Home | Contact | Links       
Antonie Pannekoek Archives

Rätekorrespondenz

Quelle: a.a.a.p.


Rätekorrespondenz

Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052


Grundlagen des gelben Imperialismus


Quelle:  Grundlagen des gelben Imperialismus. – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung.  – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1935, Nr. 7 (Januar [=Februar]); Quelle der Transkription: Rätekommunismus , 23. November 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Die japanische Exportoffensive

Teils unangefochten, teils begünstigt durch die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten der letzten Jahre hat sich der japanische Kapitalismus zu einer großangelegten Offensive gegen die Industrien Europas und Amerikas aufgeschwungen. Beschränkte er sich noch vor einigen Jahren darauf, ihnen den ost-asiatischen Markt streitig zu machen, so rückt er heute bis in die Zentren des Welthandels und der Weltindustrie hinein. Es gibt kaum noch ein Wirtschaftsgebiet, kaum noch einen Produktionszweig, die Japan nicht in den Bereich seiner Exportpolitik hineinbezogen hätte. Das gelbe Kapital geht auf der ganzen Breite der Weltwirtschaftsfront zum Angriff über.

Die absolute Stärke des japanischen Außenhandels ist allerdings noch gering. Auf der Grundlage des Golddollars berechnet, beträgt der Anteil Japans am Weltaußenhandel nach den Statistiken der Société des Nations 1933 etwa 3,2 Prozent (744 Millionen von 23 105 Millionen). Wichtiger als dieser wertmäßige Anteil aber ist die Entwicklungsrichtung des japanischen Außenhandels, der in den letzten Jahren eine außerordentliche Energie entfaltet hat. Während der Außenhandel der Vereinigten Staaten im Jahr 1933 gegenüber 1932 weltmäßig um 3% zurückging, stieg der japanische Außenhandel um 35%. Dass diese Steigerung nicht nur der Yen-Entwertung zuzuschreiben ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Ausfuhr von Baumwollgeweben z.B. mengenmäßig um 11% gestiegen ist. Und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass dieser Mengenanteil Japans weiter im Wachsen ist.

Der überragende Anteil an Japans Export gebührt der Textilindustrie, die 1933 noch 63% der Ausfuhr stellte. Die Baumwollgewebeausfuhr allein stieg von 1 418,7 Millionen Yards im Jahre 1928 auf 2 090,9 Millionen Yards im Januar 1933.

Dennoch nimmt der Textilexport prozentual ab, denn er machte 1929 allein 72% der Gesamtausfuhr aus. Das bedeutet also, dass Japan im wachsendem Tempo auch andere industrielle Produkte zur Ausfuhr bringt.

Die japanische Textilindustrie hat die der übrigen Welt auf dem ost-asiatischen, britisch- und niederländisch-indischen Markt bereits vollständig überrannt. Die übrige japanische Exportindustrie fängt an, auf dem gleichen Markt die europäische und amerikanische zu verdrängen. Mandschurische Roheisen, Röhren, Fahrräder, Nähmaschinen usw. sind zu wichtigen japanischen Exportartikeln geworden. In Niederländisch-Indien z.B. waren 1933 von 5 292 Tonnen eingeführten Fahrradteilen nicht weniger als 4 933 Tonnen japanischer Herkunft. Afghanistan, früher ein Abnehmer Britisch-Indiens, ist nach den Berichten einer indischen Handels-Delegation heute vollständig in den Händen japanischer Exporteure.

Aber Japan stößt weit über das Gebiet vor, das es geopolitisch als sein natürliches Absatzgebiet betrachtet. Es setzt sich im nahen Orient fest. Seine Einfuhr nach Palästina stieg schon 1932 um das Fünffache gegenüber dem Vorjahre, für die Intensivierung der Handelsbeziehungen zu Ägypten wurde im November 1933 die Association du Commerce Egypto-Japonais gegründet, der neben den vier größten Spinnereien Japans mehr als 200 Textilunternehmen, Banken, Schifffahrtsgesellschaften, Import- und Exporthäuser angehören und die außer Textilien auch Tabak, elektrische Lampen, Porzellan, Gummischuhe, Spielzeug usw. ausführt. Schickt sich Japan an, den Löwenanteil der ägyptischen Baumwollproduktion abzunehmen; die infolge ihrer Qualität für die japanische Industrie zu steigender Bedeutung gelangt, so zögert es nicht, die Vorbereitung für die Monopolisierung des ägyptischen Exportmarktes vorzubereiten.

Die japanisch-australischen Handelsbeziehungen scheinen sich rasch zu befestigen, da Japan ein Großabnehmer australischer Wolle geworden ist. Dementsprechend fordern heute australische Bankkreise den intensiven Ausbau der Handelsbeziehungen zu Japan.

In den afrikanischen Kolonialgebieten, so vor allem in den ehemaligen deutschen Schutzgebieten und den Kolonien Frankreichs in Nord-Afrika, hat sich der japanische Handel bereits im beträchtlichen Ausmaße festgesetzt. Japan bietet dort Kleidungsstücke, Kunstseideartikel, Fahrräder und die verschiedensten Kleinartikel mit einem Preisabschlag bis zu 50% gegenüber den europäischen Waren an.

