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Antonie Pannekoek Archives

Pressedienst

Quelle: a.a.a.p.


Pressedienst

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung in Holland


Quelle:  Pressedienst der g.i.k., 16. September 1928, No. 1 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


I. Allgemeine Übersicht

Ohne Zweifel ist es ein bedenkliches Unternehmen, von einer revolutionären Gewerkschaftsbewegung zu sprechen, seit Revolution und Gewerkschaften zu unüberbrückbaren Gegensätzen geworden sind. Und wir wollen denn auch gleich sagen, dass es eine solche Bewegung nur dem Namen nach gibt. Die Gewerkschaften, welche sich mit diesem Namen schmücken, gehören hier in Holland zum Moskau’schen, syndikalistischen und anarchosyndikalistischen Typ.

Über den Moskau’schen Typ haben wir schon früher berichtet in der k.a.z (1). Es war das n.a.s. (Nationaal Arbeids-Secretariaat), das früher alle syndikalistischen Gewerkschaften umfasste, aber mit der Eroberung durch die Kommunisten auseinander fiel (1922).

Die Moskoviten haben insoweit wenig Freude an ihrer Eroberung erlebt, als das n.a.s. sich von der hiesigen k.p.h. loslöste und die Mitglieder bemerkten, dass die Kommunisten die Absicht hatten, das n.a.s. allmählich den freien Gewerkschaften auszuliefern. Dass die Mitglieder sich hier durchsetzen konnten, findet seinen Grund hierin, dass auch die Interessen der Führerschaft einer derartigen Überführung widersprachen. Die kommunistischen Führer waren so in Gegensatz zu ihrer Partei gekommen, und selbstverständlich gebrauchten sie den Gewerkschaftsapparat als Werkzeug gegen die Parteileitung. So sind die heutigen Führer keine Syndikalisten, sondern Kommunisten, und so versteht es sich, dass in den letzten Jahren gründlich aufgeräumt wurde mit den syndikalistischen Tendenzen, welche von früher her vorhanden waren. Um diese „revolutionäre“ Gewerkschaft zum brauchbaren Werkzeug in den Händen der Führer zu machen, wurde der Apparat völlig zentral aufgezogen. Der Hauptmacher ist der früher tüchtige Revolutionär Sneevliet (2), der jetzt „seine“ Gewerkschaft gebraucht, um „seine“ Differenzen mit seinen moskovitischen Brüdern auszufechten. Bei den kommenden Wahlen wird er gegenüber der Wahlliste der k.p.h. eine andere stellen, um die Gewerkschaftler ins Parlament zu bringen.

So haben sich die ideologischen Verhältnisse in dem vormaligen syndikalistische n.a.s. völlig geändert.

Es ist jetzt parlamentarisch eingestellt, bewegt sich auf dem Terrain der kollektiven Arbeitsverträge, während jetzt auch darauf gepaukt wird, dass er „nicht ganz ablehnend“ stehen kann gegenüber dem sog. industriellen Frieden. Was alles nicht hinwegnimmt, dass diese Gewerkschaften sich noch immer „revolutionär“ nennen.

Betrachten wir jetzt die Gewerkschaften des „syndikalistischen“ Typs. Diese haben sich zusammengeschlossen in dem n.s.v. (Nederlandsch Syndikalistisch Verbond (3)) unter Führung eines Brot-Syndikalisten, der Lansink (4) heißt. Diese Gewerkschaftszentrale ist eine Absplitterung vom n.a.s..

Als 1922 das n.a.s. nach Moskau segelte, machten verschiedene Gewerkschaften nicht mit, und sie sollten dann den „reinen“ Syndikalismus in ihrer neuen Zentrale, dem n.s.v., hochhalten. Das Geschäft hat aber nicht floriert. In der Praxis konnte von dem „reinen“ Syndikalismus natürlich nichts kommen. Stehend auf dem Boden der „Besserung der Arbeitsbedingungen“ konnten sie nur in Wettbewerb stehen mit den konkurrierenden Organisationen der freien, christlichen und n.a.s.-Gewerkschaften. Daraus musste die dreckigste Koalitionspolitik hervorgehen. Ihre Losungen direkte Aktion, Antiparlamentarismus und Selbständigkeit der Arbeiter konnten sich hierbei nicht anders als Farcen auswirken. Sie lebten und leben immer in „Interessengemeinschaft“ mit katholischen, christlichen und freien Verbänden, weil eben sonst keine „Verbesserungen“ für die Arbeiterschaft zu erkämpfen sind. Viel zu unbedeutend, um selber „Politik“ zu machen, müssen sie also von der Koalitionspolitik leben. Findet der ökonomische Parlamentarismus seinen Ausdruck in der Bereitschaft zum Abschluss von kollektiven Verträgen, auch der politische Parlamentarismus ist nur dem Namen nach da. Es gibt in Holland eine Körperschaft, welche die Minister informiert und Ratschläge gibt bei der Zusammensetzung der Arbeitsgesetze. In dieser Körperschaft hat der antiparlamentarische n.s.v. auch einen Vertreter, um mit diesen Gesetzen zu machen, was davon eben zu machen ist.

Aus allen diesen Dingen geht schon hervor, dass dieser n.s.v. eine Führerbewegung vom reinsten Wasser sein muss. Dies ist tatsächlich der Fall. Wie unglaublich es klingen möge: dieser „reine“ syndikalistische n.s.v. mit seinen 4 000 Mitgliedern verfügt über nicht weniger denn 14 bezahlte Führer, welche ƒ26 000 pro Jahr einheimsen.

Obwohl wir noch weiter auf die finanziellen Schwierigkeiten im n.s.v. eingehen könnten, glauben wir, dass dies genügt, um einsehen zu können, dass der Zustand unhaltbar war. Für die Führer, meine ich. Der n.s.v. ist schwer mit Schulden belastet, und also sind die Führer direkt in ihrer Existenz bedroht. Es musste also nach Mitteln umgesehen werden, ihre Existenz zu sichern, was dann in der üblichen Sprache heißt, dass die „Kampforganisation“ besser gefestigt werden muss. Wie diese Perle in der Krone der i.a.a. (5) das auffasste, wollen wir das nächste Mal sehen.

(Wir denken, ungefähr sechs informierende Artikel über obiges Thema abzudrucken. Anfragen für dieses Material sind zu richten an obenstehende Adresse.)


Redaktionelle Anmerkungen

1. k.a.z.: Kommunistische Arbeiter-Zeitung der k.a.p.d.

2. Henk Sneevliet  (1883-1942).

3. Über die verschiedenen anarchistischen Fraktionen finden sich viele Informationen auf Wikipedia: lemma: Anarchismus in den Niederlanden 

4. Bernardus Lansink jr.  (1884-1945).

5. i.a.a.: Internationale Arbeiterassoziation: gemeint der anarchistische Fortsetzung der Erste Internationale .


Compiled by Vico, 19 August 2021