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Quelle: a.a.a.p. Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80. |
Die holländische Sozial-Demokratie und ihre linke Strömung – IV.Quelle: Pressedienst der g.i.k., Nr. 9 vom 27. Januar 1929 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek. IV. Die Agrarfrage – I.Die holländische sozialistische Bewegung hat immer stark unter deutschem Einfluss gestanden, das Vorbild der großen, erfolgreichen SPD und der deutschen, „freien“ Gewerkschaften galt nahezu absolut. So ist es begreiflich, dass in den Jahren 1918-1923, als die Probleme der „Sozialisierung“ auf der Tagesordnung standen, diese auch von der holländischen s.d.a.p. in Studium genommen wurden. Es entstand eine Kommission, welche die Zukunftsmusik der Sozialisierung komponierte. Sie hat ihr Kunstwerk im „Sozialisierungsrapport“ verewigt. Besonderes war die Komposition der Hymne an die „Sozialisierung der Landwirtschaft“. Die Schwierigkeit liegt hier eben darin, dass die Entwicklung der Landwirtschaft in Bezug auf die Konzentration des Kapitals ganz anders verlaufen ist als in der Industrie. In der Industrie gab es immer größere Knotenpunkte von Produktion mit zentraler Verfügungsgewalt, in der Landwirtschaft keine Konzentration der Betriebe, sondern Erhaltung, ja bis heute noch ein weiteres Vordringen des Kleinbesitzes. So einfach die Sozialisierung der Industrie für diese Leute ist, die die Sozialisierung nur als Verstaatlichung mit staatlicher Verfügungsgewalt betrachten, so schwierig erscheint sie in der Landwirtschaft, weil bei ihnen nur die „reifen“ Betriebe, d.h., solche, die in die staatlich zentrale Verfügungsgewalt eingeordnet werden können, für „Vergesellschaftung“ in Betracht kommen. Die Auflösung dieses schwierigen Problems ist dann auch ein Verlegenheitsprodukt. Der „Rapport“ besagt, dass die bäuerlichen Großbetriebe an den Staat übergehen sollen und der Kleinbesitz in Privatbewirtschaftung verbleibt, bis „das siegende Proletariat“ auch auf dem Lande die Bedingungen für allgemeine „Vergesellschaftung von Grund und Boden“ herbeigeführt hat. Eines wird aber ausdrücklich erwähnt: „Die Lage der kleinen Bauern ist durch Pachtgesetze nicht zu verbessern, sondern ist nur durch die Sozialisierung zu heben.“ Dies ist die sogenannte Theorie (und was für eine), dann aber kommt die Praxis. Man muss bei den kommenden Wahlen auf Bauernfang gehen, darum erscheint als grundlegende Forderung ein… „rechtliches Pachtgesetz“. Hier setzen die Linken mit ihrer Kritik ein. Sie decken den Widerspruch in Theorie und Praxis auf, verlangen die Propaganda für die Theorie der s.d.a.p. und wollen die Sozialisierung als zentralen Punkt der Wahltätigkeit auf dem Lande. Dabei sind sie so freundlich, darauf hinzuweisen, dass die „Praxis“ der offiziellen Partei nur durch den Ministersozialismus diktiert wird. Die Linken zeigen sich hier als Wächter der Theorie, sie wollen sich nicht durch zeitliche Scheinerfolge von ihren Zielen abbringen lassen. Da nun die Linken die Sozialisierung der Landwirtschaft in den Mittelpunkt ihrer Forderungen stellen, machen wir darauf aufmerksam, dass die Sozialisierung, so wie sie dieselbe sich denken (Sozialisierung der „reifen“ Betriebe), hier nichts anderes ist als Verstaatlichung der Großgüter (wenn auch unter dem Schein von Selbstverwaltung). West- und Mitteleuropa haben aber überwiegend Klein- und Mittelbauern, und diese werden von der „Sozialisierung“ unberührt gelassen, d.h., praktisch bleiben die Dinge in