer als tatsächliche Besitzer der Gewerkschaftsorganisation überhaupt nicht imstande waren, der Macht des Kapitals etwas Gleichwertiges entgegen zu stellen, mussten sie in allem zustimmen. Aber auch wenn die Arbeiter sich nicht an den Verträgen und Abmachungen der „Arbeitsgemeinschaft“ störten und durch wilde Streiks den Kampf selber aufnahmen, folgte ebenso sicher die Niederlage. Denn die Ursache der Niederlagen ist darin zu suchen, dass eine Berufsgruppe viel zu schwach ist, um das Kapital niederzuringen. Von einer Machtentfaltung gegenüber dem Kapital könnte erst dann die Rede sein, wenn die Streikenden den Versuch machen, ihre beschränkte Berufsfront zu durchbrechen; wenn sie die Bewegung ausdehnen ohne Rücksicht zu nehmen auf Berufs- oder Organisationsgrenzen, wenn sie die ganze Arbeiterklasse mit in den Kampf hineinziehen. Erst wenn sie sich von der „Berufsfront“ zur „Klassenfront“ entwickelt, dann entfalten sie Macht. Die Klasse „an sich“ und die Klasse „für sich“In der kommenden Entwicklung wird das Wachsen zur Klassenfront geschehen. Oder anders gesagt: In der Zukunft werden die Arbeiter, getrieben durch die Verhältnisse, erst in Wahrheit ihre Bindung, ihre Bewusstwerdung als Klasse finden. Denn wenn wir die Dinge sehen wollen, so wie sie tatsächlich sind, dann müssten wir uns darüber klar sein, dass allerdings die Arbeiter gegenüber dem Kapital eine Klasse bilden; die Besitzenden behandeln die Arbeiter ohne Frage als totale Klasse. Die Arbeiter sind insofern eine Klasse als solche, sie bilden eine Klasse „an sich“. aber sie sind sich dessen nicht bewusst, es ist noch nicht tief genug durchdrungen, dass sie als Klasse gemeinsame Interessen und Aufgaben haben. Sie bilden noch keine Klasse „für sich“. Zwar ist schon ein unbestimmtes Gefühl von Klassenzusammengehörigkeit vorhanden, aber es wird noch überschattet von dem Gruppengefühl; man fühlt sich mit der Berufsgruppe enger verbunden als mit der Klasse im allgemeinen. Die revolutionären Arbeiter sind gar leicht geneigt, von der ganzen Klasse anzunehmen, dass sie dem revolutionären Teil gleiche. Wenn sie in Versammlungen ihre eigenen Auffassungen formulieren, dann geschieht das in der Weise wie: Die Arbeiterklasse will dieses oder jenes, sie stellt sich auf diesen oder jenen Standpunkt, sie sagt dies oder das. Aber in Wirklichkeit sagt die Arbeiterklasse nichts, sie tut nichts und stellt sich auf keinen Standpunkt. Sie ist nicht „vor“ und nicht „gegen“. Als aktive Klasse besteht sie nicht. Sie besteht wie jedes tote Ding, also passiv. Als lebendes aktives Wesen besteht sie erst, wenn sie in Bewegung und zum Bewusstsein ihrer selbst kommt. Ein vollkommener, unüberbrückbarer Gegensatz zwischen der Klasse „an sich“ und der Klasse „für sich“ besteht natürlich nicht. Man wird mit Recht bemerken, dass die Arbeiterklasse im verflossenen Jahrhundert mehrere Male als Klasse „für sich“ aufgetreten ist. Dass die Arbeiterklasse tatsächlich etwas dachte und etwas sagte, dass sie wohl einen Standpunkt eingenommen hat. So äußerte sich das Klassenbewusstsein in der parlamentarischen Periode im Kampf um demokratische Rechte und soziale Verbesserungen; es zeigte sich aktiv in Klassenversammlungen, Demonstrationen und politischen Streiks (Massenstreiks für allgemeines Wahlrecht in Belgien, blutige Demonstrationen gegen das Dreiklassenwahlrecht in Preußen und anderes). So gesehen hat es den Anschein, als ob sich unsere Klasse zurückentwickelt hat und ein Klassenbewusstsein nicht mehr vorhanden ist. Doch ist dem nicht so. Auch eine Klasse kann ihre Ziele nur nach den erreichbaren Aufgaben richten, Aufgaben, deren Durchführung im Bereich ihrer Kräfte liegen. Was für jeden Menschen im Besonderen gilt, das gilt in diesem Sinne auch für die ganze Klasse. Ein Arbeiter zum Beispiel kann nicht an Ferienreisen ins Ausland denken, und zwar deshalb, weil ihm dazu die Mittel fehlen. Er kann seine „Ziele“ nur innerhalb des Erreichbaren setzen. So steht es auch mit der Arbeiterklasse. Wenn große Teile der Arbeiterschaft in Aktion treten, dann beginnen sie diese Bewegung nicht mit dem Ziel, den Kapitalismus zu Fall zu bringen und das kommunistische Wirtschaftsleben durchzuführen, weil sie nur zu gut wissen, dass das weit außerhalb unserer gegenwärtigen Klassenkräfte liegt. Die Arbeiterklasse handelt nicht, um die eine oder andere Theorie zu verwirklichen, sondern um diese oder jene Missstände, die unerträglich geworden sind, aus dem Wege zu räumen. Sie kann sich darum nur begrenzte Ziele stellen, die im Rahmen der Klassenkräfte bleiben. Wenn die Amsterdamer Arbeiter bei den Unruhen im Jahre 1934 nicht weitergehen, als die Polizei aus ihrem Stadtteil zu vertreiben, dann war daran nicht ein Mangel an Klassenbewusstsein schuld, sondern ein Mangel an Kräften, die ein Weitergehen nicht zuließen. Wäre diese Bewegung durch größere Streiks unterstützt worden, dann hätte sich zugleich das Ziel erweitert. Größere Kräfte machen ein weiter gestecktes Ziel möglich. Das „Ziel“ ist nicht etwas Feststehendes, keine abgesteckte Fahrstraße, wonach sich der Strom der Geschehnisse zu richten hat, sondern es wächst mit den Kräften. Das Ziel im Kampf ist eine Funktion der Kraftentfaltung. Und mit den Mitteln, die die Massen im Kampf anwenden, verhält es sich ebenso. Die Massen sind nicht frei in der Wahl ihrer Kampfmittel, sondern sie sind an die Kraftverhältnisse der Klasse gebunden. Das Wachsen der Kräfte bei den Arbeitern hat auch ein Wachsen der anzuwendenden Mittel im Gefolge. Kraft, Mittel und Ziel stehen zueinander in Wechselbeziehung und sind in diesem Sinne untrennbar miteinander verbunden. Dieses Verbundensein von Kraft, Mittel und Ziel muss bei allen Fragen unbedingt im Auge behalten werden. Für den gegenwärtigen Zustand erklärt es das scheinbare Zurückgehen der Arbeiterklasse, das scheinbare Zurückfallen in einen Zustand ohne Klassenbewusstsein und die Zurückentwicklung von einer Klasse „für sich“ zu einer Klasse „an sich“. Das Zurückfallen in die Passivität, die scheinbar endlose Geduld, womit alle Unterdrückung und Ausbeutung getragen wird, kann nur erklärt werden durch die Unzulänglichkeit der bis dahin im Klassenkampf angewandten Mittel, dann aber auch, dass die Klassenkräfte für andere Mittel noch nicht groß genug sind. Die Lösung der für die Arbeitermassen brennenden Fragen ist noch nicht im Bereich ihrer Kräfte, darum haben sie jetzt auch kein „Ziel“. Aber dies ist kein Zurückfallen in einen Zustand ohne Klassenbewusstsein, es ist die Vorbereitung neuer Kräftebildung auf neuer Grundlage, um die Lösung der Fragen in den Bereich ihrer Kräfte zu bringen. Die hoffnungslose Verwirrung und Gespaltenheit der Arbeiterklasse, der Zusammenbruch der alten Arbeiterbewegung, ist in Wirklichkeit nur die Vorbereitung zu einem neuen Sprung in der Entfaltung der Klassenkräfte. Und damit wird die Arbeiterklasse wieder eine Klasse „für sich“. Die Arbeiter werden in der kommenden Entwicklungsperiode von einer Klasse „an sich“ zu einer Klasse „für sich“ wachsen. Nicht durch die Propaganda der Revolutionäre, sondern durch die harte Praxis des Lebens. Die besitzende Klasse macht in Zukunft, stets mehr und direkt und für die Massen sichtbarer, die Staatsmacht zum Ausbeutungsapparat. Dazu nimmt der unschuldigste Widerstand der Arbeiter unmittelbar die Form eines Kampfes gegen den Staat an und es wird gegen sie aufgetreten, als ob sie wirkliche revolutionäre, als ob sie klassenbewusste Arbeiter wären. Wenn die meuternden Matrosen auf dem Panzerschiff „De zeven Provincien“ in ihrer Naivität lachend an Deck stehen bei der Annäherung des Flugzeuges, dann wird ihnen durch eine fallende Bombe deutlich gemacht, dass die herrschende Klasse in solchen Dingen keinen Spaß versteht. Und wenn die Bewohner des Amsterdamer Stadtteils Jordaan bei einer unschuldigen Demonstration gegen die Herabsetzung der Erwerbslosenunterstützung mit Tanks und Maschinengewehren bearbeitet werden, dann werden sie nicht behandelt als eine Gruppe von Arbeitern, die nur gegen bestimmte Maßnahmen der Regierung protestieren, sondern als ein Teil der revolutionären Klasse, die das ganze kapitalistische System zu Fall bringen will. Das Wesentliche der kommenden Periode ist, dass die herrschenden Klassen jeden wirklichen Widerstand von Seiten der Arbeiter im Blut ersticken müssen. Belagerungszustand, Aufhebung der Vereins- und Versammlungsfreiheit, Verbot von Zeitungen und Schriften; Tanks, Maschinengewehre, Gasbomben und Handgranaten werden die gebräuchlichen Mittel, um die Ordnung aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen. Die Ursache aber für das gewalttätige Auftreten der herrschenden Klassen, die den Betrug durch demokratische Scheinrechte fahren lassen, liegt in der zugespitzten Situation selbst. Die Bourgeoisie aber fühlt sehr gut, dass für die Arbeiter Grund genug vorhanden ist, um aufständisch zu werden. Sie fürchtet die Revolution mehr, als die Arbeiter denken. So kommt bei dem kleinsten Widerstand sofort die Furcht zum Durchbruch, dass er größeren Umfang annehmen könne. Es gibt für sie dann nur die eine Möglichkeit, selbst den kleinsten Beginn im Keim zu ersticken. Das Wissen von der eigenen, innerlich morschen Position macht sie gegenüber jeden noch so bedeutungslosen Widerstand misstrauisch. Es hilft auch im Beginn. Die verschärfte Machtentfaltung der Bourgeoisie erzeugt bei den Arbeitern ein Gefühl von Ohnmacht. Sie können dem gewaltigen Machtapparat der Bourgeoisie quasi nichts gegenüberstellen; sie fühlen nur die Unzulänglichkeit der bis jetzt angewandten Mittel. Darum fühlen sie sich schwach und machtlos. Nur Einzelne geben sich dann Rechenschaft von den neuen Verhältnissen und kommen dabei zu der Überzeugung, dass neue Mittel und Auffassungen nötig sind. In verschwommenen Formen wächst dann auch bei den Massen ein derartiges Bewusstsein. Aber erst spontane, durch schweren Druck und unerträgliches Elend verursachte revolutionäre Ausbrüche zeigen den Massen ihre eigene Kraft, und das Vertrauen in diese Kraft beginnt erneut zu wachsen. Die Bourgeoisie macht aus jedem Widerstand einen politischen Machtkampf. Aber damit bringt sie selbst den Kampf auf eine viel breitere Front. Denn während es zuerst um die Interessen dieser oder jener Arbeitergruppe ging, zieht sie nun selbst durch ihre politischen und militärischen Maßnahmen andere Gruppen in den Konflikt hinein. Die Bourgeoisie bringt den Kampf von der Berufsfront zur Klassenfront. Sie