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Antonie Pannekoek Archives

Pressedienst

Quelle: a.a.a.p.


Pressedienst

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80.


Die Rolle der C.N.T. in der spanischen Revolution

(c.n.t. = anarcho-syndikalistische Gewerkschaft)


Quelle:  Pressedienst der g.i.k., Dezember 1931 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


I. Einleitung

Die Diktatur von Primo de Rivera (1) und später von Berenguer (2) war der letzte Versuch der feudalen Klasse – die in verschiedener Weise schon mit kapitalistischen Elementen verbunden war – die Verfügung über den Staatsapparat in der Hand zu behalten. Nur durch diesen Staatsapparat konnte der wirtschaftlich veraltete Großgrundbesitz noch die Macht behaupten.

Die Weltkrise stellte das Emanzipationsbedürfnis der spanischen Bourgeoisie immer dringender in den Vordergrund; sie war gezwungen, sich von allen feudalen Entwicklungsstörungen zu befreien und musste sich einen eigenen Staatsapparat aufbauen. Vom Proletariat gestützt gelang es der Bourgeoisie, die Herrschaft des Landadels zu brechen; die Monarchie wurde vernichtet und Alphonso XIII. (3) am 14. April 1931 verjagt. Am 15. April wurde die vorläufige republikanische Regierung mit dem katholisch-liberalen Rechtsanwalt Alcala Zamora (4) als Premier gebildet; es übernahmen darin, neben bürgerlichen Republikanern, auch drei Sozialdemokraten Ministerposten. Wie wir auch in der russischen und deutschen Revolution wahrgenommen haben, wurden die Versuche von feudalen Gruppen, wieder einen Halt zu bekommen, leicht unterdrückt.

Zwei Umstände sind es, die dieser jungen, bürgerlichen Republik ernsthafte Schwierigkeiten bereiten. Die erste Schwierigkeit ist, dass die Bauern von Tag zu Tag unzufriedener werden, weil die Regierung sich nicht getraut, die erste Forderung jeder bürgerlichen Revolution, und zwar die Vernichtung des Feudalismus durch Aufteilung des Großgrundbesitzes, durchzuführen. Doch hierüber später. Nicht weniger schwierig ist die Situation durch die Tatsache, dass ein ziemlich bedeutendes Proletariat mehr und mehr Neigung verspürt, die proletarische Revolution auf die Tagesordnung zu setzen.

Hier wird es notwendig, die spanischen Klassenverhältnisse genauer zu untersuchen.

Spanien besteht zum größten Teil aus einer Hochebene, wo die Landwirtschaft das wichtigste Existenzmittel ist. Der Boden ist im Besitze des Adels; Güter von 14.000 Hektar Ackerboden mit Dörfern usw. kommen oft vor. Hier lebt 70% der spanischen Bevölkerung, die Sklaven des Großgrundbesitzes. Die Bebauung des Ackers bringt ihnen noch keine Peseta (durchschnittlich -,85) pro Tag. Immer dringender fordern sie die Verteilung des Bodens. Hier sind reine feudale Verhältnisse. An den Rändern Spaniens sind einige Tiefebenen, im Süden Andalusien mit den Städten Cadiz, Sevilla, Malaga, Valencia; im Nordosten Katalonien mit Barcelona und Saragossa.

Andalusien ist das Land des Weins und der Südfrüchte. Hier sind Großunternehmungen, moderne Betriebe, meist mit ausländischem Kapital - also schon kapitalistische Verhältnisse. Hier ist eine Hochburg der großen syndikalistischen Bewegung. Ihr hauptsächliches Zentrum aber ist das ganze kapitalistische Katalonien. Hier, in diesem Industriegebiet von Bergwerken und Hochöfen, wohnen etwa zwei Drittel der Anhänger der syndikalistischen c.n.t. Barcelona ist eine reine Industriestadt; dieses erklärt auch, weshalb in Katalonien eine so starke Neigung zum Separatismus war: Die April-Revolution fängt an mit dem Ausrufen der katalonischen Republik (14. April). Der Mann des Klassenfriedens zwischen Bourgeoisie und Proletariat, Macia (5), war der Führer der Separationsbewegung. Als aber die Revolution sich über ganz Spanien verbreitete, fühlte die katalonische Bourgeoisie nicht mehr so viel für den Separatismus; sie fühlt sich der Arbeiterklasse gegenüber kräftiger mit dem mehr bornierten Spanien hinter sich.

Diese Arbeiterklasse war im Kampf gegen die Monarchie verbunden mit den Bauern und der industriellen Bourgeoisie. Wir werden später sehen, wie dieses durch die Haltung der c.n.t.-Führer illustriert wird. Es ist selbstverständlich, dass auch der römisch-katholische Klerikalismus, das mächtige Instrument der spanischen Reaktion, es im Kampf entgelten muss. Und dass dieselbe Geistlichkeit – als nun die Herrschaft der Bourgeoisie sich zu entwickeln beginnt – Unterhandlungen mit diesem Bürgertum führt, beweist wieder, dass die Bourgeoisie sich auch gern dieses Instrumentes zu bedienen wünscht – und zwar gegen die Arbeiterklasse. Denn nach dem Sieg über den Feudalismus musste die Klassenfront sich notwendig ändern. Für uns ist das nicht neu; nach dem gemeinsamen Sieg über den Feudalismus kommen Proletariat und Bourgeoisie einander gegenüberzustehen. Nach der gemeinsamen Vernichtung des Zarismus beginnt der Kampf zwischen Kerenski (6) und den russischen Arbeitern; dasselbe sehen wir bei Ebert, Tschiang-Kai-Tschek und jetzt wieder bei Alcala Zamora. Für uns ist interessant, ob in der jetzt angefangenen Auseinandersetzung zwischen der spanischen Arbeiterklasse und der bürgerlichen Regierung von Alcala Zamora die Arbeiter unabhängig, unter eigener Führung und mit eigenen Klassenzielen, dem Klassenfeind entgegentreten. Zweifellos ist dieses nicht der Fall. Die Organisationen, welche die Arbeiter organisieren, sind in drei Gruppen zu unterscheiden.

