Home | Contact | Links       
Antonie Pannekoek Archives

Quelle: a.a.a.p.


Programm der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands

Berlin, Januar 1924


Quelle: Reprint: Paris, den 6. November 2017; o.c.r. und korrigiert von Ph.B., hier nochmals korrigiert; Quelle pdf: Schweizerisches Sozialarchiv , Zurich.


Vorwort

In einer Periode der rasend anschwellenden Krise, der Häufung von sozialen Katastrophen, kriegerisch-imperialistischen Verwicklungen und des wachsenden Chaos nur dem wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Gebiete tritt die Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands mit einem neuen Programm vor das Proletariat, in dem es zweierlei finden soll und – wie wir hoffen – finden wird: Eine gedrängte Widerspiegelung der gegenwärtigen Phase der kapitalistischen Entwicklung und eine Darstellung der Aufgaben, die es bei Strafe seines Unterganges als Klasse erfüllen muß.

Zwischen dem Erscheinen dieses zweiten Programms und dem ersten liegt ein Zeitraum von beinahe vier Jahren, die von Kämpfen und Niederlagen der deutschen Arbeiterkasse erfüllt sind. Die hieraus entsprungenen Erfahrungen und Erkenntnisse festzuhalten und der Arbeiterklasse zum Bewußtsein zu bringen, soll gleichfalls mit der Herausgabe dieses vom sechsten Parteitag der k.a.p.d. (9.-11. September 1923) angenommenen Programms bezweckt und erstrebt werden.

Ein Programm ist kein Rezept für alle Fälle. Soll es mehr als papierne Weisheit sein, so wird ihm die Tat folgen müssen. Doch, um die Tat vollbringen zu können, ist Klarheit über Wege, Bedingungen und Ziele des proletarischen Befreiungskampfes eine unerlässliche Voraussetzung.

Das Wissen von der dialektischen Wechselwirkung in der Geschichte, die immer wieder Organisationen und Ideologien zu konterrevolutionären Hemmnissen erhebt und erstarren läßt, um sie immer wieder zu überwinden, ist im Proletariat noch wenig verankert. Doch sinkt und bricht das Alte, um soweit es noch besteht, wirkt es als Geißel, als Waffe in den Händen der Konterevolution und spottet aller Versuche der Reformierung und der „Eroberung“. Einmal aber müssen die Schleier zerreißen.

Das vorliegende Programm wird die wahre Lage, ihre Konsequenzen und ihre Mittel zur Überwindung einer sterbenden Welt der zum Teil utopistischen, zum Teil verräterischen Politik der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften aller Richtungen gegenüberstellen. Aufs neue kristallisieren sich hier die Erfahrungen proletarischen Klassenkampfs. Ihre Proklamation wird den Suchenden den Weg zu neuen Ufern erhellen und so an sich schon eine Tat sein, eine Voraussetzung praktisch-politischer Taten bis zur Entscheidung.

Möge das gesamte Weltproletariat zur Beschleunigung oder Internationalisierung des nachstehenden Programms hieraus die damit allgemeine Klärung und Stärkung des Klassenbewußtseins und der internationalen Klassensolidarität schöpfen, die zur Schaffung einer Kampfinternationale als Ausdruck des revolutionären Willens von unten auf unbedingt notwendig sind!

Berlin, Januar 1924.

Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands,
Geschäftsführender Hauptausschuß.


Programm der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands


Erster Teil. Aufstieg und Niedergang der kapitalistischen Wirtschaft im Zeitalter des Imperialismus; die Folgen des Weltkrieges und der Friedensschlüsse für die bürgerliche Gesellschaft und das Proletariat.

I.

Der Imperialismus als die stärkste Kraftentfaltung der kapitalistischen Gesellschaft schlägt durch seine Auswirkungen die Fundamente, auf denen er aufgebaut ist, in Trümmer. Die von ihm entwickelten Produktivkräfte haben ihren gesellschaftlichen Rahmen gesprengt, aus einem aufbauenden Element ist der Kapitalismus in einem zerstörenden geworden, indem er sich selbst verschlingt. Dieser Untergang geht unter furchtbaren Zuckungen und andauerndem Aufbäumen gegen die eherne Notwendigkeit der Geschichte vor sich.