Die Einfuhr Japans nach den wichtigsten süd-amerikanischen Staaten: Argentinien, Brasilien, Peru, Chile, erhöhte sich wertmäßig von 1932 auf 1933 um 135%. Der Mengenansatz von Baumwollwaren nach Argentinien allein verdreifachte sich im gleichen Zeitraum. Ebenfalls gewann Japan auf dem zentralamerikanischen Markt (Mexiko, usw.) stark an Terrain.

Japan in Europa

Fürchtete die europäische Konkurrenz vor wenigen Jahren noch lediglich den japanischen Textilexport, so schlägt sie heute auf den verschiedensten Produktionsgebieten Alarm. Das „Made in Japan“ findet sich auf den verschiedensten Produkten, vor allem Gummi- und Metallwaren. Japanische Glühlampen werden für 0,98 Sfr. das Stück angeboten und Österreich bezog allein im ersten Quartal 1934 mehr als 1,1 Millionen japanischer Glühbirnen. Fahrräder werden zu 15,- Sfr. offeriert; Uhren das Kilo zu 32,- Sfr. Fiume entwickelt sich zu einem direkten Einfuhrzentrum japanischer Waren. Vierröhren-Radioapparate werden dort – mit Lautsprecher – für 32,- Sfr. verkauft. Beste japanische Kunstseidengewebe werden in Marseille unverzollt aber einschließlich aller Kosten für Weben, Färben, Appretieren, für Transport, Versicherung, Verpackung und Kommissionsspesen, billiger als der rohe Faden angeboten, der in Lyoner Fabriken hergestellt wird. Neuerdings wird gemeldet, dass Japan in England eine Montagefabrik für Fahrräder zu errichten gedenkt, deren Fertigerzeugnisse zu einem Engrospreis von 12 Sh. 6 D. auf den Markt geworfen werden sollen.

Übergang zum Kapitalexport

Zu diesen Exportmethoden fügt Japan bereits den Versuch der Forcierung eines ausgesprochenen Kapitalexports hinzu. Dass Japans Wirtschaftsbeziehungen zu seiner Kolonie Mandsjukwo einen finanz-imperialistischen Charakter tragen, ist nicht wunderlich. Seine Gesamtanlagen betragen dort 1 135 Millionen Yen. Davon wurden 1933 allein 461 Millionen investiert. Ende April 1934 erhielt der mandsjurische Staat von Japan eine Anleihe von weiteren 60 Millionen Yen. Außerdem gaben japanische Banken einen Warenkredit von 20 Millionen Yen. 14 Millionen allein waren davon als Heereslieferungen für die mandsjurische Armee bestimmt.

Im beträchtlichen Maße ist japanisches Kapital auch in China investiert. Von 139 Baumwoll-Industrie-Unternehmen befinden sich 43 in japanischem Besitz, die modernsten, denn sie liefern fast die Hälfte der chinesischen Baumwollgewebe. Über ein Viertel des in der chinesischen Kohleproduktion angelegten Kapitals ist japanisch; dabei beträgt der Anteil dieser japanischen Unternehmen fast ein Drittel der gesamten chinesischen Kohleproduktion.

Erstaunlicher als die Tatsachen sind die Bemühungen Japans, durch Kapitalexport auf das europäische Wirtschaftsfeld direkt überzugreifen. Im Frühjahr 1934 machte Japan der türkischen Regierung das Angebot, durch einen 20 Millionen Pfund Kredit das türkische Flottenbauprogramm zu übernehmen. Ebenso bot Japan der rumänischen Regierung die vollständige Neuausrüstung der Armee an, einschließlich der Übernahme der Errichtung von Munitionsfabriken unter der Kontrolle japanischer Angestellter. Die Kostenvoranschläge lagen 25% unter den Angeboten von anderer Seite. Außerdem stellte Japan eine weitgehende Übernahme von umfangreichen Holz- und Erdöllieferungen von Rumänien in Aussicht.

Der Kampf um den Welttextilmarkt

Auf dem durch Krise und Stagnation der Weltwirtschaft unerhört eingeengten Feld des Welthandels alarmiert der prozentual geringe japanische Außenhandel die kapitalistischen Exporteure Europas und Amerikas, die nach außerordentlichen zollpolitischen Sicherheitsmaßnahmen schreien.

Als ein tatsächliches Kampffeld hat sich bis jetzt nur der Textilmarkt erwiesen, auf dem allerdings das Gewicht des japanischen Exports auch zahlenmäßig deutlich zu verspüren ist. Der Index der deutschen und englischen Textilindustrie bewegte sich 1933 noch um 10% unter dem Stand von 1928, während die japanische Textilproduktion, trotz eines empfindlichen Rückschlages in der Seidenerzeugung, ihre Fabrikation um 26,4% gesteigert hatte. Japan griff die englische Textilproduktion, die den Weltmarkt beherrscht hatte, mit ständig wachsender Wucht an. Zwar verfügte England 1933 noch über 587 965 Webstühle, während Japan nur 277 343 Webstühle zählte. Mit einem Gesamttextilexport von 2 090 Millionen Quadrat Yards überhole es jedoch 1933 zum ersten Mal absolut die englische Textilausfuhr mit einem Plus von rund 50 Millionen Quadrat Yards. England unterlag der japanischen Textilindustrie. Es unterlag ihr sogar auf seinem wichtigsten Markt, in Britisch-Indien.