1. Die sozialdemokratische Gewerkschaft, die u.g.t.

Die Sozialdemokraten nahmen selbstverständlich teil an den von der vorläufigen Regierung ausgeschriebenen parlamentarischen Wahlen. Mit 130 Abgeordneten ist sie die größte Partei der Cortes; sie haben Anteil an der republikanischen Regierung. Obwohl sie täglich Anhänger an die c.n.t. und die kommunistischen Parteien verlieren, haben sie immer noch einen ziemlich starken Anhang unter den Arbeitern von Madrid und Kastilien und vor allem unter den südspanischen Bauern. Und kein Wunder! Vor dem Anfang der Wahl haben diese Kerenskianer den Bauern die Verteilung des Bodens versprochen, wie es übrigens auch die anderen bürgerlichen Parteien getan haben. Aber die Bauern warten noch immer und kommen demgemäß dazu, für Syndikalismus und Kommunismus empfänglich zu werden! Das Einzige war, dass Ende August ein Gesetzesentwurf die agrarische Reform betreffend eingebracht wurde. Der Gesetzesentwurf lautet im großen Ganzen: Aller Großgrundbesitz wird gegen Entschädigung der Eigentümer vom Staat in Besitz genommen. Diese Entschädigung wird später bezahlt mit den akkumulierten Zinsen. Der Staat, der jetzt der einzige Großgrundbesitzer ist, überlässt das Land leihweise den Bauern. Später sollen diese eine näher festzusetzende Summe einzahlen, um der Regierung zu helfen, ihre Schulden zu zahlen. (n.r.c., 26.8.1931. n.r.c. bedeutet Nieuwe Rotterdamsche Courant – eine der wichtigsten liberal-bürgerlichen Zeitungen Hollands (7)). Die bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien riskieren nicht eine direkte Verteilung des Bodens ohne Entschädigung, und selbstverständlich folgen die spanischen Bauern dem Vorbild ihrer russischen Kollegen im Jahre 1919. Vallina, ein einflussreicher Syndikalist, prophezeite gelegentlich der Cortes-Wahlen: Wenn die Bodenverteilung nicht stattfindet, wird das Land im Oktober von Norden bis Süden in Aufstand kommen. (n.r.c., 14.6.1931)

2. Die kommunistischen Parteien, das heißt die spanische Kommunistische Partei (Dritte Internationale), die Trotzki-Partei und der Block der Bauern und Arbeiter

Sie haben keine entscheidenden prinzipiellen Unterschiede. Sie fordern: Bodenenteignung und Entwaffnung der Guardia Civil (8) – Bewaffnung des Volkes. Sie wünschen Kampf gegen die Kirche und die Monopole. Ihr Anhang ist klein, aber nimmt fortwährend zu.

3. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft, die c.n.t. mit 600.000 Anhängern im Juni

Die große Masse des revolutionären Proletariats ist hier organisiert. Auch in Madrid und Kastilien, die einzigen Orte, wo die Arbeiter nicht gegen die u.g.t. sind, nehmen sie zu. Sie stehen den sozialdemokratischen und den kommunistischen Parteien scharf gegenüber. Man kann zwei Richtungen unterscheiden:

  1. eine „praktische“, welche (mit Pestana (9)) die Führung und die Mehrheit der Mitglieder hat. Sie ist etwas reformistisch veranlagt und verantwortlich für die Haltung der c.n.t. bis jetzt.
  2. eine „anarchistische“, welche, stützend auf das Prinzip der c.n.t., auf Vernichtung des Staates und Gründung des freiheitlichen Kommunismus dringt. Sie überlassen es der Phantasie, was hiermit gemeint ist.

Unserer Meinung nach ist die Rolle der c.n.t. in der spanischen Revolution ein Arbeiterverrat, wie er noch nie dagewesen ist, was wir näher erklären werden.

II. Die C.N.T. als Gewerkschaft (C.N.T. – nationale Föderation der Arbeit)

Die im September 1923 angefangene Diktatur von Primo de Rivera hat die große Macht der c.n.t. beendet. Seitdem führte sie ein illegales Dasein, und nur mit größter Mühe wurden die Verbindungen unterhalten. (Während der Diktatur waren übrigens die sozialdemokratische u.g.t. und die kommunistischen Parteien auch illegal.). Die April-Revolution gab all diesen Organisationen wieder Vereinsfreiheit, aber das Inbrandsetzen der Klöster wurde sofort als Motiv verwendet, um die Parteien zu illegalisieren und, wie es aussieht, ist auch die c.n.t. am 24. Juli für illegal erklärt worden.