Der Kapitalismus ist in seiner Entwicklung von verschiedenen Krisen erschüttert worden. Sie waren für ihn bisher die Sprossen zu erneutem Aufstieg und gleichzeitig die notwendigen Voraussetzungen zu seiner endgültigen Überwindung durch den Kommunismus. Jede Krise hat eine bestimmte geschichtliche Lagerung, durch die der Charakter scharf umgrenzt wird.

Das allgemeine Merkmal der früheren Krise war Stockung der Produktion infolge Überproduktion. Die Anarchie der Wirtschaft, die in der betreffenden Krise ihren Ausdruck fand, wurde durch Umstellung der Produktion, höhere Stufe der Technik, veränderte Organisationsform bei gleichzeitiger Erschließung neuer Absatzmärkte überwunden. Diese Maßnahmen machten es dem Kapital möglich, die Kaufkraft der Massen trotz sinkenden Geldlohnes noch zu erhöhen und seinen Verlust nicht nur auszugleichen, sondern den Profit durch die auf erhöhte Produktionsstufe gebrachte Wirtschaft sogar noch zu steigern. Diese Krisen waren notwendige Aderlasse, um den fiebergschütelten Körper wieder zu einer neuen Lebensmöglichkeit zu verhelfen. Es wurde aber dadurch keineswegs der im Kapitalismus als Wirtschaftsordnung liegende Widerspruch überwunden, sondern seine auf seine eigene Vernichtung hinzielenden Tendenz verstärkt. Die verbesserte Technik in der Organisation oder Wirtschaft und die damit verbundene Konzentration zwang das Kapital die nationalen Grenzen zu überschreiten, weil sich innerhalb dieses Rahmens Ausdehnungsmöglichkeiten nicht mehr boten. Gemäß den verschiedenen Entwicklungsstufen in dem Aufbau des Kapitalismus fand eine Verlagerung zwischen und in den Klassen statt. Die verschiedenen Abstufungen innerhalb der Klassen wurden durch den alles überschattenden Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit verdunkelt. Die Bedeutung der Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Schichten wurde vom Proletariat bei der Führung des Klassenkampfes zu wenig beachtet. Auch wurden die sich daraus ergebenden taktischen Möglichkeiten nicht voll ausgenutzt.

Diese Umgruppierung ist während der Herrschaft des Kapitals eine wesentliche Grundlage für die Struktur der Wirtschaft. In der bürgerlichen Revolution setzte sich das Kapital, das im Wesentlichen agrarische Färbung hatte, im heftigen Kampfe gegen das Feudalsystem durch und schuf sich Ellenbogenfreiheit. Mit der wachsenden Industrialisierung wurde die Vorherrschaft des Agrarkapitals in hartem Ringen überwinden. An seine Stelle trat das kombinierte Finanz- und Handelskapital das seinerseits das Industriekapital großzog.

Diese Kämpfe zwischen den kapitalistischen Gruppen um die Vormachtstellung brachten auch eine Umschichtung innerhalb der unterdrückten Klassen. Die Eigenart der Produktionsmethode des Agrarkapitals, die nur einem eng umgrenzten Teil der herrschenden Klasse die Nutznießung gestattete, schuf einen Überschuß an Kräften, der der Industrie und oder sich gleichzeitig ausdehnenden staatlichen Verwaltung zufloß. Mittelstand und Proletariat enthielten so eine breitere Basis. Der aufblühende Kapitalismus stützte sich insbesondere auf das erstarkte Kleinbürgertum und den qualifizierten Teil der Arbeiterschichten, die das Kapital durch Gewährung größerer Vorteile von dem Gros der Ausgebeuteten trennte, um sie unter- und gegeneinander auszuspielen. Da auch die Masse der Lohnsklaven bei der allgemeinen Steigerung des Wohlstandes nicht leer ausging, so fehlt in dieser Epoche ein stärkeres Hervortreten von selbstbewußten Klassenäusserungen des Proletariats. Dies zeigte sich in einem Wachsen von reformistischen Illusionen innerhalb der Arbeiterbewegung.