Seine Textilausfuhr dorthin ging von 1929-1930 bis 1932-1933 von 1 235 Yards auf 525 Millionen zurück, während sich der japanische Export auf diesen Markt 1932-1933 mit 539 Millionen Yards fast unverändert hielt und somit 50% der indischen Einfuhr an sich brachte. Nach Indien ging 1933 22% der gesamten Textilausfuhr Japans. Dazu kommen noch 20,5% Ausfuhr nach Niederländisch-Indien, wo England fast überhaupt nicht Fuß fassen konnte. Nach dem Stand von Februar 1934 überholte die japanische Textilausfuhr nach Afrika ebenfalls schon die englische, die sich mit einem wesentlichen Vorsprung allein noch in Südamerika halten konnte. Dafür annektierte Japan mehr als das Fünffache der englischen Textileinfuhr Ägyptens, das sich zu seinem viertbesten Abnehmer zählt und auf dem Textilmarkt noch außerordentlich bedeutend ist.

Mit gleicher Wucht greift Japan auch den Weltkunstseidenmarkt an. Es trat 1926 zum ersten Mal mit einer überhaupt nennenswerten Summe von Kunstseidenprodukten auf und stellte etwa 2% der Weltproduktion. Für 1933 wurde seine Kunstseidenerzeugung mit 38 Millionen Kilogramm, d.h. auf geschätzt etwa 17% der Weltproduktion. Sein Export an Kunstseidengarnen verdoppelte sich schon 1930 bis 1932. 1933 exportierte Japan für 140,92 Millionen Yen Kunstseidenerzeugnisse, davon 50% nach Asien, 23% nach Afrika und 11% nach Australien. Japan nimmt heute hinter den u.s.a. den zweiten Platz in der Weltkunstseidenerzeugung ein; es hat Deutschland, England und Italien als die bedeutendsten Kunstseidenproduzenten Europas bereits geschlagen.

Britisch-Japanischer Handelskrieg

Im Angesicht dieser Tatsachen drängte Lancashire (das englische Textilzentrum) die britische Regierung zu Gegenmaßnahmen. Diese erfolgten mit Erlass von Kontingentierungsvorschriften für die Einfuhr von Textilprodukten nach England und den Kolonien Anfang Mai 1934, nachdem vorhergehende Verhandlungen mit Japan als ergebnislos abgebrochen werden mussten. Die Japaner fühlten sich – mit Recht – stark genug, Englands Vorschläge für die Aufteilung des Weltmarktes zurückzuweisen. Es nahm auch die Kontingentierungsmaßnahmen, die ihm etwa 5% seiner Textilausfuhren beschneiden, mit Ruhe auf, trotzdem es durch den im Januar 1934 abgeschlossenen Textilvertrag mit Britisch-Indien bereits 10 Ausfuhrprozente verlor.

Diese japanische Zurückhaltung ist jedoch nur scheinbar. Sie stützt sich einmal auf eine unbedingte Bereitschaft zur Aufnahme des Wirtschaftskrieges mit England. Die japanische Regierung erwirkte sich zollpolitische Vollmachten zur „Adjustierung“, die zur schärfsten Waffe gegen Großbritannien werden können. Es stellte den Engländern bei einer etwaigen Ausdehnung ihrer Absperrungsmaßnahmen den vollkommenen Boykott der Baumwolleinfuhr aus Indien, der Wolleinfuhr aus Australien usw. in Aussicht. Tatsächlich ist Japan in der Lage, England vollkommen zu schlagen. Denn seine Ausfuhr aus dem gesamten englischen Weltreich ist größer als seine Ausfuhr dorthin, wie es überhaupt – ein Merkmal seines kräftigen wirtschaftlichen Aufstieges – einen passiven Außenhandel aufweist. So hat die britische Regierung keine Aussicht, dass sich die Regierungen der Dominions ihrem Vorgehen gegen Japan anschließen werden. An Baumwolle bezog Japan sowohl aus den Vereinigten Staaten als auch aus Britisch-Indien mehr als es Waren absetzte. Mit Indien hat es Baumwollexport und Warenimport in ein festes Verhältnis gebracht, so dass es also gegen Überraschungen von dieser Seite her geschützt ist. Den weitaus stärksten Teil seines großen Wollbedarfs deckte Japan auf dem australischen Markt, dem es die Hälfte seiner gesamten Wollproduktion abnimmt, das heißt 75% mehr als es nach Australien exportiert.

Angesichts dieser Situation ist mit Sicherheit damit zu rechnen, dass die englische Regierung auf einen forcierten Handelskrieg mit Japan auch in Zukunft verzichten wird. Japanische Publizisten, wie K.K. Kawakami im Aprilheft der New-Yorker Zeitschrift „Foreign Affairs“ kündigen mit größter Ruhe an, dass Japan bei jeder Beschränkung seiner Einfuhr in bestimmte Länder mit einer Änderung seiner Rohstofflieferanten antworten wird. Und das ist keine leere Drohung. Japan ist imstande, mit Hilfe von Außenhandelsabkommen mit einer großen Zahl von außereuropäischen Ländern eine vollkommene Verschiebung seiner Importe durchzuführen. Es hat nicht nur die billigsten Preise für seine Exportartikel zu offerieren, es hat die großzügigsten Abnahmezusicherungen für textile und andere Rohstoffe zu vergeben. Tatsächlich geht die Tendenz seiner Abkommen mit verschiedenen südamerikanischen Staaten darauf hin, unter Umständen die gesamte Jahresproduktion an Wolle, Baumwolle usw. abzunehmen. Ebenso könnte Japan mit Leichtigkeit die gesamte ägyptische Baumwollernte aufkaufen, wenn es dafür die entsprechenden Einfuhrkonzessionen erhielte. Japan ist aus der engeren Sphäre des britischen und des europäischen Handels überhaupt nur zu verdrängen durch die weitgehende Preisgabe des gesamten überseeischen Marktes. So bleibt es also doch trotz allerschwächlichen Abwehrmaßnahmen der alten kapitalistischen Länder weiter im Angriff.

