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Quelle: a.a.a.p. Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80. |
Die Sozialisierung der Landwirtschaft – II.Quelle: Pressedienst der g.i.k., September 1930 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek. Die Zusammenfassung der BetriebeBei der Durchführung der sozialen Revolution auf dem Lande betrachten die französischen Genossen es von entscheidender Bedeutung, dass die heutige Parzellierung des Bodens, so wie diese bei dem heutigen Kleinbesitz existiert, sofort aufgehoben wird, um das Land in Großbetrieben zu bearbeiten. Diese Auffassung wird ihnen von zwei ganz verschiedenen Überlegungen eingegeben. Einerseits soll diese Zusammenlegung erfolgen, weil der Großbetrieb in der Landwirtschaft unter allen Umständen produktiver sein soll als Klein- oder Mittelbetriebe und andererseits, weil es nur in Großbetrieben möglich sein soll, einen Betriebsrat zu bilden. Die Genossen nehmen ihren Ausgangspunkt also nicht in den neuen Rechtsverhältnissen der Produzenten zum Gesamtprozess (diese werden gar nicht erwähnt), sondern in der Irrationalität der Landwirtschaft, so wie diese durch den Privatbesitz bedingt wird, und andererseits in den organisatorischen Schwierigkeiten bezüglich der Bildung der Räte. Nun sind die Auffassungen über die Bildung der Großbetriebe nicht klar formuliert. Es scheint aber, dass die Genossen die Zusammenlegung derart auffassen, dass die Landarbeiter anfänglich den Boden im Umkreis eines Dorfes als einheitliches Grundstück, als ein Betrieb, bearbeiten. Aber schließlich ist diese Bearbeitung nach ihrer Auffassung zu primitiv, nicht rationell genug, und darum soll die Zusammenlegung eines ganzen Distrikts oder eines ganzen Landes zu einem Betrieb weiter folgen. Der Betrieb wird dann von dem Betriebsrat des ganzen Landes geleitet. Wir haben hier ein gutes Beispiel, wie die Fragen der Sozialisierung nie zu lösen sind. Abgesehen davon, dass es eine derartige Bewirtschaftung nur in der Phantasie geben kann, weisen wir darauf hin, dass der Satz, dass die Leitung der produktiven Kräfte durch die Produzenten stattfinden soll, völlig in die Brüche geht. Es ist nichts anderes als ein Agrar-Trust mit zentraler Verfügungsgewalt über die gesellschaftliche Arbeit… und die Arbeiter. Die Ursache dieser unfruchtbaren Gedankenkonstruktion liegt darin, dass die Genossen die Landwirtschaft umbauen wollen nach den angeblichen Notwendigkeiten einer rationellen Bewirtschaftung und nicht nach den neuen gegenseitigen Rechtsverhältnissen der Betriebsorganisation und den neuen Rechtsverhältnissen jedes Betriebs zum Gesamtwirtschaftskörper. Selbstverständlich kommt es im Kommunismus tatsächlich zu einem Zusammenarbeiten, einer Zusammenfassung und schließlich zu einem Zusammenlegen von Agrarbetrieben. Wir betonen aber ausdrücklich, dass die Frage der Zusammenlegung vorläufig nicht zur Debatte stehen kann, weil es eben eine Rationalisierungsfrage ist und darum nicht in die Bewegungsgesetze der Bedarfswirtschaft hineingehört. Es ist einfach unmöglich, weiterzugehen als die Erörterung der Beziehungen zwischen den Betriebsorganisationen. Und diese Beziehungen sind derart, dass die Betriebsorganisationen miteinander in Verbindung treten müssen, weil sonst unmöglich die gesellschaftliche Produktionszeit festgestellt werden kann. Es ist nichts mehr als eine rechnerische Angelegenheit der gleichartigen Betriebsorganisationen. Allerdings fließt hieraus auf die Dauer eine weitere technische Durchdringung, aber die Grundlage, auf welcher sie sich vollzieht, liegt von vornherein fest. Das Tempo dieser