Das Gesetz der nationalen wirtschaftlichen Konkurrenz zwang das Kapital zu einer ungeheuren Steigerung der Produktion durch Verbesserung der Erzeugungsmethoden unter intensiver Ausbeutung der Arbeitskraft. Dies führte zu einer völligen Ausschöpfung der nationalen Absatz- und Profitmöglichkeiten. Auch der Versuch, durch eine großzügige Kolonialpolitik ich einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu bahnen, konnte auf die Dauer nicht die Widersprüche und die anarchistische Tendenz der kapitalistischen Ordnung beseitigen. Besonders die Staaten, die bei einer späteren aber um so hemmungsloser einsetzenden Industrialisierung keine Möglichkeiten besaßen, sich durch kolonialen Zwangsabsatzgebiete zu schaffen, führten mit Notwendigkeit einer Verschärfung der Gegensätze herbei, die zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung drängten. Die Unmöglichkeit eines ökonomischen Ausweichens brachte das Kapital zu der Überzeugung, daß der Krieg als einzige Mittel zur Überwindung der durch die Entwicklung geschaffenen Widersprüche sei. Es begann infolgedessen eine Periode wahnwitzigen Wettrüstens. Der Kapitalismus erreichte hier seinen Zenit und damit gleichzeitig den Ausgangspunkt seines Zusammenbruches.

Der Imperialismus mit seiner zersetzenden Wirkung ist eine historische aus der kapitalistischen Entwicklung geborene Notwendigkeit; nur kleinbürgerliche Pazifisten können in ihm eine korrigierbare, vom guten Willen der Kapitalisten abhängige Bewegung erblicken. Seine brutalen Gewaltmethoden sind unvermeidlich. Sie erzeugen einen ungeheuren Druck nach außen gegen die Konkurrenten und gleichzeitig auch nach innen gegen das beherrschte Proletariat. Die Folge ist eine Kette unaufhörlicher sozialer Katastrophen, die in politische Verwicklungen ausmünden. Der Weltkrieg war der gewaltsame Versuch, diesen gordischen Knoten mit einem Schlage zu durchhauen. Dieser Versuch ist nicht mir fehlgeschlagen, sondern die Gegensätze haben sich erst recht zur endgültigen Auseinandersetzung zugespitzt. Der Geschützdonner der Schlachtfelder läutete die Götterdämmerung des Kapitalismus ein.

Das Kapital war sich bei Eintritt in den Krieg bewußt, daß die drohende Krise nur durch eine kurzfristige militärische Auseinandersetzung überwinden werden könne. Es hielt eine längere, fast ausschließliche Einstellung der Produktivkräfte auf die Bedürfnisse des Krieges für ökonomisch unmöglich, da eine solche notwendig einer völligen Zerstörung der Wirtschaft gleichkommen müsste. Dementsprechend waren auch die militärischen Maßnahmen auf Überwältigung im ersten Ansturm zugeschnitten. Diese Hoffnung wurde mit dem Beginn des Stellungskrieges zerstört. Es blieb den kämpfenden Mächten infolgedessen nichts übrig, als die Fortführung des Krieges dadurch zu ermöglichen, daß sie durch eine bis ins Kleinste durchgeführte Organisierung der wirtschaftlichen und militärischen Kräfte eine breitere Basis schufen. Aus dem gleichen Grunde zogen sie auch alle nicht direkt an dem Krieg beteiligten Völker in diesen Hexenkessel hinein. Da die Mobilisation von beiden Seiten mit äußerster Energie betrieben wurde, konnte der Kampf nur mit einer ungeheuren Erschöpfung der Kräfte endigen.