Die Kriegserklärung an das weiße Kapital

In Italien erschien vor kurzem eine Broschüre, die die Zusammenfassung einer Anzahl von Artikeln aus der größten japanischen Tageszeitung „The Osaka mainichi and the Tokio nichi“ gab. Dort heißt es:

„Ihr Herren Europäer und speziell ihr Herren Engländer habt es euch nach der starken industriellen Entwicklung zu Ende des verflossenen und zu Beginn des laufenden Jahrhunderts bequem gemacht: Ihr habt den Lebensstandard gehoben und habt auf den Welt-Exporthandel wie auf ein ewiges Recht gezählt. Nun steht die Welt aber nicht still, noch wartet sie auf euch, wenn ihr mit den Zeiten nicht Schritt haltet. Wir zögern nicht zu bestätigen, dass die englische und allgemein die europäische Textilindustrie jeden Tag von der japanischen geschlagen wird, weil ihr vergessen habt, dass alle Handelsbasis darin besteht, zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Das Kaufvermögen der meisten Länder der Welt, welche eure Kunden sind, ist ziemlich gering und wir halten deshalb dafür, dass die Absicht der Japaner, ihre Waren zu billigsten Preisen zu verkaufen, vom allgemein menschlichen Standpunkt aus betrachtet, nützlicher sei, als eure Tendenz, die hohen Preise beizubehalten.
Ihr Engländer und Europäer denkt an eure Gewinne und den hohen Lebensstandard eurer Arbeiter; wir denken an die Notwendigkeit der Arbeitsbeschaffung für unsere Arbeiter und an die Lebensnotwendigkeit der Millionen von Asiaten, Afrikanern, Südamerikanern, unserer Kunden, welche ein mehr als bescheidenes Leben führen. Wenn Japan diesen Völkern ein Gewebe zu 2 deniers per Yard verkaufen kann, warum sollen sie dafür den Europäern 4 oder 6  deniers bezahlen?“

Diese Worte sind die des machtbewussten japanischen Kapitals, das den westlichen Kapitalismus mit seiner eigenen Logik schlägt. Mit derselben Logik und nach denselben Humanitätsphrasen hat das europäische Kapital einst das europäische Handwerk vernichtet, hat es später sich der Märkte rückständiger Länder bemächtigt, hat es Asien seine Wirtschaftsmethoden aufgezwungen. Heute erhebt es gegen die von ihm erzeugte Kraft dieselben schwächlichen Phrasen einer ökonomisch überholten Kleinbürgermoral, mit der sich die untergehenden Handwerker gegen ihre Konkurrenz zu wehren suchten. Das moderne und leistungsfähigere Kapital des Ostens erklärt mit selbstbewusster Brutalität dem weißen Kapitalismus, seinem Erzeuger, den Krieg. Und diese Kriegserklärung ist deutlicher als alle Äußerungen der imperialistischen Militärs des japanischen Generalstabes. In ihrem Geiste wird das japanische Kapital nicht nur kämpfen, es wird mit ihm den zermürbten europäischen Kapitalismus im Felde der internationalen Wirtschaft schlagen.

Die technischen Voraussetzungen der japanischen Expansion

Die europäische Bourgeoisie weist mit Angst und Erbitterung auf das „Dumping“ der japanischen Exporteure hin. Mit welcher Berechtigung, das ist zu prüfen.

Zunächst muss betont werden, dass die Frage der Kraft des japanischen Exports nicht mit allgemeinen Dumpingphrasen beantwortet ist. Es ist nämlich ganz unbestreitbar, dass der japanische Kapitalismus die europäische Industrie technisch weitaus übertrifft. Das gilt vor allem in der Textilindustrie. Die Kosten der Errichtung einer Textilfabrik belaufen sich in Ostasien zwar auf das vierfache derjenigen in England, aber dafür kennt Japan eine viel stärkere Ausnutzung seiner Maschinerie. Die hochmodernen japanischen Textilmaschinen laufen in der Regel im 8½ stündigen Zweischichtenbetrieb mit höchster Geschwindigkeit. Eine 10 Jahre alte japanische Textilmaschine hat durchschnittlich 62 000 Arbeitsstunden geleistet, während eine gleiche englische Maschine durchschnittlich nur 24 000 Stunden ausgenutzt worden ist. Der Durchschnitt der Spindelarbeitsstunden wird für Japan auf wöchentlich hundert Stunden angegeben, gegenüber 40 in Europa (1933).

Die Intensität der Maschinenarbeitsstunden ist in Japan größer als in England. So liefert eine japanische Spindel in 48 Stunden durchschnittlich 42 englische Pfund Garn Nummer 40, eine englische hingegen nur 36 englische Pfund. Mit 8 Millionen Spindeln erreicht Japan fast die Leistung der englischen Textilindustrie mit 50 Millionen Spindeln.