Durchdringung wird dann auch von den Produzenten selbst angegeben, weil eine der Bedingungen der Produktion ist, dass die Produzenten selbst die Leitung der produktiven Kräfte in den Händen halten. Und wenn ein Gegensatz vorhanden ist zwischen den Bedürfnissen der Rationalität und denen der selbstständigen Leitung (was oft genug eintreten wird!), so muss die Rationalität zurückgestellt werden. Wir müssen das klar aussprechen. Zugleich geht daraus aber hervor, dass der wesentliche Kernpunkt der sozialen Revolution in dem Festlegen der gegenseitigen Rechtsverhältnisse der Betriebsorganisation und gegenüber der Gemeinschaft liegt: Mit anderen Worten: Es müssen allgemeingültige ökonomische Regeln gegeben werden, welche alle Produzenten zu gleichen Produzenten machen. Die Frage der Zusammenlegung von Betrieben kann nur auf dieser Grundlage von den Produzenten selbst gelöst werden und kann heute kein Thema der theoretischen Überlegung sein. Aus diesem Grunde stehen wir den Ausführungen der französischen Genossen in Bezug auf die einheitliche Bearbeitung eines ganzen Bezirks oder eines ganzen Landes mit größter Zurückhaltung gegenüber. Selbstverständlich steht am Ende eines Entwicklungsprozesses die einheitliche Bearbeitung eines ganzen Landes, ja, der ganzen Welt. Aber nie in dem Sinne „eines Betriebes“. Es kann nur den Sinn haben, dass sich eine richtige Verteilung der Produktionsgebiete und eine „Abstimmung“ nach dem Bedarf vollzogen hat. Die einheitliche Bearbeitung eines ganzen Landes reduziert sich darum auf die Frage der sogenannten „Rayonnierung“, das heißt die richtige Verteilung der Produktionsgebiete im Zusammenhang mit der Planwirtschaft, was aber erst zur Debatte steht, wenn die Arbeiterschaft an den tatsächlichen Umbau der Wirtschaft herantritt. Vorher ist es Utopismus... das ist eine Verkennung der wesentlichen Aufgaben der sozialen Umwälzung. Die natürlichen Produktionsbedingungen in der LandwirtschaftDoch wir wollen uns noch nicht von dem Thema der Zusammenlegung der Agrarbetriebe verabschieden, ohne offen ausgesprochen zu haben, dass es für uns noch sehr fraglich ist, ob die Entwicklung der Agrarwirtschaft im Kommunismus unbedingt über den „Großbetrieb“ läuft. Es ist nämlich nicht aus dem Auge zu verlieren, dass die natürlichen Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft prinzipiell anders sind als in der Industrie. In der Industrie verläuft die Produktion gewissermaßen „mechanisch“; und der „Großbetrieb“ der Industrie hat eine gewisse Verbürokratisierung zur Voraussetzung. Das hat aber seine Grenzen, und bei einem zu großen Umfang des „Großbetriebes“ wird sie zu einem Hemmschuh. Diese Erscheinung kann man bei der heutigen Industrie beobachten. In der Agrarwirtschaft ist diese Grenze aber viel schneller erreicht, weil die Arbeiter hier einem „organischen“ Prozess gegenüberstehen. Er verlangt die volle Hingabe des Arbeiters, eine genaue, tägliche Beobachtung, inwieweit die Anfänge von Krankheiten oder Insektenseuche auftreten, eine Regelung der Arbeit in Zusammenhang mit dem immer wechselnden Wetter usw. Kurz gesagt: Es verlangt den ganzen Menschen, der nicht nach vorgeschriebenen Regeln arbeiten kann, sondern der jeden Tag selber bestimmen muss, wie er den Produktionsprozess leitet. Die Produktionsbedingungen verlangen nicht, dass eine „Einzelleistung“ notwendig ist, aber wohl, dass die Leitung an Ort und Stelle bestimmt wird. Im Allgemeinen kann man sagen: Je intensiver die Kultur betrieben wird, desto enger sind in der Agrarwirtschaft die Maximal-Grenzen des Großbetriebes gezogen. Noch viel stärker als beim Ackerbau tritt dieses