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Antonie Pannekoek Archives

Pressedienst

Quelle: a.a.a.p.


Pressedienst

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80.


Neue Stimmen aus Frankreich


Quelle:  Pressedienst der g.i.k., Nr. 14, 1929 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben von Hans-Peter Jacobitz und Thomas Königshofen; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Wir bringen diesen Artikel (dem Inhalt nach) nicht, weil es neue Gesichtspunkte für die deutsche Bewegung enthält, sondern weil daraus hervorgeht, dass die Räteideologie auch in Frankreich durchbricht.

Im August 1929 erschien die No. 1 des ersten Jahrgangs der Zeitung unserer französischen Gesinnungsgenossen L’Ouvrier Communiste, Organ der Gruppen kommunistischer Arbeiter. Sie begründen ihre Existenz und die ihrer Zeitung in einem Leitartikel betitelt „Um aus dem Sumpf herauszukommen“. Dort zeigen sie, dass die „Einheitslegende“, wie Angst vor der Absplitterung, vor Spaltung, das Stellen der heterogenen Quantität über die homogene Qualität ihrem Wesen nach reformistisch, konterrevolutionär ist. Es ist Schaffung oder Erhaltung konterrevolutionärer Organisationen, mindestens aber Bildung reformistischer, konterrevolutionärer Elemente in großer Zahl in den existierenden, ganz bestimmt nicht rein revolutionären Gruppierungen.

„Die Geschichte, die Tatsachen haben schon vor uns die Richtigkeit dieser Auffassungen bewiesen. Leider sind wir etwas spät zu dieser Einsicht gekommen. Zu spät? Nein!“

Übrigens: Diese neue Einsicht konnten die französischen Genossen sich nur erwerben, nachdem die Geschichte, die Erfahrungen, sie dazu trieb. Keine neuen fruchtbaren Ideologien, – oder sie haben diese Grundlage.

Die Richtung Lenins war die der Einheit, die Richtung Gorters war die der Abscheidung. Und was war das Resultat der Einheitstaktik? Es war Hermann Gorter in seinem „Offenen Brief“, geschrieben für Lenin und für die Arbeiter der k.p.d., der die Unrichtigkeit und die Gefahr der Auffassungen Lenins gezeigt hat. Jetzt, mit einer solchen Fülle von Erfahrungen, handelt es sich nicht mehr um die Rettung der Komintern, sich klammernd am Leninismus, wie die Opposition es noch krampfhaft versucht. Jetzt handelt es sich darum, anhand der Erfahrungen diesen Leninismus zu verurteilen. Der Leninismus wollte in Analogie mit dem Sieg in Russland die russische Strategie vorschreiben für Länder, deren soziale Gruppierung der gesellschaftlichen Kräfte eine völlig andere war, und die, wie in Westeuropa und Amerika, auf die bürgerliche Revolution zur Überwindung des Feudalismus schon jahrelang als ein vollzogener Prozess zurückblicken konnten.

Der fundamentale Charakterzug des Leninismus ist der Kompromiss; der Kompromiss, der die Formierung der Parteien der Dritten Internationalen überhaupt erst ermöglichte. Die Extremisten oder Ultralinken hielten an ihrem Antiparlamentarismus in vollem Umfang fest. Der Leninismus hat ihn bekämpft, mit der Folge, dass sie entweder sich beugten oder aber aus den offiziell kommunistischen Parteien ausgeschlossen wurden. Und doch war gerade dieser Antiparlamentarismus der Gradmesser für die durch die Kriegserfahrungen in den hochindustriellen Ländern erworbene Bewusstwerdung.

Viele westeuropäische kommunistische Führer wurden „bezogen“ aus den Reihen der „Linken“ und Unzufriedenen der parlamentarischen Demagogen der Zweiten Internationalen.