Das Tempo der Arbeitsrationalisierung ist in Japan so stark, dass trotz der fortschreitenden Steigerung der Produktion die Arbeiterzahl seit 10 Jahren mit 4,8 Millionen so gut wie völlig stabil geblieben ist. Kamen 1929 noch 285 Beschäftigte auf 10 000 Spindeln in der Baumwollindustrie, so kamen 1933 nur noch 197 auf die gleiche Zahl von Spindeln. Im selben Zeitraum stieg die Leistung eines Spinners um 35,6%.

Das Währungsdumping

Setzt die rationalste Ausnützung von Mensch und Maschine sowie die Stabilisierung auf relativ wenige Garn- und Gewebesorten nicht nur in der Baumwoll-, sondern auch in der Woll- und Kunstseideindustrie die japanische Industrie allein schon technisch in den Stand, der europäisch-amerikanischen Konkurrenz erfolgreich entgegenzutreten, so hat sich Japan einen weiteren Vorsprung durch eine kontrollierte Abwertung seiner Währung geschaffen. Allein diese Devaluation erklärt seinen Exporterfolg nicht im geringsten, und England kann sich schon gar nicht anklagend auf sie berufen. Denn erstens erfolgte die Abwertung des Stirlings vor der Abwertung des Yens und zweitens wurde der Yen selbst wieder auf der Basis des englischen Pfundes stabilisiert. Das englische Beispiel hat weiterhin gezeigt, dass eine Währungsentwertung nur einen kurzen Anregungsstoß auf die Wirtschaft ausübt, während sich Japan weiterhin auf lange Sicht durchsetzt. Seine Ankündigung eines eventuell neuen Abwertungsexperiments zeugt allerdings von dem Willen, der japanischen Wirtschaft unter Umständen ein zweites Mal eine devaluatorische Morphiumspritze zu verabfolgen, ein Experiment, dem England kaum folgen dürfte.

Das japanische Lohnkonto

Eine der wesentlichen Ursachen des billigen japanischen Exports sind die japanischen Löhne. Die Ware Arbeitskraft ist in Japan wohlfeil zu haben, wenn auch zwischen den Löhnen im faschistischen Deutschland und im faschistischen Italien und denen in Japan nicht der gewaltige Unterschied besteht, den die europäische Presse im Dienste der Lohnsenkungspolitik ihrer eigenen Auftragsgeber herausstellt.

Das japanische statistische Büro berechnete einen Durchschnittslohn von 2,53 Yen (ein Yen = 0,95 Sfr. – schweizerische Franken) täglich für 714 600 männliche und von 0,95 Yen für 729 000 weibliche Arbeiter. Die Bank von Japan verzeichnete als monatliche Durchschnittslöhne männlicher Arbeiter in der Metallindustrie 59,21 Yen, in der Lebensmittelindustrie 42,88 Yen, in der chemischen Industrie 41,93 Yen, in der Textilindustrie 32,05 Yen und für verschiedene andere Industriezweige 44,95 Yen. Die angegebenen Frauenlöhne liegen zwischen 23,22 Yen in der Metall- und 15,22 Yen in der Textilindustrie und erreichen in keinem Fall 50% der männlichen Löhne.

Einen exakten Vergleich mit den europäischen Löhnen lassen die an sich selbst noch durchaus unzuverlässigen Angaben nicht zu. Einmal wird nach einem Artikel Oliver Lawrences im Londoner „The Listener“ vom Anfang März 1934 ein beträchtlicher Teil des Lohnes in Form von Naturallohn ausbezahlt, und zweitens ist ein bedeutender Teil der Arbeiterinnen, so in der Textilindustrie, kaserniert, hat also keine Wohnausgaben.

Lebenshaltung

Die japanischen Löhne verkörpern einen anderen Lebensstandard als den der europäischen Arbeiter. Die Stadtverwaltung von Tokio stellte ein mittleres Arbeiterbudget auf, das sich auf 54 Yen im Monat beläuft. Das ist mehr als dem Durchschnittseinkommen aller Arbeiterkategorien, außer denen der Metallindustrie, entspricht. Aus diesem Grunde wohl hat es die japanische Statistik vorgezogen, verschiedene Einkommensberechnungen als Familieneinkommen zu berechnen. Sie kommt so in einer immer noch offensichtlich tendenziösen Statistik über Einnahmen und Ausgaben von 1000 Haushaltungen zu einem durchschnittlichen reinen Arbeitseinkommen von 77,97 Yen und stellt fest, dass davon 4,89 Yen monatlich gespart werden.

Das ist mehr als kümmerlich, wenn festgehalten wird, dass die Sparkasse in Japan die Sozialversicherung zu ersetzen hat. Für die unterste Kategorie der erfassten Haushaltungen, die ein Einkommen von weniger als 50 Yen aufweisen, muss jedoch diese Erhebung selbst ein monatliches Defizit von 4,74 Yen feststellen. Ein Vergleich zwischen dem japanischen Nominalindex und dem Kleinhandelspreisindex zeigt, dass sich die Lebenslage der japanischen Arbeiterschaft bei wachsender Industrialisierung und steigendem Export absolut verschlechtert. Vom November 1931 bis September 1933 sank der Lohnindex von 89,7 auf 84,7, während der Kleinhandelsindex von 130 auf 147 anstieg.