Die c.n.t. ist eine Gewerkschaft mit mehr als 600.000 Mitgliedern, eine Organisation wie jede andere Gewerkschaft. Die organisatorische und finanzielle Bestimmung ist in den Händen eines Vorstandes, der sich aus bezahlten und auch unbezahlten Mitgliedern zusammensetzt. Von hier aus wird über die Organisation verfügt. Wenn nun auch dieser Apparat jährlich durch die Mitglieder gewählt wird und angeblich im Namen der Mitglieder handelt, ja, wenn diese bis zu einer gewissen Höhe selbst ihren Einfluss geltend machen, so verhindert dies nicht, dass der Apparat die Verfügung über die Finanzen und damit über die Presse der Organisation hat. So hat der Apparat Gelegenheit, neben seiner ökonomischen Macht auch die ideologische Macht auszuüben, und es wird allmählich ein von der Mitgliedermasse geschiedenes Beamtentum, das sich nicht scheinbar, sondern in Wirklichkeit breit macht und die völlige Verfügung über die Organisation hat. Diese Tatsache wird schlau verheimlicht durch die sogenannte Organisationsdemokratie – schon oft haben wir erfahren können, dass die Demokratie gerade so weit geht, wie die Führung es wünscht, und da ist die Grenze, wo sie endet – dadurch, dass die Führung, sobald es nicht gegen ihre Macht und ihre Ziele geht, den Wünschen ihrer Mitglieder Gehör schenkt. Aber diese Nachgiebigkeit ist dieselbe wie die der Bourgeoisie im Jahre 1918, wo sie aus Furcht vor der Revolution den Acht-Stunden-Tag usw. genehmigte, ohne ihre Position als herrschende Klasse aufzugeben. Deshalb können Gewerkschaften niemals der Ausdruck sein von dem Willen der Arbeitermassen; im Gegenteil, sie zeigen eine große Fähigkeit, in die Einflusssphäre der Bourgeoisie zu geraten.

Die c.n.t. ist also eine Gewerkschaft – das wird jeder Syndikalist anerkennen – „sei es auch eine anarcho-syndikalistische Gewerkschaft“ fügt er dann hinzu. Und tatsächlich ist das auch ein Unterschied. Die Ambitionen einer syndikalistischen Gewerkschaft beschränken sich nicht auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter – sie gehen viel weiter: In der „proletarischen“ Revolution (was sich nicht alles für „proletarische Revolution“ ausgibt!) sollen die Arbeiter sich die Produktion aneignen, um sie in die Hände der föderalistischen organisierten Syndikate (Fachvereine) zu legen. Das heißt: Die Durchführung der proletarischen Revolution in Spanien besteht darin, dass die Arbeiter die Macht in die Hände der c.n.t. legen.

Wir zitieren: „Im Nationalkomitee der c.n.t. sind eine Anzahl Kämpfer, welche nicht glauben, dass die c.n.t. in ihrer gegenwärtigen Verfassung fertig ist, die Produktion selbst anzufassen.“ (De Syndicalist, 29. August 1931).

„Wir sind nicht vorbereitet auf eine Revolution, welche positive Erfolge für die Menschheit haben kann.“
„Wir haben die Ehre zu erklären, dass weder die c.n.t., noch die Anarchisten imstande sind, die Republik zu ersetzen, wenn sie diese beseitigen.“ (Solidaridad Obrero – Tageblatt der c.n.t.).
„Im Kongress zeigt sich, dass die c.n.t. eine riesige Kraft ist; da bleibt nur übrig, die Maßregeln zu präzisieren für die Aneignung der Industrie und diese praktisch durchzuführen.“ (La révolution proletarienne, Juli 1931).
„Der Kongress beschloss, die Enteignung aller Domänen über 50 Hektar zu fordern, um Baugrund, Vieh und Material an die Syndikate der Landarbeiter zu geben.“ (idem).

Die c.n.t. forderte schon am Anfang „die Übergabe von Grund an Landarbeiter ohne Entschädigung. (Sie meinten die Gewerkschaftsorganisationen der Landarbeiter, p.i.c.). Die Durchführung von revolutionären Betriebsräten und die Kontrolle der Gewerkschaften über die Produktion“ (De Syndicalist, 19. September 1931).

Und jetzt fragen wir: Gibt es praktisch noch einen Unterschied zwischen dem Streben der Syndikalisten und dem der Bolschewiken? Eine Gewerkschaft kann anarcho-syndikalistisch, antiparlamentarisch, freiheitlich gegen den Staat sein, und der Teufel mag wissen, was noch mehr; eben weil sie die Struktur einer Gewerkschaft hat, wird sie zu einer Organisation, die sich über die Arbeiter stellt und über sie verfügt. Denn das Essentielle in der Struktur einer Gewerkschaft ist dieses: Das Verfügungsrecht über die Finanzen, und das Vorgehen der Organisation steht nicht den Vertretern der Mitglieder zu, die nur den Mitgliedern verantwortlich sind und zu jeder Zeit von diesen entlassen und ersetzt werden können, sondern den Angestellten, die nur nach oben verantwortlich sind und die wohl „von oben“, aber nicht „von unten herab“ nach Belieben ersetzt werden können.

Die c.n.t. verkündet laut, dass, wenn sie nur einmal die Macht hat, Katalonien das erste Land sein soll, wo der libertäre (freiheitliche) Kommunismus verwirklicht werden soll; aber der Himmel behüte die spanischen Arbeiter vor dem „libertären“ Kommunismus. Denn wenn die c.n.t. die Macht in die Hände bekommt (was gar nicht unmöglich ist), dann wird aus den neuen Führern in der Wirtschaft eine neue Bourgeoisie, und diese gerät zu den spanischen Arbeitern in Gegensatz. Die neuen Machthaber werden dort, wo ihre Beherrschung der Produktion zur Tatsache geworden ist, nach politischen Mitteln greifen, um die aufkommenden Klassenkonflikte zu unterdrücken. Auch die Anarcho-Syndikalisten werden, wenn sie einmal Herrscher der Produktion geworden sind, einen Staatsapparat aufbauen, um ihre Machtposition gegen die Angriffe der politischen Klasse zu sichern. (Wir verweisen hier auf die „Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung“.)