schweißt die Arbeiter von einer Klasse „an sich“ zusammen zur Klasse „für sich“. Dieses Auftreten der besitzenden Klasse geschieht keineswegs aus „freiem Willen“. Was sie treibt, das ist der Zustand des Kapitalismus selbst. Die kapitalistische Produktion, und damit auch das Gesellschaftsleben, kann nur funktionieren, wenn sie genügend Profit abwirft. Fehlen die nötigen Profite, dann kommt ein großer Teil der Produktion zum Erliegen. Die Schaffung einer neuen Profitbasis ist darum die erste Forderung der besitzenden Klasse. Dabei werden praktisch die Interessen des Großkapitals in erster Linie berücksichtigt, weil sie den wichtigsten Teil des gesellschaftlichen Lebens bestreiten. Darum wird auch die Führung des Gesellschaftslebens dem Großkapital übertragen. Oder anders gesagt: die Konzentration des Wirtschaftslebens findet ihren politischen Ausdruck in der Konzentration der politischen Macht in der Hand Einzelner. Und neben der Konzentration der politischen Macht in der Hand einzelner, mächtiger Kapitalgruppen, die den Staat beherrschen, erscheint die Notwendigkeit, die Lebenslage der Arbeitermassen herabzudrücken, um die Rentabilität des Kapitals wiederherzustellen. Diese Entwicklung ist Entwicklung zum Faschismus und Nationalsozialismus; sie ist unvermeidlich im Gefolge des Monopolkapitals. Sie ist gleichbedeutend mit dem Ende der demokratischen Entwicklung der Gesellschaft. Die „demokratischen Rechte“ – Wahlrecht, Organisationsrecht, Versammlungsfreiheit usw. – können nicht mehr geduldet werden. Es sind Rechte, die nur Organisationen, Gruppen oder Personen zugestanden werden, die sich bedingungslos der Politik des Monopolkapitals unterwerfen. Der NationalsozialismusAuf den ersten Blick hat es den Anschein, als ob sich die Arbeiter dem Drang zur unverhüllten Diktatur des Großkapitals entgegenstellen. Doch ist das nicht so. Es ist umgekehrt sehr wahrscheinlich, dass große Teile der Arbeiter in Westeuropa und Amerika diese Entwicklung kräftig unterstützen. Die Massen denken im Großen und Ganzen noch vollkommen bürgerlich, weil eben die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander in bürgerlich-kapitalistischer Form vorhanden sind. Erst wenn diese Gesellschaftsordnung sich in den notwendig kommenden Zusammenstößen auflöst, wenn sich die bürgerlich-kapitalistische Ordnung als absolut unfähig erweist, die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu regeln, dann wird sich auch das Denken der Massen verändern. So lange aber noch die besitzende Klasse unter der Führung des Großkapitals den Konkurrenzkampf fortsetzt, so lange ist sie in ihrem Lebenselement und reißt auch die Massen in diesem Kampf mit sich fort. Der tiefere ökonomische Sinn des Nationalsozialismus ist doch nur, dass er die Ordnung, die Organisation schafft, mit welcher das Monopolkapital den Konkurrenzkampf auf erhöhter Stufe fortsetzt. Die Einheit der Nation, die „Volksgemeinschaft“, wird so zu dem „erhabenen Ziel“, dem sich alle besonderen Gruppen und Klasseninteressen unterzuordnen haben. Sie wird das Instrument, mit dem das Monopolkapital seine ökonomischen und schließlich auch seine militärischen Kämpfe führt. Von jedem einzelnen wird verlangt, dass er für den Aufbau des Wirtschaftslebens arbeitet, um „Brot und Arbeit für alle zu beschaffen“. Die Besitzenden müssen ebenso gut ihre Interessen dem „Volksganzen“ unterordnen, nicht ihre besonderen Interesse im Auge haben (hinter dieser Phrase versteckt sich der Kampf des Großkapitals gegen die kleineren Kapitale). Dass auch die Arbeiter ihre besonderen Gruppeninteressen zugunsten des „Volksganzen“ fahren lassen müssen, versteht sich von selbst, denn: „Wenn es der Gesamtwirtschaft gut geht, kann es dem Arbeiter nicht schlecht gehen.“ Und schließlich muss dann, um den Aufbau einer solchen Volksgemeinschaft sicherzustellen, jede Propaganda, die dagegen gerichtet ist, unterdrückt werden (Aufhebung der Demokratie). Diese Phraseologie knüpft offensichtlich an das Denken breiter Massen an. Die Arbeiter, die unter dem Einfluss christlicher und neutraler Gewerkschaften stehen, hatten schon immer die Volksgemeinschaft als ideologische Grundlage. Die Sozialdemokraten und die sogenannten freien Gewerkschaften andererseits hatten wohl eine Sprache, die dem Marxismus – der Wissenschaft des Klassenkampfes – entlehnt war, aber ihre ganze Theorie und Praxis hat schließlich doch die Volksgemeinschaft als zentralen Punkt. Alle bis dahin bekannt gewordenen Sozialisierungspläne – auch der „Plan de Man“ der belgischen Arbeiterpartei – haben die Volksgemeinschaft zur Basis. Man sagt sicher nicht zu viel, wenn man konstatiert, dass dergleichen Auffassungen über die Volksgemeinschaft das Denken großer Massen in Westeuropa und Amerika beherrschen. Nur insofern die Bourgeoisie bei der Durchführung der neuen Ordnung die Demokratie aufhebt, stößt sie auf Widerstand, aber in der Praxis wird sich zeigen, dass dieser nicht mehr groß sein wird. Die jetzt lebende junge Generation hat von der Demokratie noch nicht viel Gutes gesehen und wird zu ihrer Verteidigung auch wohl kaum eine Hand erheben. Sie verlangt die Lösung der täglichen Probleme, wenn es möglich ist mit der Demokratie, wenn es besser geht ohne diese, dann sind sie auch damit zufrieden. Der Kampf für die demokratischen RechteWie müssen sich nun die revolutionären Arbeiter zu der Aufhebung der bürgerlich-demokratischen Rechte verhalten? Ist es harte revolutionäre Pflicht, die politischen Rechte bis zum Äußersten zu verteidigen, wie die Fakkel vom 1. Februar schrieb (Organ der o.s.p.). Wir sagen Nein! Wir sind der Ansicht, dass wer für die demokratischen Rechte kämpft, eine verlorene Sache verteidigt. Die Demokratie ist in einer Gesellschaft, wo das Kapital in wenigen Händen konzentriert ist, nicht am Platz. Die Demokratie gehört in eine Gesellschaft, wo der Kleinbesitz vorherrscht, der auf diesem Wege seine gegensätzlichen Interessen vertritt. Aber wenn die Konzentration im Wirtschaftsleben sich durchsetzt, dann muss dieser Prozess notwendigerweise auch auf politischem Gebiet folgen. Es ist eine bekannte marxistische Regel, dass die Entwicklung in der materiellen Grundlage der Gesellschaft sich auch in ihrer Politik widerspiegelt. Von diesem Gesichtswinkel aus gesehen, ist die politische Herrschaft des Monopolkapitals ein notwendiges Geschehen. Bei der Herrschaft des Großkapitals ist ein Zurück zur Demokratie unmöglich, gleich ebenso wie im Augenblick ein Zurückgehen zum Kleinbetrieb unmöglich ist. Wer heute für demokratische Rechte kämpft, versucht die Geschichte zurückzudrehen, ebenso wie die Handweber vor hundert Jahren, als sie die Fabriken bestürmten, um die Maschinen zu vernichten. Oder auch wie die Hafenarbeiter, die streikten, um die Einführung der Getreideelevatoren zu verhindern. Man könnte eben so gut einen Verein zur Verhinderung von Sonnenfinsternissen errichten. Eine vorwärts strebende Klasse kann sich nur Ziele, die im Zuge der Entwicklung liegen, setzen. Die neue Arbeiterbewegung muss den Blick nach vorne richten. Sie hat keine Ursache, der verlorenen guten alten Zeit nachzutrauern; die neuen Verhältnisse sind für sie richtunggebend. Es darf bei ihr kein Zweifel darüber bestehen, dass die bürgerlich-demokratische Periode endgültig vorbei ist, weil sie mit der Konzentration der Wirtschaft nicht übereinstimmt. Eine neue Arbeiterbewegung kann erst dort beginnen, wo erkannt wird, dass die bürgerliche Demokratie wirtschaftlich, und darum auch politisch, unmöglich geworden ist und dass die Arbeiterklasse eine andere Demokratie erobern muss, und zwar die Demokratie der Arbeiterklasse. Die Entwicklung zur absoluten Herrschaft des Monopolkapitals ist eine Tatsache und die Aufhebung der Demokratie nicht weniger, wenn auch in der Art und Weise, wie dieses geschieht, verschiedene Möglichkeiten offen stehen. Die Groß-Bourgeoisie hat die Demokratie als eine für ihre Zwecke unbrauchbare Waffe zur Seite gelegt, um sie später wahrscheinlich noch einmal aus der Rumpelkammer hervorzuholen. Sie wird danach greifen, wenn die Arbeiter in Massenbewegungen aufmarschieren und den Kapitalismus ernsthaft bedrohen. Dann kann die Demokratie noch einmal ihre Dienste erweisen, indem sie die Arbeiter verwirrt und spaltet, um so die drohende Revolution zu beschwören. Dann wird die bürgerliche Demokratie für die Arbeiter erneut von Bedeutung, aber nicht, indem sie sich für ihre Wiederherstellung einsetzen, sondern indem sie dieselbe bekämpfen. Die proletarische Revolution muss die bürgerliche Demokratie ebenso gut überwinden, wie die absolute Herrschaft des Monopolkapitals; sie kann nur siegen unter der Herrschaft der Arbeiterräte, unter der Demokratie der Arbeiterklasse. Der Kampf für die demokratischen Rechte unter den heutigen Verhältnissen trägt utopischen Charakter. Aber nicht nur das: Er ist auch offensichtlich unmöglich. Welchen Sinn hat es, eine Faust machen zu wollen, wenn man nicht einmal eine Hand dazu hat? Vor Großsprecherei in Versammlungen, operettenhaften Massendemonstrationen oder einem Streik hier und dort, womit man die Rechte der Demokratie verteidigen will, weicht die Bourgeoisie keinen Schritt zurück. Für die Niederkämpfung der Groß-Bourgeoisie sind andere Kräfte nötig. Wir müssen der bitteren Wahrheit ins Gesicht sehen, dass die Massen die neue, ihnen eigene Form des Kampfes noch finden müssen. Die alten Methoden des Kampfes, - die Wahlen, die Demonstration, die Protestversammlung, die Petitionen, der auf Berufe beschränkte Streik, mit oder ohne Führung der Gewerkschaften, der örtliche Aufstand von einzelnen bewaffneten Gruppen, wie heroisch dieser auch ausgefochten sein möge, - es ist ihnen alles wie ein gebrochenes Schwert aus der Hand geschlagen. Sie haben keine größere Wirkung wie eine Revolverkugel gegen eine 40 mm Panzerplatte. Die große Masse der Arbeiter weiß dies sehr gut, und darum ist auch von irgendwelchem Widerstand fast nichts zu bemerken, während doch der Hungerriemen immer enger geschnallt werden muss. Nicht weniger wahr ist, dass im Klassenkampf der Gegenwart und Zukunft Hunderttausende, ja, Millionen aufmarschieren müssen, um den Machtapparat der besitzenden Klasse zu erschüttern. Auch dies weiß die große Masse sehr gut, und sie weiß ebenso gut, dass noch kein geeignetes Band, kein Lebensprinzip vorhanden ist, wodurch die Millionen als Einheit in den Kampf geworfen werden. Hier liegt der wesentliche Unterschied zwischen dem Kampf in der zu