Die Yenentwertung hat nach japanischen Angaben auf die Lebenshaltung der Arbeiterschaft keinen Einfluss gehabt, da sich die Kosten für die notwendigen Lebensmittel nicht verändert haben. Der Vergleich von Lohn- und Preisindex sagt indes das Gegenteil. Zu berücksichtigen bleibt noch, dass sich die für den japanischen Arbeiter notwendigen Lebensmittel auf Reis, Fisch, Tee und etwas Alkohol beschränken und dass sich der Index des Reispreises im Verlauf des Jahres 1933 beträchtlich gesenkt hat. Die äußerst bescheidenen Kosten für die Wiederherstellung der Ware Arbeitskraft machen die niedrigen japanischen Löhne verständlich. Den historisch und klimatisch gegebenen östlichen Lebensstandard vorausgesetzt, kann unter Berücksichtigung der anderen Lebensbedingungen in Europa gesagt werden, dass sich die japanischen Elendslöhne nicht mehr wesentlich von den Elendslöhnen breiter europäischer Arbeiterschichten unterscheiden. Der europäische Kapitalismus aber sieht sich trotzdem nicht in der Lage, gegen das japanische Lohnniveau zu konkurrieren, es sei denn, er bringe seine gesamte Arbeiterschaft auf des Einkommens- und Lebensniveau der deutschen Landhilfe und des deutschen Arbeitsdienstes, bei denen praktisch aller Lohn abgeschafft ist.

Feudalkapitalismus

Der „Reisstandard“ [?] der japanischen Arbeiterschaft vermindert das japanische Lohnkonto in einem Ausmaße, das dem europäischen Kapitalismus selbst bei gleicher oder noch größerer relativer Verelendung „seiner“ Arbeiterschaft unerreichbar bleibt. Der große Umfang der Frauen- und Kinderarbeit, die die Erreichung des Existenzminimums von der Arbeit der ganzen Familie abhängig macht, drückt die Lohnausgaben weit herab.

Trotz hochgestellter technischer Anforderungen erfolgt die intensive Ausbeutung der japanischen Arbeiterschaft im höchstrationalisierten Produktionsprozess. Das wird sozial möglich, weil dem japanischen Kapitalismus eine unerhört ausdehnbare Reservearmee zur Verfügung steht. Allein durch die starke Bevölkerungsvermehrung wachsen ihm jährlich 200 000 Arbeitskräfte zu. Auf der anderen Seite ist die stark verelendete Bauernschaft, die den größten Teil der japanischen Bevölkerung ausmacht, ein unerschöpfliches Menschenreservoir.

Dieses Menschenreservoir lebt in vorkapitalistischen Arbeits- und Ausbeutungsverhältnissen. Da die japanische Bourgeoisie nicht im Kampf mit den feudalen Kräften des Landes heranwuchs, sondern durch die Teilung der herrschenden Feudalklasse entstand, hat sich der feudale, agrarische Untergrund der japanischen Gesellschaft weitgehend erhalten. Die größten Familien des Feudaladels und zugleich die Träger der konzentrierten japanischen Industrie und die Nutznießer einer praktisch leibeigenschaftlichen Bauernausbeutung. Die feudale Abhängigkeit der japanischen Bauern versteckt sich, wie in großen Teilen Chinas, hinter Naturalpachtbeziehungen. Es ist üblich, dass der Bauer in Japan 50% seiner Ernteerträge an den Grundherren als Pacht liefert. Da die hochmoderne Industrie und die halbfeudale Landwirtschaft auf das Engste miteinander verbunden sind, ist der japanische Kapitalismus direkt Nutznießer der feudalen Bauernausbeutung. Er steckt die Extraprofite ein, die in den sonstigen kolonialen Gebieten dem imperialistischen Kapital durch die Aussaugung der vorkapitalistischen Produzenten zufallen, ohne dass er es nötig hat, die feudale Klasse und sonstige zahllose Zwischenagenten zu bezahlen. Obwohl die Erträge der japanischen Unternehmer teilweise märchenhaft sind (in der Kunstseidenindustrie z.B. konnten Jahresprofite von 75% als Regel verzeichnet werden.), steht dem japanischen Kapital eine beträchtliche Feudalrente zur Verfügung, die von ihm im internationalen Konkurrenzkampf eingesetzt werden kann.

Auch in dieser Hinsicht ist kaum von einem echten „Sozialdumping“ zu sprechen. Der japanische Kapitalismus nützt lediglich seine Position aus, die ihm die Mittel und Methoden in die Hand lieferten, die sonst von dem imperialistischen Kapital auf kolonialem Gebiet angewandt worden sind.

Für die Arbeiterschaft Chinas sind die alten Feudalverhältnisse zu einer weiteren Fessel geworden. Die Bindung an das Land macht einerseits trotz größten Elends die Versorgung der Arbeitslosen „überflüssig“. Andererseits erfolgt die Arbeiteranwerbung und Verpflichtung in halbfeudalen Formen. Agenten der großen Unternehmen sammeln in den Dörfern ganze Schiffs- und Eisenbahntransporte von Arbeitswilligen, denen sofort ein Vorschuss ausgezahlt wird, nachdem sie sich für einige Jahre Arbeit verpflichtet haben. Dieses Geschäft wird in der Regel mit dem Familienoberhaupt abgeschlossen, sodass sich also aus patriarchalischen Familienverhältnissen heraus eine milde Form des Menschenhandels entwickelt hat.