III. Das Auftreten der C.N.T.

Wir verfolgen jetzt das Auftreten der c.n.t. im Laufe der spanischen Revolution. Über Tatsachen verfügen wir nicht viel, aber es genügt noch immer, um die Entwicklung im Großen und Ganzen zu verfolgen.

Wir haben schon beobachtet, dass in der c.n.t. zwei Strömungen sind. Das französische syndikalistische Blatt „La révolution proletarienne“ vom Juli 1931 schreibt über die „rechte“ Mehrheit unter Pestana: „Und doch hat dieser Flügel seine schwache Stelle, seine Fehler: nämlich die Taktik des Unterhandelns mit bürgerlichen Elementen für den Umsturz der Diktatur.

[„Übrigens wurden in Sachen Verhandlungstaktik die Nationalen Komitees (der c.n.t.) dort durch geheime Treffen der regionalen Vereinigungen und sogar durch unzählige Gewerkschaftsversammlungen gedrängt, immer die Unabhängigkeit der c.n.t. zu bewahren; sie wurden durch den Druck durch die Diktatur gezwungen […]“] (10)

Derselbe Aufsatz (über den c.n.t.-Kongress im Juni 1931) meldet über die linke anarchistische Strömung:

[„Ihre Kritik an den Verhandlungstaktiken hatte Folgen. So mussten sie drei ihrer Anhänger wegen Missbrauchs dieser Taktik ausschließen, was beweist, wie sehr die Angst, die Diktatur um jeden Preis durch irgendein Bündnis loszuwerden, die Revolutionäre verschiedener Richtungen beeinflusste.“] (11)

Wir hören auf mit Zitieren. Es genügt schon zu sehen, wie nach der syndikalistischen Presse die c.n.t. unter dem Druck der Diktatur zusammenarbeitete mit der Bourgeoisie zum Umsturz der Monarchie. Wir haben schon gesehen, dass diese politische Einheitlichkeit von Proletariat und Bourgeoisie (unter Führung der letzteren) gegen den Feudalismus, immer der übliche und gesellschaftlich gesehen auch wirklich revolutionäre Weg gewesen ist zur Vernichtung des Feudalismus. Nach der Vernichtung aber ist die Einheitsfront automatisch aufgehoben, der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat verschärft sich allmählich; als Klasse kommen die Arbeiter in Konflikt mit dem Kapitalismus und seinem Machtorgan, dem Staat. Mit der Bourgeoisie zusammenarbeiten und den Staat in Ruhe lassen ist Kämpfen gegen das Proletariat.

Derselbe Aufsatz in „La révolution proletarienne“ illustriert, wie die Bourgeoisie auch in Spanien gleich nach dem Umsturz die Kanonen umgekehrt hat.

„Sie (die c.n.t.-Führer) hofften (beim Zusammengehen mit den bürgerlichen Parteien während der Diktatur) Waffen zu bekommen, um den Staatsstreich auszudehnen zu einer sozialen Revolution. Aber sie haben sich geirrt; keine Waffen für die Arbeiter trotz ihrer wohlwollenden Neutralität während der Versuche zum Staatsstreich und im Augenblick der Gründung der Republik. Kaum Freiheit für die Gefangenen, und die war nur zu bekommen mit der Pistole in der Hand.“

Die c.n.t. ist nach dem Ausrufen der Republik passiv und aktiv der Bundesgenosse der Bourgeoisie geblieben. Wie sehr ihre Ideologie sich im Wesen beschränkte auf den Umsturz des Feudalismus, zeigt sich klar dadurch, dass der einzige prinzipielle Entschluss, auf dem Kongress der c.n.t. im Juni angenommen, sich auf die Enteignung des Bodens bezieht. Der Kongress beschloss nämlich, die Enteignung aller Domänen über 50 Hektar zu fördern und dies zu propagieren.

Wir konstatieren, dass das Benehmen der c.n.t. nach der Gründung der Republik sich charakterisiert durch das Folgende:

  1. Die Regierung von Zamora, den bürgerlichen Staat in Ruhe zu lassen aus Furcht, dass die feudale Reaktion sonst wieder an die Macht kommen würde. (passive Stütze)
  2. Die in der Arbeiterklasse immer mehr an den Tag tretenden revolutionären Tendenzen beruhigen und kanalisieren in unfruchtbare Manifestation und reformistische Forderungen.
  3. Die demokratische „Freiheit“ ausbeuten, damit die c.n.t. besser organisiert und ausgebaut wird.

Wir werden mit den Tatsachen zur Hand diese Punkte zu beweisen trachten. Um mit dem Letzten zu beginnen, machen wir nur aufmerksam auf die im Juni (auf dem c.n.t.-Kongress) angenommene Entschließung, eine dauernde und systematische Propaganda zu führen und zu diesem Zweck sozial-ökonomische Schulen zu stiften zur Ausbildung von Propagandisten. Diese Schulen hatten nicht den Beifall der anarchistischen Opposition, die darauf wies, dass die beste Propaganda von den Arbeitern selber gemacht werde in der lebendigen großen Schule vom Feld, den Fabriken usw. (De Syndicalist, 27. Juni 1931) Es ist deutlich, der Apparat wird perfektioniert und ausgebaut und dem c.n.t. wird dafür genügend Gelegenheit gelassen. Auch nach dem Verbot vom 24. Juni konnte die syndikalistische Presse, im Gegensatz zu der bolschewistischen, frei erscheinen, indem die bürgerlichen Parteien, hauptsächlich die Esquerra Catalana, die c.n.t. schützten.