Ende gehenden Periode und dem, der jetzt beginnt. Bis jetzt kämpfen die Arbeitergruppen jede für sich, und was sie trieb, das war die Wahrnehmung ihrer Berufsinteressen als Metallarbeiter, Hafenarbeiter, Transportarbeiter usw. Es waren keine allgemeinen Klasseninteressen und daher hatten sie auch kein großes, sie zur Einheit verbindendes Prinzip nötig. Ein organisatorischer Apparat war genügend, um ihn zu führen und ihm Richtung zu geben. Aber für die Führung des Kampfes der Millionen, die jetzt auftreten müssen, ist kein organisatorischer Apparat gewachsen. Und doch müssen sich die Millionen in einer Richtung bewegen, in ein gemeinschaftliches Strombett geleitet werden, wenn sie zum gemeinschaftlichen Handeln kommen sollen. Und weil ein organisatorischer Apparat dazu nicht imstande ist, muss durch etwas anderes diese Funktion verrichtet werden. Das geschieht, wenn in und durch den Kampf ein neues Lebensprinzip in den Massen wächst. Es entsteht nicht durch Predigen, man kann es nicht von Außen den Massen aufdrängen, oder wie eine Flüssigkeit in ein leeres Fass hinein gießen. Die große Einheit der gleichgerichteten Klassenkräfte wächst im Kampf und durch den Kampf, und sie kann sich nur festigen und von Dauer bleiben, wenn sich das Selbsthandeln von unten auf den neuen organisatorischen Formen Bahn bricht, wenn sich die Organisationen durchsetzen, die im Befreiungskampf das Selbsthandeln zur ganzen Tat vereinen, die Bindung sind im Kampf um die Freiheit, und hierbei erwächst ein Bewusstsein, das die Freiheit, dieses Herr sein über die eigene Arbeit, über die Arbeitsmittel, über die gesellschaftliche Produktion überhaupt, zum Inhalt hat. Es ist die Umwälzung der Gedankenwelt der unterdrückten Klasse zum Kommunismus. Alle Erfahrung des Kampfes, die auf die Beherrschung der Klassenkraft gerichtet ist, findet in den Massen ihren Niederschlag als Klasseneinheit, Freiheitskampf, Kommunismus. Es wird so ein neues Lebensprinzip, wodurch die Massen fester verbunden, zu größerer Aufopferung und größerem Mut getrieben werden, mehr Disziplin und Solidarität zu üben wissen, als eine feste formelle Organisation jemals von ihnen verlangen konnte. Der Kommunismus ist so gesehen nichts anderes als die Selbstbefreiung der Massen, sie müssen selbstbewusst, das heißt in diesem Sinne kommunistisch sein. Hier unterscheiden sich die russischen Kommunisten und die von ihnen beeinflusste Dritte Internationale von dem Kampf der Arbeiterklasse und dem Kommunismus. Sie sind der Ansicht, dass es genügt, wenn die Masse die Kommunistische Partei zur Regierungspartei macht, und dass diese, einmal im Besitz proletarischer Macht, den Kommunismus aufbaut. Die Massen sind ihnen das Werkzeug, das von der Partei angewandt wird. Wer so den Kommunismus auffasst, kann damit auch die Lohnarbeit verbinden, und findet auch noch kein Haar in der Suppe, wenn die Dritte Internationale mit Charakterlosigkeit und Betrug gegenüber den eigenen Genossen zusammengekittet ist. Die neue revolutionäre Arbeiterbewegung aber muss den Kommunismus wieder mit der Hingabe für die Klasse verbinden. Sie hat die Treue und die Kameradschaft nötig; sie muss helfen bei der Überwindung der Lohnarbeit, indem sie die Beherrschung des gesellschaftlichen Lebens durch die große breite Masse selbst befördert. Dann erst ist schließlich sowohl die Diktatur als auch die Demokratie einer herrschenden Schicht gegenstandslos geworden. Klassenkampf und KommunismusEine neue Arbeiterbewegung wird in ihrer Propaganda das Wort Kommunismus kaum mehr nötig haben, und zwar, weil der allgemeine Begriff Kommunismus konkretere Formen annimmt. Die allgemeine Formulierung, dass er ein neues ökonomisches System ist, indem das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben ist, genügt nicht mehr. Das „neue ökonomische System“ der Theorie war bis dahin ein leeres Gefäß, es lebte nicht. Es beginnt sich jetzt im Klassenkampf, wo es darum geht, die gesellschaftlichen Kräfte durch die Menschen selbst zu beherrschen, mit konkreten Dingen, mit Leben zu füllen. Wenn wir uns bis dahin vom Kommunismus als einem ökonomischen System eine Vorstellung gemacht haben, dann sehen wir jetzt schon, dass wir nur eine Seite im Auge hatten, nur einen schwachen Abglanz von dem Problem bekamen. So wie die Naturwissenschaft auf dem Wege der Technik der Gesellschaft die Naturkräfte unterworfen hat, so muss die Menschheit die gesellschaftlichen Kräfte leiten und beherrschen. Die Menschheit muss diese gesellschaftlichen Kräfte, die sie selbst erzeugt und wovon sie heimgesucht wird, wie von blinden Naturprozessen erkennen lernen und unterwerfen. Die Menschen selbst müssen alle gesellschaftlichen Kräfte leiten und beherrschen. Dazu aber ist es notwendig, dass alle Funktionen im gesellschaftlichen Leben von den Massen unmittelbar ausgeübt werden; die Organe dazu, von den Massen geschaffen, sind nicht mehr als besondere Herrschaftsorgane von ihnen zu trennen. Sie können nur das Instrument sein, womit die Massen zur Ausführung bringen, was sie in gemeinschaftlicher Beratung beschlossen haben. Das erst ist der eigentliche Inhalt der Arbeiterräte. Darum ist auch die Durchführung des Kommunismus zugleich die Durchführung der Arbeiterdemokratie. Die Verwaltung der ökonomischen gesellschaftlichen Kräfte erscheint in diesem Zusammenhang wohl als die materielle Unterlage der Gesellschaft, aber doch nur als ein Teil der kommunistischen Gesellschaft, die als Ganzes weiter darüber hinaus geht. So gesehen beginnt die Entwicklung des Kommunismus nicht erst dann, wenn die Arbeiter die Macht in der Gesellschaft erobert haben und eine neue Ordnung im Wirtschaftsleben durchführen. Sie beginnt schon jetzt, heute schon, wenn die Arbeiter im Klassenkampf ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen und ihre Kämpfe selbst führen. Dort wird die Arbeiterdemokratie geboren, die die gesellschaftlichen Kräfte beherrscht. So wächst in der Selbstbewegung der Massen der Kommunismus heran; es ist der Entwicklungsprozess, worin die Massen ihre eigenen Klassenkräfte führen und zielbewusst anwenden lernen. Und erst dann, wenn die Arbeiterklasse ihre eigenen Klassenkräfte so in der Hand hat, dann erst ist sie im Stande, auch die wirtschaftlichen Kräfte der Gesellschaft zu leiten und zu verwalten. In diesem Sinne wird auch der Ausspruch von Karl Marx zur Wahrheit, dass die neue Gesellschaft im Schoße der alten geboren wird. Hiermit ist für den Kommunismus die einfachste, aber auch zugleich wesentlichste Formel gefunden. Sie kann von jedem Arbeiter ohne weiteres begriffen werden, wenn er auch ihre praktische Durchführung noch so sehr anzweifelt. Zugleich wird damit deutlich, dass die sogenannte Diktatur des Proletariats, wovor bürgerliche Trabanten die Arbeiter graulich machen, in Wahrheit nichts anderes ist als die Demokratie der Arbeiter. Aber jeder Arbeiter begreift auch, dass diese Arbeiterdemokratie nichts mit dem Wahlrecht zu bürgerlichen Parlamenten zu tun hat. Die Verteidigung des allgemeinen Wahlrechtes als eine Verteidigung der demokratischen Rechte der Arbeiterklasse zu propagieren, bedeutet daher auch nichts anderes als dem Erkennen unserer wirklichen demokratischen Rechte entgegen zu arbeiten. Die Beherrschung der eigenen Klassenkräfte durch die Masse wird nicht durch Propaganda hervorgerufen; die harte Praxis des Lebens drängt die Massen in diese Richtung. Die demokratische Periode ist praktisch international abgeschlossen. Legale Organisation können nur noch versuchen, beginnende Klassenaktionen so schnell wie möglich einzudämmen. In einer Reihe von Niederlagen befreit sich die Arbeiterklasse von dieser Führung. Unter diesen Bedingungen entsteht die neue Arbeiterbewegung mit völlig neuen Prinzipien. Es sind kleine illegale Gruppen, die das Wesentliche des Befreiungskampfes in der selbständigen Bewegung der Massen sehen. Darum erstreben sie auch nicht die Macht für ihre Partei oder Gruppe; nicht ihre Organisation soll stark werden, sondern die Klasse. Inzwischen ist das Werden der Selbständigkeit der Massen ein langwieriger Prozess, der sich in einer wahren Hölle vollzieht. Denn noch niemals in der Geschichte der Menschheit stand eine unterdrückte Klasse einem so mächtigen Feinde gegenüber, noch niemals einer solch mörderischen Macht; noch niemals zuvor war eine solche umfangreiche, alles umfassende Aufgabe, wie die Beherrschung der gesellschaftlichen Kräfte der Welt, zu lösen. Und doch muss die Arbeiterklasse diesen gewaltigen Streit ausfechten, weil er nicht zu umgehen ist, und es keine andere Macht gibt, die es kann. Denn die entfesselten Kräfte der kapitalistischen Gesellschaft bedrohen die ganze Menschheit mit Vernichtung. Die ganze Menschheit sieht mit Angst und Beben den näher kommenden Massenmord der Kriege mit vergifteten Gasen und Pestbazillen, – das Resultat der durch die kapitalistische Produktion entfesselten, unbeherrschten gesellschaftlichen Kräfte. Niemand will diesen Massenmord und doch ist jeder davon überzeugt, dass er schon in beängstigender Nähe ist und schließlich wie ein unabwendbares Unwetter ausbricht. Es ist ein Wahnsinn, den niemand will, und der doch mit der Sicherheit einer Naturkatastrophe gleich über die Welt heult. Und weil dies so ist, muss um die Beherrschung der gesellschaftlichen Kräfte gekämpft werden. Auch wenn in einem Zweiten Weltkrieg ganze Völker vernichtet sind, dann bleibt noch immer die Beherrschung der gesellschaftlichen Kräfte als Problem, das nicht gelöst ist. Neue noch schrecklichere Katastrophen tauchen am Horizont auf. Darum ist die Beherrschung der gesellschaftlichen Kräfte durch die Massen selbst das Problem von heute und auch von der kommenden Zeit. Nur allein die Arbeiterklasse mit ihrer Millionenmacht kann diese Aufgabe erfüllen. Sie ist die produktive Klasse im Kapitalismus, und sie ist als solche allein imstande, die gesellschaftlichen Produktivkräfte zu beherrschen. Das aber ist der wichtigste Teil der Aufgabe, denn die Produktivkräfte sind der Bronn, aus dem alle anderen gesellschaftlichen Kräfte gespeist werden. Die Arbeiterklasse ist hierbei auf sich allein angewiesen. Sozialdemokraten und Dritte Internationale rufen die Intellektuellen und den Mittelstand zu Hilfe, um die Produktivkräfte zu zähmen. Sie suchen Hilfe dort, wo keine zu finden ist. Der Versuch zur Beherrschung der Produktivkräfte durch Intellektuelle und Mittelschichten nimmt die Form der nationalen Beherrschung der Arbeiterklasse