der Landwirtschaft beim Alten. Diese Lösung der Agrarfrage ist keine Lösung. Diese Sozialisierung der Landwirtschaft ist eine Phrase. Wir werden später noch zeigen, wie in dieser Auffassung die Eigenart der kapitalistischen Entwicklung der Agrarwirtschaft völlig verkannt wird. Vorläufig nur einige Bemerkungen über die Sozialisierung im Allgemeinen: Einer der ersten Köpfe der deutschen Sozialdemokratie ist ehrlich genug zu schreiben, dass Marx diese „moderne“ Auffassung von der Sozialisierung nicht teilte, „nicht der Staat, sondern eine Verbindung der freien Associationen der sozialistischen Gesellschaft soll den Wirtschaftsprozess regeln“ (1). (siehe H. Cunow. Die Marxsche Geschichts-Theorie, Band 1, S. 309). Die allgemeine Strömung, welche die „Vergesellschaftung“ mit offener „Verstaatlichung“ identifiziert, ist nur das Produkt des Reformismus als sozialpsychologische Erscheinung der Aufwärtsbewegung des Kapitalismus. Es ist zu befürchten, dass seine verheerende Wirkung uns auch noch durch die Hölle des Staatskapitalismus gehen lässt. Der alte Wilhelm Liebknecht hat dies schon gewittert, wenn er auch nicht sehen konnte, wie die Sozialdemokratie selber vom Kapitalismus aufgesogen wurde. In einem Referat über „Staatssozialismus und revolutionäre Sozialdemokratie“ führte er aus: „Je mehr [der Kapitalismus seinem Untergange entgegengeht, sich zerbröckelt und auflöst –, je mehr] (2) die bürgerliche Gesellschaft einsieht, dass sie sich auf die Dauer nicht gegen den Ansturm der sozialistischen Ideen verteidigen kann, desto näher sind wir auch dem Momente, wo der Staatssozialismus in vollem Ernst proklamiert werden wird, und der letzte Kampf, den die Sozialdemokratie zu kämpfen hat, wird ausgefochten werden unter dem Schlachtruf: Hie Sozialdemokratie hie Staatssozialismus!“ Wie alle marxistischen Losungen durch die Aufstiegsperiode des Kapitalismus zu spießbürgerlicher Reformpolitik wurden, so geschah es auch mit der „Sozialisierung“ der Produktionsmittel und des Grund und Bodens. Die Sozialisierung, so wie Sozialdemokratie und Gewerkschaften sie wollen, führt zwangsläufig zum Faschismus, zur Beherrschung und Ausbeutung der Massen, sei es auch in anderen Formen als im „freien“ Kapitalismus. Für die soziale Revolution gibt es keine „reifen“ oder noch nicht „reifen“ Betriebe, sondern ist die kommunistische Gesellschaft als Ganzes „reif“. Nicht der Staat „vergesellschaftet“, sondern die Produzenten. Durch ihre Betriebsorganisationen regeln sie den Wirtschaftsprozess, und zwar nach dem Maß, der auf jedes Produkt oder jede Leistung verwendeten Arbeitszeit. Nicht der Staat, sondern die Assoziationen der Betriebsorganisationen sind die Gesellschaft, und eben durch deren exakte Zeitberechnung hat ein Staat in der Produktion und Verteilung als solcher nichts zu suchen. Allerdings erscheint der Staat anfänglich noch, aber für jeden klar und deutlich als Unterdrückungsapparat zur Niederhaltung der Konterrevolution. (Schluss folgt.) Redaktionelle Anmerkungen1. Der Pressedienst zitiert hier Cunow sehr freizügig. Im Original heißt es: „Allerdings will Marx im Gegensatz zu der Cobdenschen Schule letzten Endes wieder eine feste Regelung des Wirtschaftsprozesses, aber nicht durch den Staat, sondern durch eine Verbindung der freien Assoziationen der sozialistischen Gesellschaft.“ (Marxsche Staatstheorie / H. Cunow. – 1. Bd., S. 309). 2. Ergänzung des Zitats durch die Herausgeber. Compiled by Vico, 21 August 2021 |
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