Zum 1. Punkt: den bürgerlichen Staat in Ruhe lassen

Die Syndikalisten sagen, dass sie durch Wahlenthaltung zu den Cortes alle Verbindungen mit dem Staat abgeschnitten haben. Wenn das wahr wäre, würde sie den Staat doch noch gestützt haben, dadurch dass sie nicht den Angriff auf den noch nicht völlig entwickelten Staat eröffnet haben. Aber es ist nicht wahr. Der spanische Briefschreiber des n.r.c. weist mehrmals hin auf „die große Stütze, welche die Esquerra Catalana, die Partei von Macia, von den Syndikalisten empfängt“ und umgekehrt. (n.r.c., 15.9.1931)

Noch eine Einzelheit. „Bei den Wahlen vom 4. Oktober war die Teilnahme der Wähler, namentlich in Barcelona, sehr gering. Die Esquerra Catalana stellte keinen Kandidaten in Barcelona, weil die syndikalistische Masse sie nicht mehr stützte“ (n.r.c., 13.10.1931). Woher werden bei den früheren Wahlen alle katalonischen Stimmen sonst gekommen sein, wenn nicht von der syndikalistischen Masse?

Bei der Cortez-Debatte über die soziale Gesetzgebung reichte der Sozialdemokrat Largo Caballero ein Amendement (12) ein, um diese Gesetzgebung zentral von Madrid aus geschehen zu lassen, was ein großer Vorteil für die u.g.t. sein würde. Man sah in ihm nicht mehr den Arbeitsminister, sondern den Sekretär der sozialistischen u.g.t., der die syndikalistische c.n.t. vernichten wolle. Und wie diplomatisch und handelbar die katalanischen Vertreter sonst auch sind, hier traten sie auf, hier war Von-Platz-Machen keine Rede, denn es handelte sich hier um einen Angriff auf die Masse, die ihnen in dem Parlament solch Selbstvertrauen und Ruhe geben konnte, die Masse von Katalonien, die Masse der c.n.t. also: „Es war tatsächlich die a-politische Organisation, die in der Nacht von Freitag im Parlament anwesend war.“ (n.r.c., 1.10.1931)

So wird die Esquerra Catalania beinahe die parlamentarische Filiale der c.n.t.. Aber zu urteilen nach den Wahlen vom 4. Oktober scheint es, dass die Arbeiter sich von der Esquerra Catalania abwenden.

Die Esquerra Catalania, diese mächtige radikal bürgerliche Partei von Katalonien, schützte die c.n.t. oft. Obschon ihre Führer – außer Macia – nach dem allgemeinen Streik in Barcelona auch kräftige Maßregeln fordern. Einige ihrer hauptsächlichen Führer (von der Esquerra Catalania) sind tatsächlich Mitglieder der c.n.t., wie Balboutin von Madrid oder Jimenez von Barcelona, schreibt die syndikalistische „Révolution proletarienne“ vom Juli 1931. Die bürgerliche Presse schreibt denn auch ganz natürlich über c.n.t.-Abgeordnete in der Cortes! All dieses erklärt vieles aus dem Werdegang der syndikalistischen Bewegung.

Dies alles ist möglich, weil Spanien noch kein Grundgesetz hat und Minister Maura mit den katholischen Zeitungen auch die kommunistischen aufheben kann, während die anarcho-syndikalistische Bewegung, hinter Macia verschanzt, schließlich außer Schuss bleibt, weil sie zwar außerordentlich lästig aber als Sicherheitsventil weniger gefährlich ist.

Doch außerdem: Die c.n.t. hat den Staat in Ruhe gelassen: „In verschiedenen Fällen kam es zwar zu Zusammenstößen mit der Polizei oder der Guardia Civil, aber niemals ist versucht worden, die Staatsmacht zu vernichten, zum Beispiel der Generalstreik in Barcelona vom 3. bis 7. September. Unter dem Drange der Massen wegen Gefangenhaltung von Revolutionären und dem schändlichen Benehmen des Gouverneur Anquera de Sojo beschloss die c.n.t. in Barcelona, am Donnerstag aus Protest den Generalstreik. Am Freitagabend war dieser wieder aufgehoben, aber die Arbeiter setzten ihn fort. Die c.n.t. antwortete hierauf mit einem Manifest, unterzeichnet von Pestana, Peyre und 28 anderen, worin sie den Streik und das gewalttätige Benehmen verurteilten, solange die c.n.t. nicht imstande sei, die bestehende Regierung zu ersetzen. Sie verurteilten die anarchistischen Extremisten, die angeblich durch Terror die Arbeiter gezwungen haben sollten, ihren Befehlen zu folgen. Die c.n.t. wünschte also einen unschuldigen Proteststreik; die anarchistische Opposition und die Masse der Arbeiter wollten einen revolutionären Streik. Nachdem der Entschluss gefasst und der Befehl gegeben war, war innerhalb einiger Stunden der Streik so vollkommen wie nie. Das Stadtleben ist vollständig lahmgelegt: In den Büros der Generalidad wird nicht gearbeitet. Man bekommt den Eindruck, dass die Stadt vollkommen in den Händen der Anarchosyndikalisten ist. Ohne Mühe konnte man hier die soziale Revolution bringen.“ (n.r.c., 9.9.1931)

