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Quelle: a.a.a.p. Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80. |
Gewaltherrschaft und BoykottQuelle: Pressedienst der g.i.k., Nr. 1, April 1933 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek. „Warum fahren jetzt noch Züge nach Deutschland? Warum werden noch deutsche Güter abgenommen und verarbeitet? Wo ist die internationale sozialistische und menschliche Solidarität mit unseren Mitarbeitern jenseits der Grenze?“ Die Umwälzung in Deutschland ist nicht als eine Konterrevolution zu bezeichnen, denn diese setzt eine vorherige Revolution voraus - die eigentliche Konterrevolution begann in Berlin am 9. November 1918, als Ebert und Scheidemann die Regierung antraten. Aber sie hat mit einer Konterrevolution gemein, dass die Bourgeoisie eine Gewaltherrschaft aufrichtete, die den Parlamentarismus durch eine Regierungsdiktatur ersetzte, für bestimmte Gruppen der Bevölkerung die bürgerlichen Freiheiten und die einfachsten Menschenrechte aufhob, die bisher legalen Parteikommunisten als Verbrecher einsperrte, die Sozialdemokraten mundtot machte und eine Judenverfolgung inszenierte, die in der übrigen Welt die Frage aufkommen ließ, ob Deutschland in die mittelalterliche Barbarei zurückverfallen war. Die leichte Beseitigung des Parlamentarismus kann nur diejenigen überraschen, die vergessen, dass der Parlamentarismus nie tief in der deutschen Bourgeoisie wurzelte. Während in England und Frankreich die emporkommende Bourgeoisie die Macht erobert hat, und daher im Bürgertum das Parlament, als Ausdruck der Volksherrschaft, als höchste Macht über allen Regierungspersonen und Behörden empfunden wird, ist das Parlament in Deutschland von oben eingesetzt worden; es war kein Ausdruck eines Befreiungskampfes, und der Deutsche fühlte sich immer als Untertan unter der hohen Behörde. Die Verfolgung der Kommunisten und Sozialisten findet nur eine äußerst gelinde Kritik da und dort in der Presse des Auslandes. Sie ist natürlich nicht mit der bestialischen Grausamkeit der französischen Bourgeoisie gegen die Pariser Kommune zu vergleichen – es ist ja selbstverständlich, dass damals, bei einer gelungenen revolutionären Ergreifung der Macht durch die Arbeiter, die Wut der Bourgeoisie viel heftiger und maßloser war als hier, wo sie sich erst zum Angriff auf die Lebenshaltung des Proletariats anschickt. Dass aber die Misshandlungen in den Konzentrationslagern so wenig Protest auslösen, zeigt, wie sehr die Klassenlage die Rechtsempfindung bestimmt. Dagegen haben die Verfolgungen gegen die Juden fast überall in der bürgerlichen Welt scharfe Kritik und Empörung geweckt. Überall wo der Kapitalismus herrscht, ist die Gleichheit aller Menschen vor dem Mammon als ein selbstverständliches Prinzip jedem Bürger in Fleisch und Blut übergegangen, dass die Proklamierung eines Rassenprinzips wie ein Rückfall in vorkapitalistische Unkultur empfunden wird. Dass der Mensch nicht nach seinem Geldbesitz bewertet wird, verstößt sicher gegen die kapitalistische Ethik. Und so sieht man in den Hauptstädten der Welt, in Westeuropa und Amerika, dass überall Protestversammlungen gegen die Judenverfolgung abgehalten werden. Und dabei wird dann, als Mittel um einen Druck auf die neuen deutschen Herrscher auszuüben, eine Boykottaktion, ein Boykott deutscher Waren proklamiert. Dieser Vorschlag kommt nicht immer, oder in erster Linie, von den Juden, die ihren Stammesgenossen helfen wollen, sondern oft von anderen. Das bedeutet, dass die warenproduzierende Bourgeoisie anderer Länder aus dem Boykott ihrer Konkurrenten ihren Profit zu machen sucht. Auch unter den Arbeitern des Auslandes taucht die Frage auf, ob sie sich nicht an einem solchen Boykott