bei den sehr intensiven Kulturen der Viehzucht, den Eierfabriken und im Gartenbau in Treibhäusern hervor, welche drei Gruppen der Agrarwirtschaft in Holland eine hoch industrielle Entwicklung erreicht haben. Und eigentümlicherweise ist das alles „Kleinbetrieb“, wo man kaum über fünf Dauerarbeiter per Betrieb kommt. (Bei Viehzucht werden vielfach mehr Arbeiter beschäftigt, doch kommt es kaum über 12 Mann). Wir wollen keinesfalls behaupten, dass die „Idealgröße“ zur höchsten Produktivität hierbei erreicht ist, aber so viel ist sicher, dass die Produktivität derartiger Betriebe völlig in die Brüche geht, wenn man sie unter „einheitlicher Leitung“ zusammenfasst, um nur einen Betriebsrat bilden zu können. Die praktische Anwendung der Agrarwissenschaft hat die Produktionsbedingungen derart umgewälzt, dass es unmöglich erscheint, einen Viehbestand von 10 000 Stück Vieh per Betrieb, wie das bei der extensiven Wirtschaft, bei dem Raubbau in der Viehwirtschaft in Australien, Südafrika und Südamerika noch vorkommt, zu halten. Die praktische Anwendung der Agrarwissenschaft bedingt, dass wir mit dem alten Standpunkt, der für den Kommunismus unbedingt Großbetriebe notwendig erachtet, brechen müssen. Es ist althergebrachter sozialdemokratischer Blödsinn, der nur eingegeben ist durch das Verlangen nach der zentralen Verfügung über Produktion… und Arbeiterschaft. Was ist kein Kleinbetrieb?Es fragt sich aber: Sind diese Eierfabriken, Molkereien, Gemüsefabriken usw. Kleinbetriebe? Was ist das Merkmal des Kleinbetriebes? Etwa, dass nur wenige Arbeiter dort beschäftigt sind? Sollte dies das Merkmal sein, dann gibt es in einer ganzen Reihe hochkapitalistischer Länder noch nicht viele Großbetriebe. Dann sind Frankreich, Italien, Holland noch lange nicht „reif“ für den Kommunismus. So hatten zum Beispiel die Elektrizitätswerke in Holland in 1928 (Hochkonjunktur) durchschnittlich nicht mehr als 31 Arbeiter (Werkmeister und Lehrlinge eingerechnet) und 42, wenn man das Beamtenpersonal hinzurechnet, während Holland voran steht in der Durchelektrifizierung! Ein Besuch an so einem „rationalisierten“ Betrieb ist sehr lehrreich. Man geht zwischen den riesigen Maschinenanlagen und sieht kaum ein paar Arbeiter, die den Mechanismus kontrollieren. Heizer gibt es nicht. Die Doppelreihe Dampfkessel wird automatisch gefeuert und ausgeräuchert. Müssen wir darum die Elektrizitätswerke zu den Kleinbetrieben rechnen? Muss vielleicht die heutige „Rationalisierung“, wo die Arbeiterzahl in den Betrieben absolut abnimmt, dahin gedeutet werden, dass der Kapitalismus sich in der Richtung des Kleinbetriebes entwickelt? Unseres Erachtens ist es eine absolut falsche Einstellung, die Größe der Betriebe nach der Anzahl der beschäftigten Arbeiter abzumessen. Die Größe eines Betriebes wird bestimmt von seinem „angewandten Kapital“, oder anders gesagt: von der Masse des hergestellten Produktes. Und von diesem Gesichtspunkt aus sind die heutigen spezialisierten Agrarbetriebe dann auch Großbetriebe. Doch wollen wir uns darauf nicht versteifen, derartige Betriebe „Großbetriebe“ zu nennen. Wer sie auch weiterhin Kleinbetriebe nennen will: Uns ist es gleich. Wir ziehen eine andere Konsequenz aus dieser Sachlage. Und das ist, dass wir nicht mehr mit den Begriffen Großbetrieb – Kleinbetrieb operieren können. Wir kommen damit nicht von der Stelle und geraten in eine Sackgasse. Diese Unterscheidung muss daher als unbrauchbar verworfen werden. Das heißt aber zugleich, dass damit die Fragen der Sozialisierung neu gestellt werden. Compiled by Vico, 21 August 2021 |
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