an, er endet im Nationalsozialismus. Nicht die Produktivkräfte werden gezähmt, sondern die einzige Kraft, die dazu im Stande ist, wird völlig unterworfen und dadurch die Gegensätze im internationalen Maßstab verschärft. Das Heraufziehen neuer Weltkatastrophen wird dadurch beschleunigt. Die Arbeiterklasse, die den Mehrwert erzeugt, kann auch nur einzig und allein die Quelle des Mehrwertes schließen , indem sie die Lohnarbeit unmöglich macht und neue Bewegungsgesetze für die gesellschaftliche Produktion durchführt. Natürlich werden auch die Mittelschichten und die Intellektuellen durch die unbeherrschten gesellschaftlichen Kräfte mit dem Untergang bedroht. Aber sie können als Klasse, die vom Mehrwert zehrt, keinen Hilfstrupp bilden, wo mit der Durchführung neuer Bewegungsgesetze für die gesellschaftliche Produktion die Quelle des Mehrwerts selbst aufgehoben wird. Die Existenz der Intellektuellen und Mittelschichten als einer besonderen Schicht basiert auf der Lohnarbeit für die Arbeiterklasse, sie können kein Bundesgenosse sein, wo es darum geht, die Lohnarbeit abzuschaffen. Aber die erste Vorbedingungen dazu ist, dass die Arbeiterklasse selbst ein Machtfaktor wird. Wenn gewaltige Arbeitermassen kämpfend auftreten und sich die neue, alles überwindende Kraft der Arbeiterklasse offenbart, dann wird sie auch zu dem Magnet, der die zerstreuten revolutionären Kräfte aus allen anderen Schichten der Bevölkerung zu sich heranzieht. Nicht eher. Das Suchen von Anschluss zu den Mittelschichten oder den Intellektuellen führt eben deshalb zum Gegenteil von demjenigen, das man beabsichtigt. Die Arbeiterklasse hat stolz auf ihre Fahne zu schreiben: Nur die Arbeiterklasse und nur die Arbeiterklasse allein! Damit werden dann die Voraussetzungen gestellt zum „Übergang“ von wichtigen Gruppen der Intellektuellen und von den Mittelschichten. Klassenmacht brauchen wir! Klassenmacht! Die Selbstbewegung der Massena. Bedeutung der MassenbewegungDie besitzende Klasse wird durch die direkte Aktion in der Form der Massenbewegung unmittelbar bedroht. Vorläufig noch nicht durch ihre Kraft oder ihren Umfang, denn die Massen ringen noch mit der Tradition, sie machen sich nur langsam von der Partei und Gewerkschaftspolitik frei. Darum kann die besitzende Klasse die kommenden Bewegungen auch noch ziemlich leicht unterdrücken. Die Gefahr besteht für sie denn auch nicht darin, dass die Macht der Besitzenden direkt bedroht wird, sondern weil keine selbständige Bewegung der Arbeiter möglich ist ohne Überschreitung der gesetzlichen Schranken. – Die selbständige Bewegung der Arbeiter entwickelt ihre eigenen Gesetze, wonach sie sich richtet und handelt, und diese haben die ausgesprochene Tendenz, die gesellschaftlichen Produktivkräfte in eigener Verantwortung zu nehmen. Weil sich in der Massenbewegung zeigt, dass die Masse, wenn sie ihre Klassenkraft bewusst anwendet, sie es tut, um sich der gesellschaftlichen Produktivkräfte zu bemächtigen, weil die Beherrschung der Klassenkräfte die Verwaltung der Produktivkräfte einschließt, darum bleibt der besitzenden Klasse keine Wahl. Sie muss diese Bewegungen augenblicklich mit den schärfsten Mitte unterdrücken. Sobald hier oder dort eine selbständige Streikbewegung entsteht, antwortet die Bourgeoisie darauf ohne weiteres mit dem Belagerungszustand, Zeitungen, Organisationen, Versammlungen werden verboten, wenn sie nicht schon vorher unterdrückt sind. Aber wenn eine Bewegung sich entwickelt, dann widersetzt sie sich solcher Unterdrückung. Es werden doch Versammlungen abgehalten und Zeitungen herausgegeben. Das aber bedeutet den Kampf gegen die Staatsmacht aufnehmen. Schrecken die Arbeiter vor diesem Kampf zurück, dann ist auch die Bewegung mit Erfolg von der herrschenden Klasse unterdrückt. Aber sobald Widerstand geboten wird, setzt sich auch die Eigengesetzlichkeit der Bewegung durch. Im Streikgebiet, wo die Arbeiter etwas zu sagen haben, gilt ein anderes Gesetz als außerhalb derselben. – Diese andere Gesetzlichkeit offenbart sich unter anderem darin, dass im Streikgebiet die Gesetze zum Schutz des Privateigentums keine Gültigkeit mehr haben können. Und zwar nicht, weil die kämpfenden Arbeiter bewusste Kommunisten sind, die sich leiten lassen von dem Gedanken, die gesellschaftlichen Produktivkräfte in den Dienst der Arbeiterklasse zu stellen, sondern weil es nicht anders geht, weil der Kampf selbst es notwendig macht. Der erwähnte, ziemlich unschuldige Jordaan Konflikt im Juli 1934 in Amsterdam ist in dieser Hinsicht sehr lehrreich. Im Kampf gegen Polizei und bewaffnete Macht zogen die Arbeiter Brücken hoch, errichteten Barrikaden und Hindernisse, um den Polizeiautos das Fahren unmöglich zu machen, an den Straßenecken begossen sie die Straße mit Maschinenöl, so dass die schnell fahrenden Autos ausglitten. Hier zeigte sich die Kraft der Klasse in Aktion. Aber sie konnte nicht handelnd auftreten, ohne die Grenzen des Privatbesitzes zu durchbrechen. Es waren Schaufeln, Stacheldraht usw. nötig für die Errichtung der Barrikaden, sie wurden aus einem Eisenwarengeschäft genommen. Das Maschinenöl wurde einigen Garagen entnommen. Außerdem wurden ein paar Geschäfte geplündert zur größten Entrüstung der kommunistischen Partei, die der Meinung war, dass der Mittelstand nicht geschädigt werden dürfe. Wie begrenzt, stümperhaft unreif diese Bewegung auch war, sie lässt trotzdem die wichtigsten Kennzeichen einer Massenbewegung sehen. Schon im Vorhergehenden wiesen wir auf den innigen Zusammenhang zwischen Kräften, Mitteln und Ziel. Wären die Kräfte größer gewesen, hätten zum Beispiel größere Streiks sie unterstützt - dann hätte mit dem Wachsen der Kräfte zugleich ein Wachsen der angewandten Mittel stattgefunden. Man hätte dann mehr nehmen müssen, zum Beispiel Versammlungslokale, Druckereien, Frachtautos usw. Und dauert eine solche Bewegung etwas länger, dann muss – vor allem – für die Ernährung des Streikgebiets gesorgt werden, so dass die Beschlagnahme von Lebensmittel nur selbstverständlicher wird. Ja, es wird selbst notwendig sein, verschiedene Industriezweige für die revolutionäre Bewegung arbeiten zu lassen. (Asturien 1934, Ruhrgebiet 1920). Damit aber ist gesagt, dass eine Massenbewegung sich nur entwickeln kann, indem sie die Gesetze zum Schutz des Privatbesitzes durchbricht und einen Teil des Wirtschaftslebens in eigene Leitung nimmt. In der Massenbewegung zeigt sich im Prinzip, was später einmal in der ganzen Gesellschaft Wirklichkeit werden wird. Es offenbart sich in ihnen, dass die Massen mit ihrer Klassenkraft nichts beginnen können, wenn sie nicht zugleich die Produktivkräfte sich dienstbar machen. Beides gehört zusammen. Solange die Massenbewegungen noch klein sind und noch an der Oberfläche bleiben, so lange tritt die Tendenz nach der Beherrschung aller gesellschaftlichen Kräfte nicht so deutlich in Erscheinung. Aber werden diese Bewegungen größer, dann werden auch stets neue Funktionen in den Bereich der kämpfende Massen gezogen, ihr Wirkungsbereich dehnt sich aus. Und in dieser kämpfenden Masse vollzieht sich dann eine vollkommen neue Gruppierung der Beziehungen zwischen den Menschen und dem Produktionsprozess. Es entwickelt sich eine neue Ordnung. Das sind die wesentlichen Kennzeichen der selbständigen Klassenbewegung, und sie sind denn auch der Schrecken der Bourgeoisie. Die Entwicklung der Massenbewegungen ist deshalb eine Entwicklung, die die nach und nach werdende Beherrschung der Klassenkräfte und damit auch des gesellschaftlichen Lebens zum Inhalt hat. Aber dieses nach und nach, dieses schrittweise Werden geschieht in dem Sinne, dass das einmal Erreichte stehen bleibt, um darauf weiterzubauen. Was an direkten Erfolgen erreicht wird, bricht immer wieder in sich zusammen. Was bleibt, das ist die Erfahrung. Jede Massenbewegung entwickelt sich von neuem auf der Erfahrung der vorhergehenden Bewegungen. So entstehen verschiedene Kampfmaßnahmen in Bezug auf die Ausdehnung der Bewegung für die Beschaffung von benötigtem Material, zur Organisierung der Verteidigung, für die Verteilung von Lebensmittel usw., über die man dann nicht mehr diskutiert, weil sie durch die Erfahrung, durch die wiederholte Anwendung zum natürlichen Gedankeninhalt der Massen geworden sind. So, wie heute keine großen Debatten mehr geführt werden, wenn es gilt, bei einem Streik Posten aufzustellen, um die Streikbrecher abzufangen, weil es sich von selbst versteht, so ziehen die Massen dann alle Funktionen des gesellschaftlichen Lebens an sich, ohne lange darüber zu beraten. Die Unterdrückung einer Massenbewegung ist darum auch nur eine teilweise Niederlage der Arbeiterklasse. Denn eine solche Niederlage offenbart neben der augenblicklichen Ohnmacht auch die wachsende Macht; es ist nur die Niederlage des jungen Riesen, der noch nicht ausgereiften Kraft. b. Die AusdehnungEine der ersten Funktionen, die sich in dem Denken der kämpfende Massen festsetzt, ist die Ausdehnung ihrer Bewegung. Heute wird diese Frage noch kräftig umstritten, aber die Machtverhältnisse werden hierin zuerst Klarheit bringen. Denn eine Bewegung wächst sehr schnell zur wirklichen Massenbewegung, oder sie wird schon im Beginnstadium unterdrückt. Die alte Arbeiterbewegung kennt zwei Methoden, wie eine Bewegung ausgedehnt wird. Entweder entscheidet die Gewerkschaftsführung über das Ob und in welchem Maße es geschehen soll und setzt dafür den organisatorischen Apparat in Bewegung, oder aber verschiedene Parteien rufen durch Flugblätter usw. die Arbeiter anderer Betriebe und Berufszweige zur Solidarität auf. Jedenfalls ist die Ausdehnung hier keine Funktion der streikenden Arbeiter, sondern der Arbeiterbewegung. Eine kämpfende Masse, die selbst handelnd auftritt, ist zuerst auf die Übernahme dieser Funktion bedacht. Und dann nicht in dem Sinne, dass die selbstgewählte Streikleitung sich mit einem Aufruf an die anderen Betriebsgruppen wendet, sondern in dem die streikende Masse selbst die anderen Betriebe aufsucht, um ihre Klassengenossen zur Solidarität aufzufordern. In der belgischen Streikbewegung vom Jahre 1932 zeigte sich dieses Prinzip besonders deutlich, wenn es sich auch noch nicht konsequent durchsetzte. Schon sehr bald verlangten die Streikenden, dass die Gewerkschaften den Streik weiter ausdehnen sollten, aber es ist kaum anzunehmen, dass die Arbeiter ihre Zuflucht nahmen zu der alten Bewegung aus Unkenntnis über die zu ergreifenden Maßnahmen. Wahrscheinlich ist, dass die