Frauen- und Kinderarbeit

Die Löhne für die männlichen Arbeiter sind jedoch in Japan, weniger als in anderen Ländern, ein Gradmesser für die Lage des Proletariats, da sich die japanische Fabrikarbeiterschaft zu mehr als 50 Prozent aus Arbeiterinnen zusammensetzt, die noch nicht die Hälfte der männlichen Löhne erhalten und nicht nur kaserniert sind, sondern auch in den Fabriken vollständig verpflegt werden, angeblich zu Selbstkostenpreisen der Unternehmer. Jugendliche im Alter von 10 bis 12 Jahren werden nach amtlichen Angaben zu mehr als 10 Prozent beschäftigt. Über die zahlreiche Anwendung von Kindern jüngeren Alters werden keine Angaben gemacht.

Agrarkrise in Permanenz

Wie überall, wo die gleichen Verhältnisse anzutreffen sind, verschlechtert sich auch in Japan die Lage der Bauern im schnellsten Tempo, da ihnen zum Joch der feudalen noch das Joch der kapitalistischen Ausbeutung auferlegt wurde. Bereits zu Beginn der Weltwirtschaftskrise kam es im Gefolge einer Lohnsenkung von 20% und durch die Rückkehr zahlreicher entlassener Fabrikarbeiter auf das Land zu stärkeren Agrarunruhen. Die 1931 einsetzende Sonderkonjunktur brachte keine ausreichende Entlastung. Die Preise von wichtigen Agrarprodukten, wie Reis, Bohnen, Tee und Rohseide blieben hinter der Yenentwertung zurück. Im Verlauf des Jahres 1933 wurde diese Entwicklung erneut kritisch, sodass die Regierung im Herbst 1933 durch umfangreiche Reiskäufe, aber ohne rechten Erfolg, die agrarische Lage zu mildern suchte. Im Juni 1934 veröffentlichte die kaiserlich-japanische Landwirtschaftsgesellschaft alarmierende Nachrichten. Sie stellte fest, dass 10 bis 15% der Bauern keine Reisvorräte für den persönlichen Bedarf mehr zur Verfügung stehen und dass in den Gebieten der Seidenraupenzucht der Prozentsatz der Hungernden noch größer sei. Weiter wurde bekannt, dass die Bauern teilweise die Reishäuser der Regierung gewaltsam erbrachen und die staatlichen Vorräte zur Verteilung brachten. Die Regierung ist nicht imstande, die Ursachen des Agrarelends abzustellen. Starke Preiserhöhungen für den Reis würden es unmöglich machen, die bisherigen Löhne weiter aufrecht zu erhalten und damit den angestrengten Angriff auf den Weltmarkt zu gefährden. Außerdem ist das bäuerliche Elend nicht so sehr durch höhere Reispreise als durch Beseitigung der Pachtsklaverei zu bekämpfen. Und die herrschende Klasse Japans wird die Basis ihrer wirtschaftlichen Macht nicht selbst zerstören. Angesichts dieser Tatsache kommt den werktätigen Bauern Japans, die rund 54% der Bevölkerung ihres Landes ausmachen, eine besondere soziale Bedeutung zu. Die Frage der Niederkämpfung der herrschenden Mächte Japans ist, ähnlich wie in Russland vor 1917, nicht allein eine Frage des Kampfes der Arbeiterschaft, sondern zugleich eine Bauernfrage. Solange es der herrschenden Klasse Japans gelingt, die feudale Agrarbasis des Landes zu erhalten, solange ist sie nicht nur innerpolitisch gesichert, sondern auch auf dem Weltmarkt im beträchtlichen Vorteil.

Der japanische Staat

Durch die enge Versippung und Verschmelzung der feudalen und der kapitalistischen Mächte, die durch überkommene Religion und überkommene Sitten, ebenso wie durch ihre Interessen engstens mit dem Staat verflochten sind, ist der japanische Staat politisch und ökonomisch in idealer Weise zu ihrem Instrument geworden. Das erweist sich nicht allein durch die Politik der imperialistischen Eroberungen auf dem ostasiatischen Kontinent, die weitgestreckten Macht- und wirtschaftspolitischen Zielen dient. Das erweist sich auch durch die Unterstützung des japanischen Exportes durch den Staat. Obwohl der Staatshaushalt durch das Militärbudget außerordentlich angespannt ist, das im Voranschlag 1934-1935 nicht weniger als 45% aller Staatsausgaben umfasst, hat der japanische Staat noch beträchtliche Mittel für die Exportförderung zur Verfügung. Einmal haben die japanischen Schifffahrtsgesellschaften bewegliche Tarife. Wenn durch die Fracht auf einen entfernten Markt die japanischen Waren teurer als um mindestens 5% unter den niedrigsten Konkurrenzpreisen verkauft werden müssten, tritt eine Senkung der Frachtsätze, evtl. bis zu ihren direkten Fortfall ein. Die Verluste der Schifffahrtsgesellschaften aber werden durch den Staat durch große Subventionen abgedeckt. Dieses System erst verbirgt ein tatsächliches Dumping. Dieser Dumping ist möglich, weil die japanische Industrie mit großen Gewinnen arbeitet. Die wachsenden Ausgaben des Staates werden nicht durch steigende Steuern, sondern durch wachsende Anleihen aufgebracht. Von über 2,1 Milliarden Yen des neuen Ausgabenetats werden nicht weniger als 1 lMilliarden Yen durch Schatzanweisungen aufgebracht, während die Steuern noch nicht ganz 700 Millionen Yen einbringen. Die Staatsschuld Japans beträgt 10 Milliarden. Es bleibt abzuwarten, ob es der Regierung auf die Dauer gelingen wird, dieses für jeden anderen Staat ruinöse Finanzierungssystem durchzuhalten und andererseits trotz aller Anspannungen auch das Gleichgewicht auf dem agrarischen Gebiet, und sei es mit Gewalt, aufrechtzuerhalten.