Der gesamte Wirtschaftsapparat wurde auf die Erzeugung von direkten Kriegsbedürfnissen umgestellt. Der organisierte Mord wurde zum alleinigen Zweck der Wirtschaft. Er bot dem WeltkapitaI ein glänzendes Ausbeutungsfeld. – Fünf Jahre lang wurden die Lebensbedürfnisse der arbeitenden Massen immer weiter zurückgeschraubt. Die bisher die Ausbeutung beschränkenden Maßregeln wurden aufgehoben: Greise, Frauen und Kinder an die Stelle der als Kanonenfutter in die Schützengräben beorderten Männer in die Fabriken zur Herstellung der Mordwerkzeuge getrieben. Jedes politische Leben gewaltsam niedergehalten. Die öffentliche Meinung verlumpte unter der korrumpierenden Fuchtel der dem Kriegszweck alles unterordnenden herrschenden Klasse und ihrer Trabanten. Alle bisherigen gesellschaftlichen Bindungen und Zusammenhänge brachen auseinander, weil ihnen die wirtschaftlichen Voraussetzungen, der Boden, auf dem sie fußten, weglitten.

Die allein auf die Zerstörung von Gut und Blut eingerichtete Kriegswirtschaft hob die Grundlage einer Reproduktion auf. Die Produktion der Produktionsmittel wurde so gut wie ganz eingestellt. Man lebte in dieser Hinsicht vollkommen von der Substanz; ferner wurden Millionen von Menschen, die bisher im Produktionsprozeß gestanden hatten, in unproduktiver Weise verwendet. Dieser jahrelange planmäßige Raubbau untergrub vollkommen die Reproduktion der Produktionsverhältnisse. Dies machte sich besonders in der Landwirtschaft fühlbar. Anstelle der bisherigen intensiven Wirtschaft wurde infolge Fehlens von menschlichen und tierischen Arbeitskräften und von Düngemitteln in weitestem Masse zur extensiven Bearbeitung rübergegangen. Der Bodenertrag sank infolgedessen um ca. 40 Prozent. Die Lebenshaltung der Arbeiterschaft in den Industrieländern wurde außerdem noch dadurch enorm herabgedrückt, daß die Einfuhr von Lebensmitteln, die schon in normalen Zeiten notwendig war, teils durch die Blockade, teils durch die fast ausschließliche Inanspruchnahme des Frachtraumes für die Zwecke der Kriegführung unterbunden wurde. Der gesamte Produktionsapparat verkam so immer mehr und mehr. Die fehlende Akkumulation verhinderte eine weitere technische Entwicklung. Dies traf besonders für die sogenannten Schlüsselindustrien zu, während die Spezial-Kriegsindustrie auf eine nie geahnte Höhe getrieben wurde.

Die Kosten oder Kriegsführung vermehrten in Folge des ungeheuren Materialverbrauens die gesamten wirtschaftlichen Kräfte der im Kriege beteiligten nationalen Kapitalismen. Es wurden nicht nur die in der eigenen Wirtschaft steckenden Kräfte mit allen Mitteln herausgeholt, sondern auch der ausländische Kredit auf das äußerste angestrengt, nachdem alle durch den Kapitalexport entstandenen Guthaben gegen Materiallieferungen umgetauscht waren. Das amerikanische Kapital war so erster Linie an der Aufsaugung des europäischen Kapitals beteiligt. Es verschob sich auf diese Weise der Schwerpunkt der kapitalistischen Wirtschaft von Mittel- und Westeuropa nach Amerika. Gleichzeitig wuchs die innere Verschuldung und verwässerte das Nationalvermögen. Die Möglichkeit, den Staatshaushalt in ein Gleichgewicht zu bringen, entschwand immer mehr.

II.