Ausdehnung der Bewegung durch die Masse selbst ihre Grenze erreicht hatte, als die Eisenbahner noch ein Zuwenig an Klassensolidarität besaßen, dafür umso mehr Gewerkschaftsdisziplin zeigten. Deshalb verlangten die Streikenden die Ausdehnung durch die Gewerkschaften. Als sich zeigte, dass die Klassenkraft noch zu schwach war, rief man die Instanzen zu Hilfe, und rief natürlich vergeblich. In Amsterdam 1934 (Jordaan) waren die eigenen Klassenkräfte noch so schwach, dass die kämpfenden Arbeiter die Ausdehnung der Bewegung als eine eigene Funktion noch völlig unbeachtet ließen. Man war der Meinung, dass er nur ein Kampf der Erwerbslosen sei und von ihnen allein ausgefochten werden müsse. Im Jordaan und in der unmittelbaren Nähe liegen verschiedene Betriebe, und doch wurde von den kämpfenden Erwerbslosen kein einziger Versuch unternommen, diese in den Kampf hineinzuziehen. Die wilde Streikbewegung der Textilarbeiter in Twente (1931) zeigte kaum merkbare Tendenzen zur selbst vollzogenen Ausdehnung. Die Streikenden verlangten von ihren Gewerkschaften, dass diese die Führung des Konfliktes übernehmen sollten. Damit ging die Funktion der Ausdehnung des Konfliktes natürlich auf die Gewerkschaften über. Diese aber hatten nichts Eiligeres zu tun, als die Bewegung auf ihren Herd zu beschränken und selbst Textilbetriebe, die außerhalb dieses Bezirks liegen, davon zurückzuhalten. Nur einige kleine Gewerkschaften (n.a.s. und n.s.v.), die k.p.h. und verschiedene kleine politische Gruppierungen bemühten sich, auch die anderen Textilbetriebe mit in die Bewegung hineinzuziehen. – Aber auch hier siegte die Gewerkschaftsdisziplin über die Klassenzusammengehörigkeit. Es ist übrigens leicht begreiflich, dass die noch im Betrieb stehenden Arbeiter den Aufrufen anderer Organisationen nicht folgen. Die Organisationen führen fortwährend einen heftigen, gegenseitigen Kampf, sie konkurrieren miteinander, weil jede Organisation ein Anwachsen der eigenen Organisation auf Kosten der anderen erstrebt. Der gegenseitige Kampf der Organisationen wurzelt darum nicht nur in der verschiedenen Auffassung über die anzuwendende Taktik, sondern wird auch geführt aus Organisationsinteressen. Das weiß schließlich jeder Arbeiter und darum finden auch die Parolen anderer Organisationen bei ihm kein Gehör. Aber wenn die streikenden Arbeiter selbst aufmarschieren und an die Solidarität der anderen Arbeiter appellieren, dann bekommt die Sache ein anderes Ansehen. Dann nimmt der Konflikt zwischen der Organisationsdisziplin unter Klassenzusammengehörigkeit für jeden einzelnen Arbeiter eine viel schärfere Form an und die Gefahr einer Verbrüderung wird wahrscheinlicher. Die herrschende Klasse wird darum alles in Bewegung setzen, um diese Verbrüderung zu verhindern, auf jeden Versuch der Massen, die Ausdehnung selbst durchzuführen, wird sie mit strengen militärischen Gewaltmaßnahmen antworten. Vorläufig kann eine Streikbewegung gegen diese militärische Macht überhaupt nichts ausrichten, so dass es sinnlos erscheint, die Ausdehnung auf diesem Wege zu versuchen. Und doch ist es nicht sinnlos. Denn die Arbeiter, die dann noch nicht an der Bewegung teilnehmen, sind gezwungen, unter militärischem Schutz zu arbeiten. Die von ihnen gehasste militärische Staatsmacht muss sie gegen ihre eigenen Klassengenossen in Schutz nehmen. Dadurch wird der psychische Konflikt zwischen der Gewerkschaftsdisziplin und der Klassensolidarität verschärft und neue Möglichkeiten für die Ausdehnung gewonnen. In dem erwähnten Streik der Textilarbeiter und auch sonst fast überall war davon, wie gesagt, noch wenig zu bemerken. Die Denkweise der Arbeiter ist, trotz aller üblen Erfahrung, noch viel zu sehr mit ihren alten Organisation verbunden, weshalb denn auch eine intensive Propaganda, gerade in dieser Frage, zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Arbeiterbewegung gehört. Heute schon, also in „normaler Zeit“, wo kein Wölkchen von aktivem Auftreten der Arbeiter zu sehen ist, muss bei allen Fragen die Funktion der Ausdehnung der Bewegung durch die Arbeiter selbst auf die Tagesordnung gestellt werden. Wo Arbeiter zusammenkommen, überall und an jedem Ort, muss dieses Prinzip in den Mittelpunkt gestellt werden. Oberflächlich gesehen hat dies keinen direkten, praktischen Sinn. Tatsächlich ist auch nicht direkt festzustellen, in welchem Maße dieses Prinzip einen Widerhall findet; das kann nur in der Praxis bewiesen werden. Aber ein intensives Vorarbeiten, Vorbereiten kann die praktische Anwendung des neuen Prinzips nur erleichtern. Eine wirklich revolutionäre Propaganda besteht darum nicht in den immer erneuten Aufrufen zur Revolution oder in dem Auslösen von allen möglichen Konflikten. – Sie besteht in dem stetigen, unablässigen Vorbereiten der Ausdehnungsmöglichkeiten, so dass die unvermeidlich kommenden Klassenkonflikte eine möglichst große Ausdehnung bekommen. c. Die Beherrschung der Klassenkräfte durch die ArbeiterräteDie zweite, von den Massen selbst durchzuführende Funktion ist die organische Beherrschung der Klassenkräfte, – die „eigene Führung“. Bis jetzt fiel die „Bewegung der Arbeiter“ mit der Arbeiterbewegung zusammen; die alten Organisationen waren ohne weiteres die Führer der Bewegungen. Dieses Verhältnis zwischen „Masse und Führer“ wurde zwar verschiedentlich von den kämpfenden Arbeitern bei revolutionären Massenbewegungen durchbrochen, doch man sah darin noch kein neues Prinzip, das aus der Praxis des Klassenkampfes geboren wird, sondern nur eine „Abweichung“ vom gewöhnlichen Gang der Dinge, die sich eben aus dieser oder jener besonderen Situation ergab. – Die „Abweichung“ aber bestand darin, dass die Arbeiter ohne den alten Organisationen, – und vielfach gegen deren Willen – den Kampf aufnahmen, sich von der alten Führung frei machten und „unter eigener Führung“ ein Massenziel verwirklichten, das sich ohne und gegen die alte Führung bei den Massen selbst gebildet hatte. Und diese „Abweichung“ wächst sich nun aus zu der gebräuchlichen Form, die die kämpfende Masse bildet, wenn sie sich für eigene Klassenziele in Bewegung setzt. Die Bedingungen, an welche der Klassenkampf in der gegenwärtigen Zeit gebunden ist, lassen keine andere Wahl. Gerade weil jede Bewegung der Arbeiter unmittelbar mit der Staatsmacht in Konflikt gerät und den vorgeschriebenen gesetzlichen Weg verlässt, weil jeder einzelne Kampf so geführt werden muss, als ob es direkt um die Befreiung der Arbeiterklasse ging, darum muss jede Führung über die Arbeiter versagen und bewährt sich nur, was unmittelbar von den kämpfenden Arbeitern selbst ausgeht. Daran wird auch nichts geändert, wenn vorläufig noch Parteien und Organisationen ihre Führung sich Bewegungen, die ohne sie und gegen ihren Willen entstanden sind, aufdrängen können. Denn wenn ihnen das gelingt, so wird damit nur bewiesen, dass eine solche Bewegung zu schwach ist, um sich selbständig weiter zu entfalten, – sie befindet sich auf dem Rückzug. Diese „Führung“ hat dann die Aufgabe, die Bewegung in „geordnete Bahnen“ zu bringen, das heißt, sie wird so „geführt“, dass sie nicht mit den Gesetzen und der Staatsmacht, die dahinter steht, in Konflikt gerät. Es ist darum notwendig, dass das Prinzip der „eigenen“ Führung der Massen... zum zentralen Punkt der Klassenbewegung wird. Dieses Prinzip ist bis jetzt nur schwach vertreten. Die Tradition, dass Klassenbewegungen durch Organisationen beherrscht und geleitet werden müssen, sitzt noch so tief, dass noch fortwährend neue Gruppen entstehen, die sich diese Führung zur Aufgabe stellen. Wenn die alten Organisationen den Klassenkampf nicht führen können und wollen, dann wollen sie neue Organisation errichten, die dazu imstande sind. Natürlich steckt in der alten überlieferten Auffassung ein Kern von Wahrheit, und zwar, dass die Klassenkräfte beherrscht und geführt werden müssen. Denn wenn eine proletarische Massenbewegung nur ein spontaner Ausbruch ist, dann sind wohl die Klassenkräfte entfesselt; aber wenn diese Kräfte unbeherrscht sind, noch nicht bewusst gerichtet sind, dann werden sie wie ein Gewitter, das sich entlädt ohne weitere Folgen. Die Beherrschung von Kräften aber ist ihre zielbewusste Anwendung. Und darum müssen diese Kräfte gerichtet und organisiert werden. Dies ist heute noch ebenso wahr wie vor 50 Jahren und nicht veraltet. Die neue Auffassung besteht in der Überzeugung, dass diese Kräfte nicht durch eine Organisation beherrscht und geführt werden können. Die Funktionen, die von den Arbeitern bei größeren Massenbewegungen erfüllt werden müssen, sind so zahlreich und umfangreich, sie erstrecken sich schließlich auf das ganze Gebiet des gesellschaftlichen Lebens, dass keine Partei im Stande ist, die Führung allein dieser Funktionen auf sich zu nehmen. Das kann schließlich nur durch diejenigen geschehen, die diese Funktion selbst ausüben müssen, und das sind die Arbeiter selbst. Darin besteht eben die gewaltige Schwierigkeit des Entwicklungsprozesses, dass die Kräfte, so lange sie sich chaotisch, ohne inneren Zusammenhang entladen, auch mit Leichtigkeit niedergeschlagen werden. Aber aus den Erfahrungen in diesen Kämpfen wächst die Verbundenheit und Gleichschaltung der Kräfte. Die einen übernehmen diese, die anderen jene Aufgaben, es wird daraus eine bewusste Kraft und Arbeitsverteilung, das heißt, die Kräfte werden beherrscht und organisiert. Soweit unsere Erfahrung reicht, haben wir gesehen, dass diese Gleichschaltung sich in der Form von Aktionsausschüssen vollzog, die in der revolutionären Bewegung von Russland und Deutschland seit 1917 als Arbeiterräte bekannt geworden sind. Für die Durchführung von Kampfmaßnahmen allgemeiner Art ein „allgemeiner Arbeiterrat“. So kennen wir in der Geschichte zum Beispiel den „Großen Arbeiterrat“ von Hamburg, den „Allgemeinen Arbeiterrat“ von Berlin, von Petersburg. Der „Zentrale Arbeiterrat“ für das Ruhrgebiet zum Beispiel beschlagnahmte 1920 die Banken, um die Lohnzahlung während des Generalstreiks sicherzustellen. Der Hamburger Arbeiterrat wieder ergriff Maßnahmen, um die Versorgung des ganzen Stadtgebietes mit Lebensmitteln zu regeln und versuchte auch den Widerstand gegen die zentrale Staatsmacht zu organisieren. Die Beherrschung unserer Klassenkräfte findet darum unter den heutigen Verhältnissen seine praktische Form im Rätesystem. Als Klasse können wir unsere Kräfte nur in dem Maße bewusst anwenden, soweit wir es verstanden haben, sie in den Arbeiterräten zu