Der Streik ist verloren und die soziale Revolution wartet noch! Man sieht, dass weder die c.n.t. noch die spanische Arbeiterklasse von ihrer Macht Gebrauch gemacht haben, um die Staatsmacht zu vernichten. Noch ein anderes Beispiel. „De Syndicalist“ vom 29. August schreibt über das sogenannte Catalanische Statut (eine Art Verfassungsentwurf) und erklärt, warum die c.n.t. dieselbe nicht bestritten hat. Sie glauben (das heißt eine Anzahl c.n.t.-Führer), dass Macia, gefangen in seiner schwülstigen Sprache, gebunden durch sein Vorleben, weniger ihre Konsolidationsarbeit hindern wird denn Maura und Caballero. Deshalb ihre freundliche Neutralität. Jawohl, „freundschaftliche Neutralität“ einer der mächtigsten bürgerlichen Parteien gegenüber, weil diese ihre Konsolidationsarbeit weniger hindert als andere. Das ist eine Taktik, worin auch die Sozialdemokratie sehr tüchtig ist!

Wir gehen weiter. In Barcelona wurden drei Anarchisten verhaftet, weil sie im Besitze waren von Granaten. Das Organ der c.n.t., die „Solidaridad Obrero“ schreibt: „Wenn wir uns bewaffnen, so aus dem Grunde, dass die vorläufige Regierung nicht genügend Garantien gibt für den Kampf gegen die Rückkehr zur Macht der Reaktion.“ Sie hätten dazu fügen sollen: Gegen diese Regierung kämpfen wir nicht.

Zum Schluss. In einem Interview von Pestana durch die „El Sol“ (wortgetreu wiedergegeben in „le Cri du Peuple“, Nummer 79) erklärt dieser, dass die Entwicklung der Revolution vorläufig zum Stillstand gekommen ist. Er zeigt auf die Notwendigkeit einer politischen Revolution im Allgemeinen, aber „Diese proletarische Revolution ist nicht so nah, wie man schon glaubt.“ Die c.n.t. soll sich jetzt widmen der Lösung von schweren Fragen der politischen Ökonomie, namentlich die der Bodenverteilung und der Aufhebung der Monopole (Transportmonopol), sagt Pestana. Ist dies die Bourgeoisie in Ruhe lassen oder ihr die Hand reichen?

Zum 2. Punkt: revolutionäre Tendenzen beruhigen und kanalisieren in unfruchtbare Manifestation

Praktisch ist es unmöglich, dieses von Punkt 1 zu scheiden, so sehr sind sie gegenseitig verbunden. Auch hier ist der Generalstreik in Barcelona ein gutes Beispiel. Wer in „Der Syndicalist“ vom 19. September 1931 den bezüglichen Artikel liest, wird zugeben, dass dieser Kampf eine Äußerung des Proletariats als Klasse war, von jeder Organisation losgelöst. Nachdem der Streik und der revolutionäre Kampf gegen die Guardia Civil Tatsache geworden war (am Mittwoch), verkündete die c.n.t. einen allgemeinen Proteststreik (Donnerstag). Als die Masse die Grenze eines Proteststreiks überschritt und der Parole zum Wiederanfang der Arbeit nicht folgte, protestierte die c.n.t.-Führung unter Beifall der ganzen Bourgeoisie, und mit allen Kräften wurde versucht, um schließlich den gemäßigten Standpunkt von Pestana siegen zu lassen. (n.r.c., 9.9.1931) Die bürgerliche Presse spricht immer wohlwollender über den „syndikalistischen Reformismus“ der c.n.t.

Wir sind der Ansicht, jetzt genügend bewiesen zu haben, dass die c.n.t., obschon offiziell antiparlamentarisch, den bürgerlichen Staat in Ruhe lässt und ihn stützt, und dass sie im ökonomischen Leben die Angriffe des Proletariats auf die Bourgeoisie so viel wie möglich abschwächt. Die Schwäche und der Mangel an Erfahrung der spanischen Arbeiter sind hieran schuld. Aber der Kampf gegen die republikanische Miliz, die revolutionären Streiks, die Sabotage der Produktion und das In-Brand-setzen der Klöster sind Taten des Proletariats, nicht der c.n.t. Es soll aber zugegeben werden, dass dieses Proletariat seine natürliche Klassenorganisation noch nicht gefunden hat. Nur in einzelnen Fällen hat es den Anschein, dass die Arbeiter als Betriebseinheit den Kampf gegen den Kapitalismus begonnen haben.

„De Syndicalist“ vom 19. September schreibt, dass die c.n.t. die Durchführung der revolutionären Betriebsräte und die Kontrolle der Gewerkschaftsorganisation auf die Produktion fordert. Im selben Artikel finden wir: „Zahlreiche Fachvereine der c.n.t. setzten in letzter Zeit eine ziemlich große Verbesserung der Löhne und die Anerkennung der revolutionären Betriebsräte durch.“ Sehen Sie – wir sind auch für die Betriebsräte –, sagen die Syndikalisten. Aber Räte, welche zugleich erwähnt werden mit „Kontrolle der Produktion durch die Gewerkschaftsorganisation“ können niemals Klassenorgane des Proletariats sein. Solche gesetzlichen Betriebsräte hat man in Deutschland, zwar ohne das Adjektiv „revolutionär“.