Diesen Zerfallserscheinungen der kapitalistischen Wirtschaft gegenüber verhielt sich das Proletariat im Allgemeinen passiv. Der Mangel aus Aktivität beruhte im wesentlichen darauf, daß in der vorhergehenden Blütezeit des Kapitalismus sich die Lebenshaltung des Proletariats gehoben hatte und dadurch der Illusion Vorschub geleistet wurde, daß durch ein Zusammenarbeiten mit dem Kapital eine noch größere Enthält und der Lebenshaltung möglich sei. Dies führte zu einer Abschwächung des Klassenkampfes, die ihren theoretischen Ausdruck im Revisionismus fand. Trotzdem die offizielle Bewegung nach wie vor dem Revisionismus in schärfster Form ablehnte und ihm die Existenzberechtigung absprach, beherrsche er praktisch die Politik der in der II. Internationale zusammengeschlossen sozialistischen Parteien. Der immer größere Einfluß der rein wirtschaftlich eingestellten Gewerkschaften förderte, infolge der starken Anlehnung der Parteien an sie, noch diese Tendenz. Dazu kam, daß durch das enorme Wachstum der Bewegung, die die proletarischen Organisationen beherrschend Bürokratie in immer wachsender Masse von den Massen losgelöst wurde und infolge des zentralistischen Aufbaues eine vollständig selbständige Stellung erhielt. Sie sah in der Erhaltung und dem weiteren Ausbau der Organisationen ihre hauptsächlichste Aufgabe dies um so mehr, weil sie parallel mit ihren eigenen Existenzbedingungen lief. Der Apparat wurde aus einem Mittel der Zweck zu einem Selbstzweck. Er wich daher immer mehr einer Auseinandersetzung mit der herrschenden Klasse aus, und beschränkte sich auf hohle Demonstrationen. Das revolutionäre Prinzip der Überwindung des Kapitalismus durch den Klassenkampf verwandelte sich allmählich in einen Kampf um Ziele, die in der Linie der Weiterentwicklung des Kapitalismus selbst und der Ausschaltung seiner Auswüchse lagen und ihn nicht zerstörten. Die scharfe Einstellung auf die Erreichung dieser Programmpunkte, die sich naturgemäß innerhalb der Demokratie bewegen mußten, führte dazu, daß die Bewegung alles war und das Endziel in der Praxis ausgeschaltet wurde. Aus dieser Taktik heraus, kam die sozialdemokratische Bewegung (II. Internationale) zu Annäherungen und Kompromissen mit den kleinbürgerlichen liberalen Parteien. Anstelle der sozialdemokratischen Gemeinschaft trat der nationale Staatsgedanke, der unter Ignorierung der Klassengegensätze die Allgemeinheit des Volkes an die Stelle der weltumfassenden Gemeinschaft aller Proletarier setzte. Von da war nur noch ein kurzer Sprung zur ideellen und materiellen Verpflichtung auf diesen demokratischen Staat, zum Sozialpatriotismus unter dem Banner der Demokratie verwandelte sich der Schlachtruf des Kommunistischen Manifestes: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ in die Losung: „Arbeiter aller Länder kämpft für Euer Vaterland“. Die nationale Festlegung des Proletariats sprengte die II. Internationale und schlug der internationalen Solidarität schwere Wunden.

Die Proklamierung des Burgfriedens drängte den Klassenkampfgedanken immer mehr zurück und ebnete den Weg zur Arbeitsgemeinschaft. Die harte Wirklichkeit des Krieges trieb allmählich größere Massen in einen Gegensatz zu dieser sozialpatriotischen Einstellung. Ein Teil verfiel dem bürgerlichen Pazifismus, der während des Krieges im sozialistischen Gewande auftrat und den Kern einer zentristischen Bewegung bildete. Aus ihr kristallisierte sich im Laufe der Entwicklung die zweieinhalbe Internationale. Ein kleiner geschlossener und energischer Teil der Arbeiterklasse blieb dem Klassenkampfgedanken treu und versuchte, durch ihn den Krieg den revolutionären Kampf durch Beseitigung des Kapitalismus zu überwinden. Den Standpunkt hierfür bildeten in Deutschland der Spartakusbund und die Internationale Sozialisten (Linksradikalen), die den Gedanken der Internationalität wieder in die Welt trugen.

Der erste Erfolg der revolutionären Tätigkeit war die Erhebung vom Jahre 1917 in Rußland. Sie führte zum Sturze des Zarismus und zunächst zur Aufrichtung einer bürgerlichen Republik, die nach kurzem Bestehen von den Arbeitern und Bauern unter Führung der Bolschewiki durch eine Räterepublik abgelöst wurde. In der ersten Zeit betrachtete Sowjetrußland es ab eine vornehmste Aufgabe, die Revolution im internationalen Maßstabe weiter zu treiben. Es wurde dabei von der Erkenntnis geleitet, daß die vorliegende Krise des Weltkapitals, weil sie eben seine Todeskrise ist, nur durch eine Weltrevolution überwunden werden können.