kristallisieren. In jeder Massenbewegung nimmt die organisatorische Zusammenfassungen und Gleichschaltung der Kräfte, ihre bewusste Anwendung, festere Formen an. In dieser Linie liegt auch die Aufgabe der Revolutionäre, deren Streben nur sein kann, jede Massenbewegung immer mehr zur Rätebewegung zu machen. Das Wachsen der Massenbewegung zur Rätebewegung zeigt uns, in welchem Maße wir lernen, unsere Klassenkräfte bewusst anzuwenden. Aber ist es nun wohl so sicher, dass Massenbewegungen zur Rätebewegung auswachsen? Hat der Nationalsozialismus in Deutschland und der Faschismus in Italien nicht die Massen in Bewegung gebracht und dabei keinen Rätecharakter getragen, vielmehr ein ihm entgegen gesetztes Prinzip, nämlich die Herrschaft des „Führers“ über die Massen durchgesetzt? Und eine zweite Frage erhebt sich: Wird die wachsende wirtschaftliche Not, die immer schärfere Ausbeutung durch die herrschende Klasse zu einem Kampf um die Produktionsmittel, zu einem Kampf um die Beherrschung der Produktivkräfte durch die Arbeiter führen? Hat nicht die Erfahrung in Deutschland und Italien gezeigt, dass die anhaltende Verschlechterung der Lage der Arbeiter die Massen nicht nach links, sondern nach rechts getrieben hat? Ist nicht eine Welle von Nationalismus und Militarismus, von Vernichtung von allem, was an Arbeiterbewegung erinnert, über die Massen gekommen? Kurz, ist nicht die Gedankenwelt der Arbeitermassen mehr wie zuvor kapitalistisch orientiert? Und müssen wir nicht feststellen, dass in den faschistischen Ländern die Arbeitermassen alle Kräfte einsetzen, um die kapitalistische Wirtschaft zu retten? In der Tat! Wir machen uns keine falschen Vorstellungen, dass die Arbeiterklasse sich in gerade Linie auf die Beherrschung ihrer eigenen Kräfte hinbewegt (s.o.). Aber wir wissen auch, dass dies kein Dauerzustand sein kann, dass dadurch das endgültige Emporsteigen unsere Klasse nicht verhindert wird. Wir nehmen dieses Wissen aus der Wissenschaft von den Bewegungsgesetzen der kapitalistischen Gesellschaft, die uns sagt, dass der Kapitalismus sich nur im Leben erhalten kann, wenn er die breiten Massen fortwährend mehr verelendet.1 Welche Vorstellungen über eine „Regelung“ der kapitalistischen Wirtschaft auch in den Massen vorhanden sein mögen, sie ändern nichts daran, dass diese „Ordnung“ von den Interessen des mächtigen Großkapitals diktiert wird. Die großen Kapitale, die im modernen Kapitalismus die bewegende Kraft der Wirtschaft bilden, müssen Profit abwerfen, wenn nicht das ganze Wirtschaftsleben zum Stillstand kommen soll. Sie können nur noch leben vom Sterben der Massen. Das Kernproblem in unserer heutigen Gesellschaft ist eben, dass die Produktivkräfte nicht nur Produktionsmittel und Arbeitskraft sind, sondern zugleich Kapitalbesitz, und dass sie nur produzieren, wenn sie als Kapitalbesitz der besitzenden Klasse genügend Profit erzeugen. Das wird versucht durch ständig verschärfte Ausbeutung, führt zur absoluten Verelendung der breiten Massen und stößt doch schließlich auf seine natürlichen Schranken. Das Problem ist darum nicht eine „Ordnung“ des Kapitalismus, sondern seine Aufhebung. Dass die Produktivkräfte zugleich Kapitalbesitz sind und als solche Profite machen müssen, wird in immer ausgedehnterem Maße zum Hindernis für ihre Anwendung. Darum muss im Interesse der breiten Masse das Wirtschaftsleben funktionieren, auch ohne Profit für den Kapitalbesitz abzuwerfen. Damit aber ist gesagt, dass die Produktionsmittel nicht mehr als Kapital erscheinen und dass die Kapitalisten sich nicht mehr die Arbeit des Arbeiters durch den Kauf seiner Arbeitskraft aneignen können. Sind die Produktionsmittel ihres Kapitalcharakters entkleidet, dann sind sie nur noch Werkzeuge, womit die freien Arbeiter Güter erzeugen, um den Bedarf der hungernden Masse zu befriedigen. Die vollkommene Umwälzung aller ökonomischen Verhältnisse ist darum das Problem unserer Zeit. Das Verhältnis der Menschen zu den Produktionsmitteln, das heute gekennzeichnet wird durch die Lohnarbeit, das Verhältnis der Menschen zu dem in der Gesellschaft vorhandenen Güterreichtum, an dem die Arbeiter nur teilhaben können, in dem Maße ob und zu welchem Preis sie ihre Arbeitskraft verkaufen, – das Verhältnis des einen Menschen zum andern, insofern er verschiedenen Klassen angehört, und das in der Form von Herrn und Knecht, von Aneigner und Enteignetem, von Käufer und Gekauftem erscheint, – alle diese Verhältnisse erhalten eine vollkommene und gründliche Umwandlung. Denn mit dem Ausschalten des Profitstrebens und damit auch des Kapitalcharakters der Produktivkräfte, wird der ganze gesellschaftliche Güterumlauf in andere Bahnen gebracht, während alle Verhältnisse der Menschen untereinander neue Formen annehmen.2 Der Faschismus kann und will dieses Problem nicht lösen und wird darum, nachdem er auch in dieser entscheidenden Frage sein wahres Gesicht gezeigt hat, von den Massen selbst überwunden werden. Die Lösung gerade dieses Problems wird immer dringender und darum sind auch Massenbewegungen, die die Produktion für und durch die Arbeitermasse in Bewegung bringen wollen, unvermeidlich. Das Entscheidende hierbei ist, dass es geschehen muss, – der Wille dazu wird aus der Notwendigkeit geboren –, während die Arbeiterklasse es nur kann, wenn sie sich dazu in den Arbeiterräten formiert. Die Eroberung der Macht in einem bestimmten Gebiet wird dann nicht die größte Schwierigkeit sein. Viel wichtiger noch wird es sein, ob es ihnen gelingt, die Produktion zu beherrschen, d.h. das Verhältnis von Herr und Knecht aufzuheben und durch die Verbindung der einzelnen Betriebe die gesellschaftliche Regelung der Produktion durchzuführen. – Das ist nur möglich durch die Arbeiterräte. Und sie müssen auch die Lebensmittelversorgung der breiten Masse sichern, indem sie die private Aneignung der Arbeitsprodukte unmöglich macht durch gesellschaftliche Regelung ihrer Verteilung. Auch dies ist nur möglich, wenn die Arbeitermassen in Räten organisiert sind. Darum ist das Wachsen der Massenbewegung als Rätebewegung der Maßstab, mit dem die bewusste Anwendung der Klassenkräfte gemessen werden kann. Die Auffassung, dass die Arbeiterräte nur in der Revolution selbst erstehen, muss darum als verkehrt zurückgewiesen werden. Bei jeder Bewegung, die aus der Arbeiterklasse hervorgeht, muss die Herausbildung von Arbeiterräten zum Kernpunkt der Bewegung werden. Die Bedeutung einer Massenbewegung besteht nicht so sehr in dem, welche materiellen Erfolge sie erreicht, sondern ob und in welchem Maße es ihr gelingt, die Klassenkräfte durch ihre Räte anzuwenden. Die neue ArbeiterbewegungWenn wir bisher feststellen konnten, dass die Bewegung der Arbeiter in den Arbeiterräten die Form annimmt, wodurch sie imstande ist, die gesellschaftlichen Kräfte zu beherrschen, so richten wir jetzt den Blick auf die neue „Arbeiterbewegung“, auf die organisatorische Zusammenfassung der noch verhältnismäßig kleinen Zahl revolutionärer Arbeiter, die sich bewusst auf den Standpunkt der Arbeiterräte gestellt haben. Dabei ist es zuerst nötig, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen Organisationen, die sich revolutionär nennen, in Wahrheit aber noch zu der alten „Arbeiterbewegung“ gehören, und solchen, die sich in der Richtung zum Neuen entwickeln. Alle Organisationen, die die Führung der Kämpfe für sich beanspruchen, die zum „Generalstab“ der Arbeiterklasse werden wollen, sie stehen an der anderen Seite der Grenze, wenn ihre Geburtsstunde auch von noch so jungem Datums ist. Dagegen rechnen wir alle Organisationen, die nicht die Macht an sich reißen wollen, sondern nur Klassenmacht, die die Selbstbewegung der Massen durch die Arbeiterräte zum Prinzip erheben, zu der neuen Arbeiterbewegung. Diese neue Arbeiterbewegung ist bereits vorhanden, aber doch noch erst in den ersten Anfängen, so dass von einer ausgebildeten organisatorischen Struktur noch kaum gesprochen werden kann. Vorläufig erscheint sie noch in der Form von kleinen, illegalen Propagandagruppen, die hier und dort auftauchen, in vielerlei praktischen und theoretischen Fragen verschiedener Meinung sind und auch wohl noch fürs erste bleiben werden. Aber so wie sie sind, sind sie jedoch die Organe, wodurch die Klasse um ihre Selbstverständigung ringt. In diesen Gruppen, die in der Masse verwurzelt bleiben, offenbart sich die Neuorientierung des Denkens der Klasse, zuerst noch spontan, hier und dort bilden sie Gruppen ohne viel Zusammenhang und darum auch noch mit auseinander gehenden Auffassungen. Aber je mehr sich diese Gruppenbildung durchsetzt, zur allgemeinen Regel wird und schließlich als notwendige Schulung der Arbeiterklasse erkannt wird, umso mehr werden auch die auseinander gehenden Auffassung zur Einheit verschmelzen. Partei oder Arbeitsgruppe?Nun gilt es die Frage zu beantworten, ob diese Propaganda- oder Arbeitsgruppen auch als neue Parteien angesehen werden müssen. Denn diese Gruppen haben, ebenso wie die Parteien, ein politisches Programm; sie sind Gruppen mit mehr oder weniger festen Meinungen, formulierten, von anderen Auffassungen abgrenzenden Richtlinien für die eigene Tätigkeit, sowohl als für den Klassenkampf überhaupt. So scheint es dann, dass sie sich, ebenso wie die bis dahin bekannten Parteiauffassungen, von der Masse abgrenzen, sich über diese erheben und schließlich doch wieder die Herrschaft über die Masse anstreben. Aber wer so urteilt, sieht nicht, dass die von den neuen Arbeitsgruppen propagierten Auffassungen über den Weg, den die Arbeiterklasse zu ihrer Befreiung gehen muss, auf die Überwindung jeder Herrschaft gerichtet ist. Der Inhalt ihrer Propaganda macht die Gruppen nicht zu Herrschaftsorganen über die Masse, sondern zu Organen, wodurch sich die Klasse selbst das nötige Wissen aneignet und dadurch imstande wird, jede Herrschaft abzuschütteln. Anders die bis dahin bekannten politischen Parteien. Diese wollen zuerst die Staatsmacht erobern und dann, im Besitze der Regierungsgewalt, auf dem Wege von Dekreten, Verordnungen, Gesetzen und Regierungsmaßnahmen ihr politisches Programm durchführen. Es ist der in der bürgerlichen Klassengesellschaft übliche Weg. Aber eine solche Politik hat einmal die Klassengegensätze in der Gesellschaft zur Voraussetzung und ist zugleich daran gebunden. Sie kann nur zum Inhalt haben, die Gegensätze zu mildern, zu überbrücken oder auszugleichen. Aber man kann den Gegensatz zwischen „Herr“ und „Knecht“ noch so sehr ausgleichen, es