Zu den Methoden des Transportdumpings treten weiterhin noch die Methoden einer indirekten staatlichen Subvention der Industrie Japans durch die Staatsaufträge. Für Rüstungen, Eisenbahnbauten usw., die der Staat in Auftrag gibt, werden Überpreise bezahlt, durch die die betreffenden Unternehmen in die Lage versetzt werden, niedrige Exportpreise anzusetzen. Für die Seiden- und Stahlindustrie wurde dieses System amtlich zugegeben.

Untersucht man den Charakter dieser Methoden der Exportsubvention durch die Politik der gleitenden Transportdienste und durch die Überbewertung der Heeres- und Staatsaufträge, so kommt man auf folgenden Grund: Die Exportkraft Japans ist seiner außerordentlichen hohen kapitalistischen Konzentration geschuldet, die sich schon aus der Art der Entstehung des japanischen Industrialismus erklärt. Viele Unternehmen wurden durch den Staat gegründet und dann, als sie rentabel geworden waren, dem privaten Kapital übergeben – und zwar ausnahmslos in den Familienbesitz des Kriegsadels. Fünf Familienkonzerne in den Händen des alten Kriegsadels beherrschen ungefähr 75% der japanischen Industrie. Dieses ist überdies auf das straffste kartelliert, sodass in Japan eine solche direkte Verflechtung aller Unternehmen miteinander einerseits, andererseits mit dem Staate besteht, wie sie sonst nur noch in Sowjet-Russland angetroffen wird. Und das auf profit- und privatwirtschaftlicher Grundlage. Die Finanzierung des Staates auf der einen, und die finanzielle Begünstigung des Exports durch den Staat auf der anderen Seite, das erweist sich so als eine Art einheitlich organisierter Aktion des japanischen Kapitalismus.

Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die staatliche Organisierung des gesamten Exportwesens. Es werden nicht allein die Preise, die Menge und die Qualität der Ausfuhrprodukte von zentraler Stelle festgesetzt, sondern darüber hinaus auch die Bearbeitung der Außenmärkte und die Leitung des Exportstromes selbst zentralisiert und organisiert. Der japanische Kapitalismus hat es in ungleich höherem Ausmaße als jedes andere kapitalistische Land fertiggebracht, als organisiertes Kapital den Staat zu erfassen und als organisierte Gruppe den nationalen Konkurrenzgruppen des Auslands entgegenzutreten.

Schluss

Hier konnte weder alles erfassendes Material, noch eine tatsächliche allseitige Analyse des japanischen Kapitalismus gegeben werden, sondern nur Anhaltspunkte dafür. Immerhin dürfte klar geworden sein, dass die Macht des jungen japanischen Kapitalismus nicht allein in der forcierten Anwendung der allgemein bekannten kapitalistisch-imperialistischen Methoden, sondern weiterhin auch in der besonderen Struktur seiner Ausbeutungswirtschaft verankert ist.

Japan wird sich gewiss nicht den Widersprüchen seiner eigenen Entwicklung entziehen können, und zwar weder den Gesetzen der antagonistischen Profitwirtschaft selbst, als auch dem Gegensatz zwischen modernster kapitalistischer Produktion und feudaler Aneignung auf agrarischem Gebiet. Aber solange es imstande ist, seinen sozialen Bestand selbst zu erhalten und sich die doppelte Basis seiner Profitwirtschaft zu sichern, solange wird es auch imstande sein, aus einer neuen Krise die neuen Kräfte ihrer Überwindung zu schöpfen. Es ist erst am Beginn seines gewaltigen imperialistischen Angriffes, den es militärisch als auch wirtschaftlich gegen das alte Weltkapital vorträgt. Es ist wahrscheinlich, dass es aus den kommenden Auseinandersetzungen als Sieger hervorgehen wird und zu der entscheidenden Kraft des weltkapitalistischen Fortschritts der nächsten Zukunft überhaupt wird, wenn ihm nicht die Erhebung des internationalen Proletariats den Weg versperrt, wenn es nicht durch die panasiatische Bauernrevolution zurückgeworfen wird.

Nachtrag

Zur Erhärtung der Ansicht, dass die europäischen Elendslöhne nicht mehr weit von denen der japanischen Arbeiter entfernt sind, sei darauf verwiesen, dass in Lancashire der japanische Lohnvorsprung gegenüber der ungelernten englischen Arbeiterschaft auf höchstens 12 bis 13% geschätzt wird.


© Obgleich die Kommunistische Linke im Allgemeinen keine Urheberrechte bzw. „intellektuelle Eigentumsrechte“ für sich eingefordert hat, können einige Veröffentlichungen auf dieser Webseite urheberrechtlich geschützt sein. In diesem Fall steht ihr Gebrauch nur zum Zweck persönlichen Nachschlags frei. Ungeschütztes Material kann für nicht-kommerzielle Zwecke frei und unentgeltlich verbreitet werden. Wir sind Ihnen erkenntlich für Ihren Quellenhinweis und Benachrichtigung. Bei beabsichtigter kommerzieller Nutzung bitten wir um Kontaktaufnahme.


Compiled by Vico, 30 November 2020


























Übersicht