Der weitere Verlauf des Krieges brachte den militärischen Zusammenbruch der Mittelmächte. Damit zerbrach auch die Autorität ihrer herrschenden Klassen. Diese verloren jede Haltung, dankten ab und räumten dem Proletariat das Feld. So fiel der Arbeiterklasse die politische Macht wie eine überreife Frucht in den Schoss.

Das Proletariat wußte mit dieser Macht nichts anzufangen. Es begriff nicht, welche Aufgaben es in einer sozialen Revolution zu lösen hatte, daß es jetzt nach der Ergreifung der politischen Macht darauf ankam, den Kampf um die Produktionsmittel auf der Grundlage der Räte aufzunehmen, um die kommunistische Wirtschaft aufzurichten.

Während das Proletariat sich über die Art und Weise der Durchführung in leeren Diskussionen erschöpfte, handelte die Bourgeoisie. Mit großer Tatkraft und Umsicht sammelte sie ihre zersprengten Kräfte. Sie trat zuerst nicht offen auf, sondern benutzte die Sozialdemokratie als Vorspann, welche – aus Angst vor den Folgen einer ganzen Revolution mit all ihren Unsicherheiten – in einem langsamen, ruhigen Wiederaufbau der Wirtschaft auf kapitalistisch-demokratischer Grundlage die einzige Lösung sah. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften ergriffen freudig die ihnen gebotene Hand des Bürgertums. Sie bogen zu diesem Zweck den Gedanken der sozialen Revolution um und stellten die kapitalistische Wiederaufbaupolitik als Voraussetzung des Sozialismus hin. Die notwendige Folge dieser Politik war, daß sie zum Henkersknecht des revolutionären Proletariats wurden und der Bourgeoisie die schmachvollsten Schergendienste leisteten, in ihrem Eifer für die kapitalistische Ausbeutungsordnung übertrafen sie noch den Kommuneschlächter Galliffet.

Der Krieg hatte nicht nur große Veränderungen in der Struktur der Wirtschaft der Mittelmächte hervorgebracht, sondern auch die Wirtschaft der Siegerstaaten und Neutralen in ihren Grundfesten erschüttert. Während die Mittelmächte auch äußerlich die typischen Auflösungserscheinungen aufwiesen, schienen die Siegerländer weniger betroffen. Aber schon der Inhalt der Friedensbestimmungen zeigte, wie stark in Wirklichkeit ihre Wirtschaft zusammengebrochen war. Durch die Friedens-bestimmungen wollten die Sieger aus den Unterlegenen die Mittel zum eigenen Wiederaufbau erpressen ohne Rücksicht auf die gegenseitige Abhängigkeit, die durch die wirtschaftliche Verflechtung im modernen Kapitalismus geschaffen ist. Dieser Rettungsversuch erwies sich als undurchführbar; die nationalen Gegensätze, die noch vorhanden und unüberblickbar waren, standen ihm entgegen. Der wirtschaftliche Zerfall nahm daher seinen ungehemmten Fortgang und zwang das Kapital, Wege für eine Wiederaufbaupolitik auf internationaler Basis zu suchen. Es hatte sich herausgestellt, daß die bisher verfolgte rein nationale Einstellung den Gesetzen und Bedürfnissen der entwickelten kapitalistischen Wirtschaft widersprach.

Doch auch die internationalen Verständigungsversuche endeten bisher noch jedesmal mit einem verschärften Chaos und im ganzen in einer allgemeinen Desorganisation.

Getreu ihrer Einstellung folgten die Sozialdemokraten und Gewerkschaften sklavisch den einzelnen Etappen der kapitalistischen Wiederraufbaupolitik. In den Ententestaaten unterstützen sie die rein auf nationalistischer Grundlage aufgebauten Friedensbestimmugen, während sie bei den Mittelmächten den kapitalistischen Gruppen ihre Hilfe liehen, die durch die Erfüllungspolitik die nationale Wirtschaft zu retten trachteten. Damit verloren sie den letzten Rest von proletarischem Charakter und wurden zu Anhängseln ihrer kapitalistischen Fronherren. Sie hielten noch an dieser Taktik fest, als schon durch Sabotage und infolge des weiteren Zerfalls der kapitalistischen Wirtschaft die Erfüllungspolitik von der Bourgeoisie aufgeheben wurde. selbstverständlich griffen sie den Gedanken der interkapitalistischen wirtschaftlichen Verständigung wieder auf und suchten auf dieser Basis die zersprengten Teile der alten Internationale wieder nie zu formieren.