beteiligen sollen. Nicht wegen der Juden allein, sondern um ihre Empörung über die Vernichtung aller politischen Freiheit und die Verfolgung ihrer Klassengenossen zu bekunden. Für Sozialdemokraten oder Parteikommunisten liegt der Gedanke auf der Hand, den Feind, der sie in Deutschland niederschlägt und verfolgt, in anderer Weise zu treffen und zu schädigen. Für revolutionäre Kommunisten, die die gesellschaftliche Entwicklung in ihrem Zusammenhang zu erfassen suchen, liegt die Sache jedoch anders. Aus mehreren Gründen. Erstens: Es hilft nichts. Der Kampf gegen den Nationalsozialismus ist der Kampf gegen das deutsche Großkapital. Dieser Kampf kann nur durch die deutschen Arbeiter geführt werden. Dadurch, dass sie in Massenkämpfen gegen die großkapitalistische Diktatur rebellieren und dabei zur klaren Erkenntnis ihrer kommunistischen Ziele aufsteigen. Diese Aufklärung und dieser Kampf können durch einen ausländischen Boykott, an dem sich Arbeiter beteiligen, bloß gehemmt werden. Denn – und das ist ein zweiter Grund – dabei würden Arbeiter in einer gemeinsamen Aktion mit ihrer Bourgeoisie gegen die deutsche Bourgeoisie zusammenstehen. Oder richtiger noch: Dabei würden Arbeiter sich im Schlepptau ihrer Bourgeoisie befinden für die Interessen und Ziele dieser Bourgeoisie. Denn da hinter einer noch so aufrichtigen sittlichen Entrüstung der Bourgeoisie immer als bewegende Kraft ihr Konkurrenzinteresse steht, wären die Arbeiter, unter dem Scheine schöner humanitärer Ziele, in Wirklichkeit Opfer einer nationalistischen Verirrung. Die einzige Wirkung könnte nur diese sein, dass in Deutschland der Nationalismus unter den Arbeitern erstarkt und der Kampf für kommunistische Aufklärung erschwert wird. Wir bekämen dann eine Neuauflage von 1914, als die Arbeiter in jedem der beteiligten Länder sich den imperialistischen Kriegszielen der eigenen Bourgeoisie unterordnete und einander bekämpften. Können Arbeiter der anderen, der westeuropäischen Länder oder Amerikas dann nichts tun, um ihren so schwer bedrängten und unterdrücken Kameraden in Deutschland zu helfen? Sicher können sie das. In erster Linie dadurch, dass sie den Kampf gegen die eigene Bourgeoisie klar und energisch führen. Jeder Fall, jedes Beispiel eines wuchtigen Arbeiterkampfes in einem Lande wirkt anfeuernd und aufklärend auf die Arbeiter anderer Länder. Neben dieser Einwirkung durch die Tat tritt die geistige Einwirkung. Nach dem Zusammenbruch der alten Taktik braucht die Arbeiterklasse Klarheit über die neue zu befolgende Kampfmethode. Das ist keine Frage nur eines Landes; sie betrifft das ganze internationale Proletariat, und daher hat man sich überall durch Studium und Diskussion daran zu beteiligen. Die Entwicklung und die Propaganda kommunistischer Ziele, die gegenseitige Aufklärung über Wesen und Ziele des Klassenkampfes, über Fragen von Staat und Revolution in einem Lande, wirkt auf alle anderen zurück. Und solange die Propaganda in Deutschland so erschwert ist, werden die Kommunisten anderer Länder nötig sein, um die deutschen Kameraden in ihrer Arbeit zur Aufklärung zu unterstützen. Redaktionelle Anmerkung*) Der Nederlandsch Syndicalistisch Vakverbond (Niederländischer Syndikalistischer Gewerkschaftsbund) spaltete sich 1923 von dem bereits seit 1893 bestehenden syndikalistischen Gewerkschaftsdachverband „Nationaal Arbeids Secretariat“ (n.a.s.) ab (1922-1923: 22 500 Mitglieder), da darin die s.u.-treue, parteikommunistische Fraktion an Einfluss gewonnen hatte. Als anarchosyndikalistische Organisation in den Niederlanden war der n.s.v. der anarchosyndikalistischen Internationalen Arbeiter-Assoziation angeschlossen. Compiled by Vico, 21 August 2021 |
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