bleibt trotzdem immer noch „Herr“ und „Knecht“. Dieser Gegensatz, auf dem das ganze Gefüge der heutigen Gesellschaft aufgebaut ist, – und damit auch ihre Regierung – kann nicht ausgeglichen werden, auch nicht durch die Politik einer Regierung, die sich kommunistisch nennt. Er kann nur aufgehoben werden, indem die Arbeiter durch ihre Räte direkt und unmittelbar die Macht ergreifen, selbst alle politischen, das heißt gesellschaftlichen Maßnahmen vollziehen und in kollektiver Vereinigung die Verfügung über die Vorbedingungen zur Produktion ihres eigenen Lebens bekommen. Das aber kann nicht durch die Politik einer Regierung vollzogen werden, sondern geschieht nur im Verlaufe eines revolutionären Prozesses, indem die Arbeitermassen selbst mündig werden und emporsteigen zur gesellschaftliche Macht. Wenn mit dem Begriff „Partei“ der spezifische Herrschaftscharakter der Partei verbunden ist, die neuen Arbeitsgruppen aber gerade dagegen ihre Propaganda richten und auch, insofern sie ein politisches Programm haben, sich im völligen Gegensatz zu den bekannten Parteiauffassungen befinden, haben die neuen Arbeitsgruppen mit dem, was man unter „Partei“ versteht, so gut wie nichts gemein. Sie sind davon wesentlich verschieden, und können darum nicht als Parteien angesehen werden. Wir nennen sie vorläufig Arbeitsgruppen und müssen es der weiteren Entwicklung überlassen, welchen Namen sie schließlich erhalten. Die ArbeitsgruppenDie Aufgabe der Arbeitsgruppe ist äußerlich gesehen sehr bescheiden. Die revolutionäre Phrase, glänzende Reden von großen Parteiführern, Tamtam-Propaganda und Parteireklame haben hier allen Sinn verloren. Aber doch ist ihre Bedeutung viel größer als die gewaltigste Parteipropaganda jemals sein könnte. Solange nur einzelne Gruppen, und nur sporadisch hier und dort, daran gehen, durch ernstes Studium die Bewegung der gewerkschaftlichen Kräfte kennenzulernen, so lange fällt die Bedeutung dieser Arbeit nicht direkt ins Auge. Aber sobald sie mehr allgemein werden, wenn sie eine bewusst verbreitete Bewegung bilden, die überall und an jedem Ort als Arbeitsgruppen entstehen, um den Arbeitern die wahre, das heißt wissenschaftliche Einsicht in den gesellschaftlichen Lebensprozess zu vermitteln, dann ändert sich das Bild. Ihre Aufgabe ist dann nicht mehr klein und bescheiden, sondern riesengroß und alles beherrschend. In den Arbeitsgruppen hat sich dann die Arbeiterklasse das Instrument geschaffen, mit dem sie sich die Wissenschaft von den gesellschaftlichen Kräften zu eigen macht. Die Zeit dafür ist reif und mehr noch, – wenn nicht alle Zeichen trügen, dann drängt die Entwicklung in diese Richtung. Was zum Beispiel in Deutschland von der vernichteten alten Arbeiterbewegung übrig geblieben ist, das sind kleine illegale Diskussionsgruppen, wodurch die Arbeiter versuchen, sich in den neu geschaffenen Verhältnissen zurecht zu finden. Ja, eine selbständige Arbeiterbewegung ist unter den heutigen Verhältnissen doch überhaupt nicht anders möglich, als eben in solch kleinen Diskussionsgruppen. Und was heute schon in Deutschland zur Wirklichkeit geworden ist, wird in nicht ferner Zeit auch in den anderen kapitalistischen Ländern seinen Einzug halten. Dann ist auch dort der Zeitpunkt eingetreten, wo mit dem sichtbaren Zusammenbruch der alten Arbeiterbewegung die neue Form der illegalen Diskussions- und Propagandagruppen, oder wie wir sie nennen wollen, der Arbeitsgruppen, notwendig wird. Bis jetzt entstehen solche Arbeitsgruppen, indem sich einzelne Arbeiter zusammenfinden, um über ihre Klassenlage zu diskutieren. Sie sind noch schwach und unsicher und noch nicht imstande, selbständig aufzutreten. Es ist noch zu wenig Wissen und ein Mangel an Geschicklichkeit, um als Einheit, wovon die neuen Prinzipien ausgehen können, zu funktionieren. Das alles muss in mühsamer, ernster Arbeit an sich selbst und an der Gruppe nachgeholt werden. Dazu ist aber zuerst nötig, dass sie die eminente Bedeutung ihrer Arbeit für den Befreiungskampf des Proletariats begreifen. Wird den Arbeitern erst deutlich, dass sie hier selbst praktisch und aktiv an der mündig werdenden ganzen Klasse arbeiten können, jeder in seinem Ort und jede Gruppe als das Rädchen, das in dem großen Gefüge der Arbeiterklasse nicht fehlen darf, wenn die Klasse schlagfertig werden soll - dann werden sie sich auch mit voller Hingabe dieser Aufgabe widmen. Dann wird es aber auch zu einer Selbstverständlichkeit, was heute vielen noch als unmöglich erscheint! Darum müssen die Arbeitsgruppen, die auf diesem Wege vorangegangen sind, und die, fußend auf der marxistischen Gesellschaftslehre, die ganze Breite und Tiefe des Problems, – der Mündigwerdung des Proletariats erkannt haben, – ihre Klassengenossen auffordern, überall ihrem Beispiel zu folgen. Sie müssen darauf weisen, dass es nötig ist, dass jede Gruppe eine selbständige Einheit bildet, die imstande ist, selbst zu denken und selbst ihr Propagandamaterial herzustellen. Jede neue Arbeitsgruppe muss zum Ausstrahlungspunkt des Selbständigkeitsgedankens, und der Anstoß zu immer neuen Gruppen werden. – Hier liegt ein Arbeitsfeld brach, von so gewaltigem Ausmaß, dass nicht Kräfte genug sein werden, um es zu beackern. Aber diese Arbeit, einmal in größerem Umfang begonnen, macht so viele neue Kräfte frei, dass sie schließlich die ganze Klasse in Begeisterung mitreißt. In den Arbeitsgruppen der neuen Arbeiterbewegung wird der Boden bereitet, auf dem unsere Kenntnis und unsere Einsicht in die Bewegung der gesellschaftlichen Kräfte erwächst. Was der einzelne, auf sich allein gestellt, nicht kann, das ist sehr gut möglich im kollektiven Gedankenaustausch, – zuerst in der Arbeitsgruppe und dann in der Verbindung der Gruppen miteinander, die schließlich das geistige Band in der ganzen Klasse herstellen. -- Die Analyse der stets wechselnden gesellschaftlichen Erscheinungen – in der alten Bewegung das Monopol der Intellektuellen und Führer – wird hier von den Arbeitern selbst vollzogen. Die viel verbreitete Meinung, als ob die Arbeiter dazu nicht imstande seien, ist völlig verkehrt. Umgekehrt: die Intellektuellen und Führer der alten Arbeiterbewegung sind nicht imstande, für das revolutionäre Proletariat eine Analyse der gesellschaftliche Geschehnisse zu geben. Sie sehen die Erscheinungen anders als die revolutionären Arbeiter, weil ihr Ziel anders ist, – sie spielen heute eine Führerrolle und wollen die auch in Zukunft behalten. Ihr Denken kann nicht anders sein als die Funktion, die sie in dieser Gesellschaft bekleiden, verlangt. Sie bilden eine besonders bevorrechtigte Schicht, deren Funktion sich auf der Lohnarbeit, der wirtschaftlichen Enteignung und Entrechtung der Arbeiterklasse aufbaut, sie kämpfen um die Erhaltung dieser Funktion und darum muss für sie auch die Aufhebung der Lohnarbeit und die Herrschaft der Arbeiterklasse selbst als Utopie erscheinen. Den Arbeitern selbst aber steht nichts im Wege, um sich die Erkenntnisse zu eigen zu machen, die durch wissenschaftliche Forschung auf gesellschaftlichem Gebiet in großer Fülle vorhanden sind. Diese Erkenntnisse, die in den großen Werken des wissenschaftlichen Sozialismus zu gesellschaftlichen Bewegungsgesetzen formuliert sind und deren Richtigkeit durch den Entwicklungsgang unserer heutigen Gesellschaft tausendfach bewiesen ist und gerade jetzt immer mehr erhärtet wird, sie können nur von den Arbeitern verstanden werden. Denn diese Erkenntnisse sagen uns, dass die kapitalistische Ordnung unserer Gesellschaft mit den immer gewaltiger werdenden Produktivkräften in stets gesteigerte Konflikte gerät, die von ihr zuletzt nicht mehr bewältigt werden können. Sie sagen uns, dass nur die Arbeiterklasse imstande ist, daran ein Ende zu machen, indem sie sich aus der Lohnknechtschaft erhebt. Nur die wissenschaftliche Forschung lehrt uns die Gesamtgesellschaft kennen. Die Methode der Gesellschaftsforschung, die historisch materialistische, die sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt hat und von Marx, Engels, Dietzgen und anderen in ihren Werken festgelegt worden ist, muss jetzt von den Arbeitern angewandt, in die Praxis gebracht werden. Diese Aufgabe aber kann nur von der ganzen Klasse gelöst werden. Sie beginnt überall dort, wo sich Gruppen bilden, die sich die Analyse der gesellschaftlichen Geschehnisse zur Aufgabe stellen; sie entwickelt sich schließlich zum allgemeinen Denkorgan, mit dem die Klasse denkt, wenn überall Gruppen entstanden sind, die durch das Band der gleichen Denkweise verbunden sind. Die Aufgabe ist gewaltig groß, aber sie wird doch schließlich von der unerschöpflichen Energie der Arbeitermassen bewältigt werden, denn nur so wird der Weg freigemacht, der zur Befreiung der Arbeiterklasse führt. Die „Kinderkrankheiten“Die so werdende neue Arbeiterbewegung hat natürlich ihre „Kinderkrankheiten“. Diese haben vielfach einen so gefährlichen Charakter, dass die meisten der neu entstandenen Gruppen vorläufig daran zugrunde gehen. Allein in den letzten fünf Jahren entstanden dergleichen Gruppen immer wieder von neuem, um, ebenso wie sie gekommen, auch wieder zu verschwinden. Die Ursachen davon sind doppelter Art. Die wesentlichste Ursache davon ist, dass sie keine genügend theoretische Grundlage hatten; sie waren noch viel zu sehr ein Durcheinander von überlieferten alten Gedanken und unausgegorenen neuen. Daran gehen sie unwiderruflich zugrunde. Die zweite Ursache liegt darin, dass unter den neuen Verhältnissen die Zusammenarbeit in den Gruppen einen ganz anderen Charakter als in der alten Arbeiterbewegung haben muss. Die dafür nötigen geistigen Eigenschaften sind nicht ohne weiteres vorhanden, sie müssen erst im Kampfe gelernt und erworben werden. Durch diese zwei Ursachen ist das Problem der Gruppenbildung darum auch viel schwieriger, als es auf den ersten Blick erscheint. Die ungenügende, theoretische Grundlage wird gerade darum für neue Gruppen so gefährlich, weil sie zu unbesonnenen Handlungen und zwecklosen Aktionen führt. Wenn die Ungeduld, und nicht die Einsicht, zum Ratgeber für das Handeln wird, dann versucht man die Arbeiter in alle möglichen Aktionen hineinzutreiben und erwartet dadurch, durch das künstliche Auslösen von Aktionen, dass ihnen schon der Führerglaube ausgetrieben wird. Dies wird zuletzt zu einer bewusst angewandten Methode, um die Arbeiterklasse zu „revolutionieren“ und zum Klassenkampf zu „erziehen“. Darum ist ihre Sprache furchtbar „revolutionär“, ihre