Mit dem Zusammenbruch der internationalen Verständigungsversuche und dem darauffolgenden nationalistischen Rückfall insbesondere des französischen Kapitals reihte sich die deutsche Sozialdemokratie in die Abwehrfront des deutschen Kapitals bindungslos ein. Sie entwickelte sich von der Erfüllungspolitik zur Sabotage der Erfüllungspolitik. Den umgekehrten Weg ging die k.p.d.

III.

Die k.p.d. nahm im Anfang gegenüber dem Versailler Frieden eine durchaus revolutionäre Stellung ein. Sie betonte, daß das Proletariat sich seine Politik nicht von Abmachungen der Bourgeoisie diktieren lassen, daß nur sein Interesse als Klasse ausschlaggebend sein dürfe. Der Versailler Frieden sei der offensichtliche Beweis, daß der durch den Krieg gemachte gewaltsame Versuch, die Widersprüche der kapitalistischen Ordnung zu überwinden gescheitert sei. Nach ihrer Auffassung war sein Inhalt der Versuch die durch den Krieg noch verschärfte allgemeine Krise auf Kosten des unterlegenen Teils zu beheben. Die Friedensschlüsse waren die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, hauptsächlich wirtschaftlicher Art. Es sei nicht Aufgabe des Proletariats, für die Einhaltung und Durchführung der Friedensbestimmungen als gehorsamer Lakai der Bourgeoisie einzutreten. Das Proletariat müsse vielmehr diesem kapitalistischen Machwerk gegenüber sein Klasseninteresse sofort durch eine revolutionäre unmittelbar auf die endgültige Überwindung des Kapitalismus hinziehende Politik vertreten und dürfe nicht in der Unterstützung spezieller Interessen seiner Bourgeoisie und sein Klasseninteresse erblicken. Ebenso verwarf die k.p.d.die pazifistische Einstellung eines Teils des Proletariats (u.s.p.d.) gegenüber den Versailler Frieden, der von der Arbeiterklasse die Unterstützung einer „ehrlichen“ Erfüllungspolitik verlangte. Diese pazifistische Gruppe stellte als die Aufgabe des Proletariats hin, das Kapital zu zwingen, jede kriegerische Auseinandersetzung zu unterlassen Demgegenüber stellte damals die k.p.d. fest, die Parole: „Nie wieder Krieg“ fasse alle kleinbürgerlichen Elemente zusammen, die in feigem Ausweichen vor den Aufgaben einer revolutionären Politik sich zum kapitalistischen Wiederaufbau bekannten. Das Proletariat habe vielmehr die Pflicht, Erfüllungspolitik zu sabotieren, weil diese nur auf Grund einer noch gesteigerten, bis zur völligen Verelendung führenden Ausbeutung des Proletariats möglich sei. Diese Sabotage dürfe aber keineswegs ein Zusammengehen mit den scheinbar in gleicher Richtung von gehenden nationalistischen Elementen zur Folge haben.

