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Quelle: a.a.a.p. Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80. |
Die Holländische Sozial-Demokratie und ihre linke StrömungQuelle: Pressedienst der g.i.k., Nr. 7 vom 6. Januar 1929 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek. II. Der Weg zum FaschismusDie Reibungen in der holländischen Sozialdemokratie drehen sich in der Hauptsache um den Ministerialismus sowie verschiedene Einstellungen zur Gewerkschaftspolitik, zur Agrarfrage und Kolonialpolitik. Teilweise haben sie nur den Charakter einer Opposition, im Übrigen muss aber doch von einer tatsächlichen Linksströmung gesprochen werden. Unter Opposition verstehen wir, dass sowohl linker als rechter Flügel von denselben Grundprinzipien ausgehen, aber die Linken etwas „höhere“ Forderungen stellen als die Rechten. Bei einer wirklichen Linksströmung liegen aber tatsächlich andere Grundanschauungen vor. Opposition und Linksströmung sind natürlich nicht scharf getrennt und wir scheiden die Dinge auch nur, um unterscheiden zu können. Es ist notwendig, diese Trennung vorzunehmen, weil anders die Verhältnisse in der s.d.a.p. unverständlich sind. So war es z.B. schon seit ein paar Jahren kaum möglich, einem sozialdemokratischen Arbeiter zu begegnen, der nicht im Gegensatz zu seinen Vorständen stand. Doch war es unmöglich, die große Masse der Unzufriedenen als Opposition zusammenzufassen, sie konnten nicht einmal ein kleines Oppositionsblatt herausbringen. Der Grund war eben, dass keine wirklich politischen Differenzen vorlagen. Doch reiften auch diese langsam heran, welcher Prozess von den aus der k.p.h. ausgetretenen Intellektuellen sicher beschleunigt wurde. So kam es dann endlich zu einer „Linksströmung“, welche am 15. September 1928 ein „linkssozialistisches Wochenblatt“: De Socialist unter der Schriftleitung von Edo Fimmen, J. de Kadt (*) und P.J. Schmidt herausgab. Wer mit der allgemeinen Unzufriedenheit der sozialdemokratischen Arbeiter bekannt ist, sollte nun annehmen, dass die Ausgabe der neuen Wochenschrift zu einer schnellen Gruppierung der Unzufriedenen führen würde. Solche Annahme hat sich aber als falsch erwiesen, die Linkssozialisten bleiben vorläufig noch eine kleine Gruppe. Es zeigt sich eben, dass die Arbeiter auch von der geringsten Änderung gewisser Grundprinzipien nichts wissen wollen, dass ihre Unzufriedenheit also noch kaum als Opposition zu bezeichnen ist. Die Linksströmung in der s.d.a.p. ist noch nicht mehr als vereinzelte Gasblasen (leider nur stinkende), die aus dem großen Sumpf aufsteigen. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wollen wir den Charakter der Linksbewegung näher prüfen. Der erste Streitpunkt ist der Ministerialismus. Dieses Thema können wir kurz abtun. Die Linken stehen in dieser Frage auf demselben Boden wie ihre rechten Brüder. Auch sie wollen die „Eroberung von Regierungsposten“, nur nicht um jeden Preis, während die sozialistischen Minister und andere sozialistische Verwalter des kapitalistischen Staates der Partei gegenüber verantwortlich sein sollen. Ein prinzipieller Gegensatz innerhalb der s.d.a.p. ist in dieser Beziehung nicht vorhanden; es handelt sich nur um ein Mehr und Weniger auf derselben Grundlage. Hier ist also keine Linksströmung, sondern nur Opposition. Der Standpunkt der Linken wird von ihrem marxistischen Theoretiker Frank van der Goes (**) in der Probenummer ihres Blattes folgendermaßen formuliert: „Ist es für eine sozialistische Partei möglich mit kapitalistischen Parteien zusammen zu regieren in dem Sinne, dass dadurch die Ehre des Sozialismus und die Interessen der Arbeiterklasse gefördert werden? Unter der Bedingung, dass bestimmte praktische Forderungen erfüllt sind, muss nach unserer Meinung diese Frage bejaht werden.“ Das ist sicher deutlich genug. Mag man heute in der k.p.d.