Schilderung der herrschenden Klasse schreckenerregend und sie enden stereotyp mit der Alternative: Revolution oder Untergang in der Barbarei. Man fühlt sich dabei sehr revolutionär und ist überzeugt, ein Vorkämpfer der proletarischen Revolution zu sein. Aber es wird damit nur erreicht, dass sich die revolutionäre Ungeduld in starken Worten entlädt und wie loses Pulver – unschädlich für die herrschende Klasse – verpufft. Eine weitere Auswirkung erfolgt nicht, und wenn doch, hier oder dort, einzelne kleine Gruppen sich auf diese Weise in eine „Aktion“ hineintreiben lassen, dann liefern sie dadurch nur den Beweis, wie lächerlich eine solche „Taktik“ ist. Die revolutionärste Sprache kann nicht ersetzen, was der Klasse an Einsicht fehlt; der Versuch, auf diesem Wege das Proletariat „reif“ zur Revolution zu machen, liefert nur den Beweis, dass gerade bei diesen „Vorkämpfern“ noch die elementarste Einsicht in die Bedingungen des proletarischen Befreiungskampfes fehlt. Die andere „Kinderkrankheit“ besteht darin, dass die Arbeit in den Gruppen erst gelernt werden muss, dass die Gruppenarbeit in den Gruppen noch nicht die den neuen Aufgaben entsprechende Form gefunden hat, und dass auch die Arbeiter, die in den Gruppen zusammenarbeiten, sich neue und den neuen Verhältnissen angepasste geistige Eigenschaften zu eigen machen müssen. Der wesentlichste Charakterzug bei den alten Organisation ist, dass ihre Mitglieder, die aufgrund bestimmter Prinzipien sich ihr angeschlossen haben, durch die Organisation selbst beherrscht werden. Der Einzelne will sich damit den für richtig gehaltenen Prinzipien unterwerfen; in Wirklichkeit unterwirft er sich dem organisatorischen Apparat, der seinerseits die Prinzipien aufstellt, sie verändert, bestimmt inwieweit sie in diesem oder jenem Fall gültig sind usf., ja, der schließlich auch feststellt, wie die Mitglieder nach diesen Prinzipien handeln müssen. Das einzelne Mitglied, das durch den Eintritt ein Teil der Organisation wird, unterwirft sich damit der „Führung“ der Organisation. Diese „Führung“ wird geregelt, abgegrenzt und umschrieben von Reglementen und Statuten, in denen Rechte und Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gruppe, gegenüber der Organisation und umgekehrt, festgelegt sind. Wer auf irgendeine Weise sündigt, wird anhand dieser Organisationsgesetze zur Ordnung gerufen. Die demokratische Verfassung der Organisation sollte dafür sorgen, dass diese Führung von den Mitgliedern bestimmend beeinflusst wird, aber je mehr die alten Organisationen zu einem, schließlich rein bürokratischen Apparat auswuchsen, umso mehr wird diese Beeinflussung auf ein Minimum beschränkt und schließlich gänzlich über Bord geworfen. Die Arbeiterorganisation sind so ein getreues Spiegelbild der politischen Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft im allgemeinen. Die nationalsozialistische Partei hat den Schlussstrich unter dieser Entwicklung gezogen, indem sie die Selbstherrlichkeit der Führung als Prinzip erhebt, eine Führung, die nur noch ihrem „Gott“ und dem „eigenen Gewissen“ verantwortlich ist. Aber ob nun auf demokratischem Wege oder durch bürokratische Verordnung oder schließlich durch den „von Gott erleuchteten Führer“, die organisatorische Regelung und Gesetze sind doch die Grundlage, auf welcher die Tätigkeit des Einzelnen in der Organisation zu einem Ganzen verbunden wird. Dadurch können sie zusammenarbeiten, trotzdem sie sich gegenseitig nicht über den Weg trauen und jederzeit bereit sind, ihren Nächsten zu Fall zu bringen, wenn er ihnen in der Organisation im Weg steht. In den letzten Jahren haben wir verschiedene Organisationen kennengelernt, die diese Mentalität aus der alten Bewegung behalten haben, und die ebenso schnell wieder verschwunden sind, wie sie geboren. Man versuchte zuerst gegenseitige Unterschiede durch den Aufbau eines organisatorischen Apparates zu überbrücken. Aber das ist in kleinen Gruppen so gut wie unmöglich, das gegenseitige Misstrauen löst dann sehr bald jedes organisatorische Band auf. Die erste Lehre, die daraus gezogen werden kann ist, dass kleine Gruppen nur fähig sind, wenn ihre Mitglieder eine wenigstens nahezu vollständig gleiche Auffassung von ihrer Aufgabe haben. Gruppen, die heute noch groß werden wollen, – groß in dem Sinne, dass die Organisation groß und mächtig werde –, sie befinden sich auf demselben Wege, den die alte Arbeiterbewegung gegangen ist. Sie tragen noch die Kennzeichen der alten Arbeiterbewegung, wo die Organisation „führt“ als Apparat, und das einzelne Mitglied sich dieser Führung unterwirft. Sie können nur die Großen in Miniatur wiederholen. Darum können sich heute in kleinen Gruppen nur Gleichgesinnte vereinen. Es ist besser, dass revolutionäre Arbeiter in tausenden kleinen Gruppierungen an der Bewusstwerdung der Masse arbeiten, als dass ihre Tätigkeit in einer großen Organisation dem Herrschaftsstreben ihrer Führung unterworfen wird. Das schließt die Zusammenarbeit der Gruppen untereinander nicht aus, sondern macht sie vielmehr notwendig. Zeigt sich in der Praxis, dass sich diese Zusammenarbeit mit Erfolg vollzogen hat, dann ist in Wirklichkeit die Zusammenschmelzung zu einer großen Organisation von Gleichgesinnten schon erfolgt. Aber dieses Zusammenschmelzen zur organisatorischen Einheit kann nur das Resultat eines Entwicklungsprozesses sein. Die Gruppen, die Ausgangspunkt der neuen Arbeiterbewegung werden sollen, müssen nicht nur aus Mitgliedern mit gleichen Auffassungen über ihre Aufgabe bestehen. Diese Auffassungen selbst müssen sich wesentlich von denen der alten Arbeiterbewegung unterscheiden. Die erste und wichtigste darunter ist diejenige, die über die Tätigkeit des Mitgliedes in der Organisation handelt. Sie muss sich unterscheiden von der alten Auffassung, indem sie uns lehrt, dass das Mitglied sich nicht einer Führung unterwirft, sondern dass er sich in kollektiver, kameradschaftlicher Weise mit Gleichgesinnten verbindet, um eine Führung, der man sich unterwerfen muss, überflüssig zu machen. Die Führung und auch die Regeln, wonach das Zusammenarbeiten in der Gruppe erfolgt, kann kein fremder, über die Mitglieder herrschende Apparat sein, sondern muss stets aufs Neue aus der absoluten Hingabe der Mitglieder erwachsen. Sie selbst machen stets aufs Neue die Führung und das Band, das sie zum gemeinsamen Handeln in der Gruppe verbindet, das ist der alles überragende Wille, die persönlichen Interessen außer Acht zu lassen, wenn die Erfüllung der gemeinsamen Aufgabe es verlangt. ZusammenfassungWenn wir einige allgemeine Gesichtspunkte über die neue Arbeiterbewegung zusammenfassen, dann zeigt sich, dass die Zielsetzung eine vollkommen andere ist. Die alte Bewegung will auf dem Wege der Aktion durch die Gewerkschaften und durch soziale Gesetzgebung Verbesserungen auf dem Boden des Kapitalismus erreichen. Die neue Arbeiterbewegung dagegen richtet ihre Tätigkeit auf die Erreichung eines gesellschaftlichen Zustandes, der die Aufhebung der kapitalistischen Ordnung zur Voraussetzung hat. In der Massenbewegung will sie die Masse zur Selbstorganisation in den Arbeiterräten bringen, so dass sie durch diese alle Funktionen der gesetzgebende und ausführenden Macht vollziehen, und alle Funktionen in Produktion und Distribution selbst durchführen kann. Die revolutionären Arbeiter, die sich die Propaganda für die Selbstbewegung der Arbeitermassen zur Aufgabe machen, will sie in Organisationen unter eigener Führung vereinen, in Arbeitsgruppen, die in allem, was sie tun, völlig selbstständig bleiben. Selbständige Organisation der Arbeitermassen in den Arbeiterräten und selbstständige Organisation der revolutionären Arbeiter in frei arbeitenden Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppen haben nicht nur die Aufgabe der Propaganda nach außen, wesentlich ist zugleich die eigene Schulung. Die Arbeiterklasse ist erst dann imstande, die gesellschaftlichen Kräfte zu beherrschen, wenn sie dieselben durch die Wissenschaft kennengelernt hat. Die Arbeiter, die sich zu Arbeitsgruppen verbinden, müssen durchdrungen sein von der Notwendigkeit, die Bewegung der gesellschaftlichen Kräfte als eine zwangsläufige, gesetzmäßige Entwicklung kennenzulernen. Dieses Wissen aber kann nur durch mühsame und harte Arbeit an sich selbst erworben werden. Erkenntnis fehlt der Arbeiterklasse, und Wissen ist notwendig. Und wir können es erreichen, – nur die Arbeiterklasse kann es. Alle bürgerlichen Professoren, auch wenn sie zum „Denktrust“ (braintrust) vereinigt sind, können nicht den alles beherrschenden Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit aus der Welt schaffen. Sie können nicht die wesentliche Ursache der stets größer werdenden gesellschaftlichen Katastrophen aufdecken, denn sie, die Lohnarbeit, ist zugleich die Basis, auf der sich ihre bevorrechtete Funktion in der Gesellschaft erhebt. Nur allein die Arbeiterklasse ist dazu imstande, weil sie es muss, wenn sie nicht immer tiefer hinab gedrückt werden will. Darum wächst unsere Klasse auch im Denken über alle anderen hinaus. Das zentrale Problem, das immer dringender um seine Lösung schreit, besteht in der gewaltigen Entwicklung der Produktivkräfte und der Unmöglichkeit sie anzuwenden. Der Kapitalismus hält sich nur noch aufrecht, indem er stets aufs Neue Produktivkräfte vernichtet oder außer Tätigkeit setzt. Dieses Problem steht heute im Mittelpunkt aller Gedanken, es beginnt jeden einzelnen und die Masse zu verfolgen, – ihm kann nicht ausgewichen werden. Darum müssen wir dieses Problem zu der zentralen Achse unserer Selbstschulung und Propaganda machen, bis die Theorie die Massen ergreift: Dann wird die Theorie zur materiellen Macht. Und dann erst lernen wir die volle Bedeutung kennen von den Worten: Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein. © Obgleich die Kommunistische Linke im Allgemeinen keine Urheberrechte bzw. „intellektuelle Eigentumsrechte“ für sich eingefordert hat, können einige Veröffentlichungen auf dieser Webseite urheberrechtlich geschützt sein. In diesem Fall steht ihr Gebrauch nur zum Zweck persönlichen Nachschlags frei. Ungeschütztes Material kann für nicht-kommerzielle Zwecke frei und unentgeltlich verbreitet werden. Wir sind Ihnen erkenntlich für Ihren Quellenhinweis und Benachrichtigung. Bei beabsichtigter kommerzieller Nutzung bitten wir um Kontaktaufnahme. Compiled by Vico, 1 December 2020 |
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