IV. Die anarchistische Opposition

Die Anhänger der Opposition, meistens Mitglieder der FAI (Federacion Anarquista Iberica) bekommen immer mehr Einfluss. Auf dem c.n.t.-Kongress im Juni waren etwa hundert von 432 Abgeordneten Mitglied der f.a.i. Die „Révolution Proletarienne“ vom Juli schreibt: „Diejenigen unter ihnen, die die klarsten Ideen haben, stellen die Auffassung einer neuen, von den Gewerkschaften geführten Wirtschaft, die Idee einer Verwaltung, geführt von freien, federalen [föderativen] Kommunen gegenüber.“ Über das Wesen dieser Kommunen schreiben sie nicht weiter. Die meisten Anarchisten aber erkennen, dass die c.n.t. in mancher Hinsicht versagt hat, namentlich hinsichtlich der Vernichtung des Staates, aber dass die c.n.t. doch richtig hätte handeln können, wenn bei den Mitgliedern und den Führern nur genügend Einsicht und Kühnheit anwesend gewesen wären. Wenn sie nur ein Beispiel zeigen könnten von einer Situation, worin die Gewerkschaften eine Stütze für die Revolution gewesen sind, wo sie nicht von den Arbeitern zur Seite gestellt worden sind, ehe diese die Organe der proletarischen Klassenherrschaft, die Betriebsorganisationen und Arbeiterräte formen konnten. Diese Anarchisten, die die c.n.t. revolutionär machen wollen, werden alle ihre Versuche scheitern sehen an dem Wesen der Gewerkschaft. Die spanischen Arbeiter werden ansehen müssen, dass sie nur über die zertretene Gewerkschaftsbewegung hinweg zum Sieg kommen können.

V. Zusammenfassung

Die Entwicklung der Produktionsverhältnisse in Spanien brachte im April 1931 einen Wendepunkt in den Machtverhältnissen im Sinne einer bürgerlichen Revolution.

Bei dieser Revolution war das Proletariat hauptsächlich organisiert in der c.n.t., der Bundesgenosse der Bourgeoisie. Der Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie verschärfte sich allmählich nach der Gründung der Republik. Die c.n.t., in diesem Kampf auftretend als Führer des Proletariats, ist eine Gewerkschaft, strebend nach der Machteroberung durch die c.n.t. Dies muss notwendig führen zu einer Diktatur über das Proletariat durch die c.n.t.-Führung (Staatskapitalismus).

Das Auftreten der c.n.t. vor und nach der Gründung der Republik war eine Unterstützung der Bourgeoisie; Schonen und Stützen des Staates, und Schwächen der ökonomischen und proletarischen Aktion des Proletariats.

Die anarchistische Opposition ist eine betrügerische Illusion, weil sie als Gewerkschaft das Wesen der Gewerkschaft außer Acht lässt. Ihr Streben kann nur dazu führen, dass die Tatkraft des Proletariats sich in unfruchtbaren Manifestationen totläuft.

Es ist klar, dass die anarcho-syndikalistische Bewegung ebenso gut wie die bolschewistische zum Staatskapitalismus führt.

Der einzige Weg zur Vernichtung des Kapitalismus ist das Vernichten der Klassenherrschaft der Bourgeoisie und ihres Staates durch die Gründung der proletarischen Diktatur, das heißt die Herrschaft des Proletariats als Klasse vermittels ihrer Klassenorganisationen, der Räte und Betriebsorganisationen.

Beilage zum C.N.T. Artikel

Im ersten Abschnitt (Einleitung) wird gesagt, dass die Republik nichts getan hat, um die feudalen Verhältnisse auf dem Lande aufzuheben, um die versprochene Verteilung des Grund und Bodens herbeizuführen. Es wird weiter darauf hingewiesen, dass die Bauern (Landarbeiter) wahrscheinlich in naher Zukunft selbst versuchen werden, die Verteilung vorzunehmen.

Tatsächlich ist im Oktober eine Welle revolutionärer Aktionen der kleinen Bauern über das Land gegangen. Die Bewegung begann Ende September in dem Dorfe Palacios bei Salamanca und erreichte ihren Höhepunkt in der Provinz Cordoba. Es wurden dort verschiedene Güter in Besitz genommen; während einiger Tage (8. bis 11. Oktober) herrschte über einem Gebiet von etwa 40 Quadratkilometer ein Terror der kleinen Bauern und Landarbeiter. Der Einfluss der kommunistischen Partei unter den Bauern wächst sichtbar. Doch der Regierung gelang es, diese – sowie andere Aktionen – völlig zu unterdrücken. Die Bauern verfügten nicht über genügend Kraft, um sich durchzusetzen.

Im Zusammenhang hiermit drucken wir einen Teil eines Briefes aus dem n.r.c. ab, der diesem bekannten bürgerlichen Blatt von ihrem spanischen Korrespondenten am 18.11.1931 zugesandt worden ist:

„Überall in Granada und Jaén, an den endlosen Landstraßen, vereinzelten Häusern und einer von Menschen beinahe verlassenen Landschaft zeugt alles von Überfluss.
Kommt man aber mit den Menschen zusammen in den Dörfern und Städten und in den Herbergen an den Wegen, dann erschreckt man, und der Optimismus der natürlichen Umgebung wird in beißenden Hohn verändert.
Auf den Plätzen Hunderte erwerbslose Arbeiter mit hohlen Augen, blau-bleichen Gesichtern, abgestumpft von Erschöpfung und Hunger.
In derselben Zeit in den Dörfern luxuriöse Cafés und Tavernen, wo die gebratenen Vögel, die Krebse und würzige Speisen auf den Tonbanken stehen. Ein Heer barfüßiger, halb bekleideter Kinder kriecht dem Fremden zwischen den Beinen durch, um die Reste abzunagen und die Zuckerstücke, die auf den Boden gefallen sind, aufzuraffen.
Überall die andalusischen Senoritos mit ihren klassischen, arroganten, herausfordernden, harten Gesichtern, – gastfrei den Fremden gegenüber, tierisch grausam in ihrer Behandlung der Arbeiter.
Dem Senoritismus hat die Republik kein Ende machen können, und also ist in Andalusien noch nichts geändert. Denn wohl sind dank der Sozialisten und ihren Dekreten in Madrid die Gemeinderäte in den Händen der Arbeiter und haben sie demnach – der Form nach – die Führung, die ökonomische Macht ist aber noch unangetastet bei den Senoritos [span. Für Herrchen], den „Caeiques“ (13), also in den Händen der feudalen Elemente. Und solange diese nicht vernichtet sind, ist in Spanien nichts verändert, – Madrid und allen Dekreten zum Trotz.
Der große Kampf, der jetzt in Andalusien während des großen Augenblicks der Olivenernte ausgefochten wird, ist der Kampf zwischen Akkord und Lohn. Akkord, Stücklohn, für das Pflücken, sagen die Besitzer, die nicht daran denken nachzugeben. Tageslohn von 5,60 bis 8 Pesetas, sagen die Arbeiter, die auf diese Weise, sei es auch mit einem niedrigen Lohn, sich für einige Monate der Arbeit versichern wollen.
Stücklohn, sagt der Besitzer und droht, von anderswo Arbeiter kommen zu lassen – die ins Dorf nicht hineinkommen, antworten die Arbeiter gestützt auf die Dekrete von Madrid.
Die fremden Arbeiter kommen doch, der Besitzer lässt sie durch Bewaffnete bewachen. Die einheimischen Arbeiter rotten sich zusammen, es wird ein Stein geworfen, dann schießt die Gendarmerie, wobei vielfach Tote anfallen.
Das ist das tägliche Drama in den Dörfern Andalusiens, wo die feudalen Potentaten nicht begreifen können oder wollen, dass die Zeiten der absoluten Herrschaft vorbei sind, und sie greifen zu jedem Mittel, zur Intrige, Bestechung, Verrat und Mord, um ihre Macht zu behaupten […]“

Die feudale Macht der andalusischen Senoritos ist durch die Republik nicht vernichtet, und so besteht selbst die bürgerliche Republik noch nicht. Die Republik ist noch nicht bis ins Dorf gedrungen. Man sieht überall (nach dem n.r.c.) Gruppen von gefesselten Bauern, paarweise an einem Strick gebunden, die durch die Gendarmerie – Gewehr bereit zum Anschlag – in die Gefängnisse der Provinzhauptstädte transportiert werden.

„Revolutionäre Bauern“, liest man in den Zeitungen. In Wirklichkeit Opfer der Demagogie der Republik, die die Macht der Senoritos ungeschwächt gelassen hat.


Redaktionelle Anmerkungen

1. Miguel Primo de Rivera y Orbaneja, Marqués de Estella  (1870-1930) war ein spanischer General und von 1923 bis 1930 Diktator. Primo de Rivera war im kolonialen Rifkrieg für die flächendeckende Vergasung der aufständischen Rif-Kabylen und Zivilbevölkerung um Al Hoceïma verantwortlich.

2. Dámaso Berenguer Fusté   (1873-1953)

3. Alfons XIII.  (1886-1941 in Rom) war von 1886/1902 bis 1931 König von Spanien.

4. Niceto Alcalá Zamora y Torres  (1877-1949) war Rechtsanwalt, spanischer rechtsliberaler Politiker und erster Staatspräsident der Zweiten Republik.

5. Francesc Macià i Llussà  (1859-1933) war als katalanischer Politiker der 122. Präsident der Generalitat von Katalonien und diente früher als Offizier der spanischen Armee.

6. Alexander Fjodorowitsch Kerenski  (1881-1970) war ein russischer Politiker und zeitweise Chef der Übergangsregierung zwischen Februar- und Oktoberrevolution im Jahr 1917.

7. Der  Nieuwe Rotterdamsche Courant  (deutsch: Neuer Rotterdamer Anzeiger) war eine liberalen überregionale niederländische Tageszeitung mit Redaktionssitz in Rotterdam.

8. Die Guardia Civil  ist eine spanische Polizeieinheit mit mehr als 80.000 Angehörigen. Sie nimmt sowohl militärische als auch zivile Funktionen wahr. Aufgrund ihrer doppelten Rolle untersteht die Guardia Civil sowohl der Befehlsgewalt des Ministeriums des Inneren (Ministerio del Interior) als auch des Verteidigungsministeriums (Ministerio de Defensa).

9. Ángel Pestaña Núñez  (1886-1937) war ein spanischer Syndikalist, mehrmaliger Sekretär der Confederación Nacional del Trabajo (c.n.t.), Gründer des Partido Sindicalista (PS) und Abgeordneter in den Cortes Generales.

10. Da Form und Inhalt der ursprünglichen deutschen Version dem Transkribisten unverständlich waren, wurde dieser Passus aus dem niederländischen Persdienst ins Deutsche übersetzt. Persdienst, 4e jg., no. 14, september 1931, no. 3 (aaap.be).

11. Auch hier eine Übersetzung aus dem Niederländischen nach Persdienst, 4e jg., no. 14, september 1931, no. 3 (aaap.be).

12. Änderungsantrag zu einem Gesetzentwurf.

13. “The natives of Lucai islands are leis tawny than those of St. Domingo and Cuba. But so few of either now remain, that the relations of the first voyagers of these countries can derive no support from them. These people, it has been alleged, were governed by kind o chiefs, called Caeiques; and that they hat priests and physicians.” (Count de Buffon: Natural History – General and Particular. The Third Edition in nine Volumes. Vol. III., London 1791, S. 174 f).


Compiled by Vico, 6 June 2021


























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