Es ist klar, dass die Ausstoßung der besten revolutionären Kräfte der erste Schritt war, den die Bolschewiki auf dem Wege zum Kompromiss machten; es bedeutete die Verleugnung oder wenigstens die Vernichtung des rein revolutionären Charakters. Gerade durch Akzeptieren des antiparlamentarischen Radikalismus hätte die Dritte Internationale ihren Entartungsprozess sehr erschwert; sie hätte die Opportunisten aus ihren Reihen gehalten, um ihre revolutionär proletarischen Machtstellungen, wenn auch nicht ausbreiten, dann doch jedenfalls erhalten können.

Aber beim Parlamentarismus blieb es nicht. Der sozialdemokratische Charakter trat immer klarer ans Licht. Ihre Politik in Deutschland, zum Beispiel die berüchtigte Waffenlieferung an die Arbeiterfeinde, ist eine der vielen Beweise.

Einer der schwerwiegendsten Fehler des Leninismus ist der Versuch der „Eroberung der Gewerkschaften“. Die Leninisten haben vergessen, dass die Formen des Klassenkampfes nicht immer dieselben sind, dass natürlich gewachsene Organisationen – „natürlich“ in dem Sinne von „fußend auf einer bestimmten Periode in der sozialökonomischen Entwicklung“ – unnatürlich, veraltet, reaktionär werden können. „Erobern der Gewerkschaften!“ Man suggerierte den Arbeitern, dass man, wenn man Menschen durch Menschen, Funktionäre durch Funktionäre ersetzt, dadurch Organisationen, die in und nach dem Krieg historisch verurteilt wurden, revolutionieren könnte. „Gewogen und zu leicht befunden.“ Auch die außerhalb der Gewerkschaftsinternationalen von Amsterdam und Moskau stehenden Gewerkschaften können dem durch ihren grundsätzlich opportunistischen Charakter nicht entrinnen.

Wir weigern uns darum, in den heutigen Gewerkschaften noch länger eine Form des proletarischen Klassenkampfes zu sehen. Man kann die Gewerkschaften nicht für die Revolution gewinnen, ebenso wenig wie man imstande ist, revolutionäre Gewerkschaften zu gründen. Wir müssen die Arbeiter zu gewinnen wissen, nicht für die unmittelbaren kleinen Verbesserungen, sondern für die soziale Revolution.

Wir weigern uns, als Bedingungen für die revolutionäre Bewusstseinsentwicklung und für den Kampf der Arbeitermassen Führerpolitik anzuerkennen; eine Politik, die die organisierten Massen außerhalb aller Sozialpolitik halten muss.

„Wir haben als Ziel eine wirklich revolutionäre Partei zu formieren, und mit diesem Ziel vor Augen wollen wir, wenn es sein muss, noch lange Zeit nur eine Sekte bleiben.“
„Wir müssen brechen mit jeder bürgerlichen Tradition. Wir müssen öffentlich kämpfen gegen diejenigen Formen, die die Neigung haben, die Überreste bürgerlichen Einflusses innerhalb der Arbeiterklasse zu erhalten oder zu erweitern. Wir müssen brechen mit Parlamentarismus und Gewerkschaften, deren Vernichtung wir vorbereiten müssen.“
„Wir müssen dem Proletariat sagen, dass der Kampf für Teilforderungen keinen bleibenden Erfolg für die Arbeiterklasse einbringen kann, dass er als Element in der Vorbereitung des revolutionären Kampfes, der uns zu der Errichtung der proletarischen Diktatur führen wird, keinen Wert hat; wir müssen sagen, dass die Gewerkschaften nicht der Ausdruck dieses revolutionären Kampfes sein können, dass diese sich auf Klassenfrieden richten, das heißt, eine intensivere Sklaverei der Arbeiterklasse herbeiführen.“

Darum „wollen wir zähe kämpfen gegen alle Feinde der Revolution: gegen die Bourgeoisie und ihre Verbündeten, gegen die westliche Sozialdemokratie und gegen die Sozialdemokratie von Moskau.


Compiled by Vico, 21 August 2021