-Presse auch mit der Fimmenschen Linksströmung hausieren gehen, es sind und bleiben Regierungssozialisten. Ein anderer Streitpunkt ist die Gewerkschaftspolitik. Auch diese gibt für uns wenig Anlass zu Bemerkungen, weil auch hier kein prinzipieller Gegensatz vorhanden ist. Die Linken wollen, dass die Gewerkschaften ihre nationale Einstellung aufgeben, um zu einer internationalen Kampffront zu gelangen. – Dasselbe Lied singen ja die Rechten auch. – Fragt man nun, wie dies zu erfüllen sei, so wird man verwiesen auf „Machtformung“ durch Steigerung des Mitgliederbestandes. Die 100%-Gewerkschaften sollen es eben machen. Internationale Forderungen werden noch nicht gestellt, und für die „nationalen“ gelten dann: „Mitbestimmungsrecht, 48-Stunden-Woche, Staatspension, Ferien und Entwaffnung“. Der vorhandene Gegensatz zu der Parteileitung liegt dann auch nicht in den Forderungen, sondern in der Taktik. Bis jetzt fungierten die Gewerkschaften als Hilfstruppen der s.d.a.p. Die Linken wollen dieses Verhältnis umkehren, die Gewerkschaften zu „Kampforganisationen“ machen mit der Partei als Hilfstruppe im Parlament. Wir sind daher der Ansicht, dass die Streitigkeiten bezüglich des Parlamentarismus und in der Gewerkschaftsfrage nicht den Charakter einer Linksströmung tragen, dass sie nur als Opposition anzusprechen sind. Nur die selbstgenügsame Sicherheit, dass alles mit Wahlsiegen zu erreichen sei, ist ins Wanken geraten. Man sucht darum in der Aktion der Massen außerhalb des Parlaments den treibenden Faktor für erfolgreichen Klassenkampf. Das scheint noch nicht so schlecht auszusehen, und doch hat die Arbeiterschaft von dieser „Linksströmung“ nicht das Geringste zu erwarten. Möge der Glaube an ein friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus zerstört sein; als Sozialdemokraten verfügen die „Linken“ über so viel verknöcherte oder verhärtete „Wahrheiten“, dass sie schließlich doch nur als Hilfstruppen der Bourgeoisie fungieren werden. Vor allen ist es die mit der alten Arbeiterbewegung gewachsene Auffassung von der Führung des Klassenkampfes. Der Klassenkampf wird hier zum Schachspiel, von den Führern gespielt, wobei sie die Massen nach ihrer Einsicht vorausschieben oder zurückziehen. Hauptbedingung ist, dass sie die Massen in der Hand haben. Sobald sich Selbstinitiative in der Masse zeigt, pfeifen sie sie zurück, denn „ohne Ordnung kein Sozialismus“. Die „Linken“ sind darum für den Verrat geboren; und weil es eine „verhärtete Wahrheit“ der Linken ist, ist diese Bewegung nicht zu „revolutionieren“. Sie sind und bleiben bei der Konterrevolution, und sie können nur von der selbstaktiven Arbeiterschaft zerschmettert werden. Gerade in ihren Zukunftsaufgaben zeigt sich ihre konterrevolutionäre Rolle. Sie spielen mit dem Gedanken, dass der Kapitalismus keine Verbesserungen mehr geben kann, oder dass der zu stark ist, um sie ihm abzuringen. Es wird den Proleten daher deutlich gemacht, dass jetzt „fundamental sozialistische Änderungen auf nationalem Gebiet“ auf dem Programm stehen. Das heißt dann, dass der Staat gezwungen werden soll, privatwirtschaftliche Großbetriebe in „Gemeinbesitz“ überzuführen. Ministersessel leisten dabei gute Dienste, denn „gerade die teilweise Verfügung über die Regierungsgewalt muss so angewandt werden, dass sie die ganze Inbesitznahme beschleunigen kann“. Kurz gesagt: Die Linken steuern zielbewusst auf den Staatskapitalismus zu. Das ist dann auch die Lösung des Rätsels, warum hiesige linke Sozialdemokraten in Russland „den einzigen Arbeiterstaat der Welt“ erblicken (Diese Terminologie haben sie tatsächlich von den Moskauern übernommen). Damit haben die „linken“ Gewerkschaftsführer den offenen Weg des Faschismus gewählt. Dieser Staatskapitalismus soll ihnen dann das „Mitbestimmungsrecht“ bringen, während sie die Massen in Ordnung und Disziplin halten zur gefügigen Ausbeutung durch den Staat, welcher den „Gemeinbesitz“ exploitiert. Aber das sind alles nur Zukunftsträume der „Linken“. Wir erwähnen diese Zielsetzung aber, damit man sehen kann, dass hier keine Möglichkeiten liegen für eine Stärkung des revolutionären Klassenkampfes im Kampf um den Kommunismus. Wichtig ist nun noch, die Einstellung der „Linken“ zu prüfen in der Kolonial- und Agrarfrage. Über die erste Frage berichten wir in der nächsten Nummer der p.i.k. Redaktionelle Anmerkungen*) Jacques de Kadt (1897-1988) war ein prominenter holländischer Kommunist und nach dem II. Weltkrieg Parlamentsabgeordneter der Partij van de Arbeid. Er kämpfte für die Unabhängigkeit Indonesiens. **) Frank van der Goes (1859-1939) war ein holländischer Schriftsteller, marxistischer Theoretiker und eine der Gründer der s.d.a.p. (Sociaal-Democratische Arbeiderspartij). Compiled by Vico, 20 August 2021 |
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