In Konsequenz dieser Stellung verneinte die k.p.d. eine parlamentarische Betätigung und verwarf die alten gewerkschaftlichen Organisationen, weil diese leiden Träger der Erfüllungspolitik waren. Die k.p.d. vertrat den Standpunkt, daß eine wirksame Durchführung der proletarischen Politik nur in einem Zusammengehen des deutschen und russischen Proletariats möglich sei. Diese Vereinigung würde dem französischen Proletariat beweisen, daß die von Rußland ausgehende revolutionäre Bewegung ihre Fortsetzung in Deutschland finde, und somit die ersten Schritte einer revolutionären Bewegung im Weltmaßstabe vorhanden seien. Der damit notwendigerweise verbundene Sturz des deutschen Kapitals würde die Proletarier der anderen kapitalistischen Länder zwingen, dazu Stellung zu nehmen und der Herrschaft ihres Kapitals ein Ende zu bereiten. Das sei auch die einzige Garantie und Grundlage für eine „proletarische Erfüllungspolitik“, die als Selbstverständlichkeit in einer proletarischen Solidarität begründet sei. Die Sowjetregierung unterstützte diese Taktik der KPD um ihre Stellung in Rußland zu halten, da sie ohne Hilfe des europäischen Proletariats den Aufbau einer kommunistischen Wirtschaft nicht durchführen konnte. Trotz allen Drängen verlangsamte sich jedoch das Tempo der westeuropäischen Revolution. Dazu kamen die fortwährenden militärischen Angriffe und die wirtschaftliche Blockade des internationalen Kapitals und der Bürgerkrieg im Innern, so daß die russische Wirtschaft völlig zusammenbrach. Damit änderte sich auch die Taktik der Sowjetregierung. Sie ging dazu über, den Aufbau der russischen Wirtschaft als die Grundlage der internationalen Politik zu betrachten und ordnete damit die internationalen Interessen den nationalen unter. Den einzigen Weg sah sie einer Anlehnung an das Weltkapital, das sie zum russischen Aufbau zu Hilfe rief. Sie geriet dadurch in eine immer stärkere Abhängigkeit vom Weltkapital und mußte die in der III. Internationale zusammengeschlossenen revolutionären Arbeitermassen durch die Kominternsektionen zwingen, eine Stellung zu ihrer nationalen Bourgeoisie einzunehmen, die den russischen Staatsnotwendigkeiten entsprach. Dazu gehört auch der Verzicht auf eine revolutionäre Taktik. Die III. Internationale mußte sich der sozialdemokratischen Ideologie nähern und den Anschluß an den Parlamentarismus und die Gewerkschaften suchen. Sie wurde dadurch gezwungen, auch deren Außenpolitik zu übernehmen. Um aber dem Druck der unter ihrer Fahne stehenden Massen Rechnung zu tragen, verkleidete sie diese reaktionäre Politik mit der radikalen Phrase und zerrte alle sozialdemokratischen Parolen ins Extremste; sie übernahm den kapitalistischen Aufbau und landete schließlich beim wildesten Nationalismus.

IV.

Von sämtlichen Arbeiterparteien hat allein die k.a.p. die rein revolutionäre Linie gewahrt. Sie ist organisatorisch und politisch die direkte Verfolgerin jener beiden Gruppen, die auf dem Vereinigungsparteitag vom Dezember 1918 sich zur Kommunistischen Partei (Spartakusbund) zusammenschlossen, und sie hat aus dem rückläufigen Entwicklungsprozeß der k.p.d. die gesunden revolutionären Elemente, hauptsächlich der führenden „i.k.d.“ Internationalen Kommunisten Deutschlands herausgerettet.

Das erste Programm der k.a.p.d. knüpfte im Wesentlichen an das Spartakusprogramm an. Er beruht wie dieses auf antiparlamentarischer und antigewerkschaftlicher Basis und hat mit ihm die antilegale Einstellung gemeinsam. Das Rätesystem ist ihm Ausdruck proletarischen Wollens und das Mittel zum Aufbau der kommunistischen Wirtschaft. Beide Programme stimmen darin überein, daß sie die jetzige Krise des Kapitals als dessen Todeskrise erkannt haben und hieraus die Konsequenzen ziehen, daß jetzt das Proletariat die Aufgabe hat, seine Diktatur mit Hilfe der Räte aufzurichten. Auf dieser Grundlage hat die k.a.p. ihre außen- und innerpolitische Haltung aufgebaut. Jede ihrer Maßnahmen war von dem Gesichtspunkt geleitet neben der Verbreitung der Erkenntnis des objektiven Zusammenbruchs die subjektiven Voraussetzungen für die Ergreifung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse zu schaffen. Den Versuchen der internationalen Bourgeoisie, die Arbeiter vor den Wagen ihrer Wiederaufbaupolitik zu spannen, hat die KAPD. den entschiedensten Widerstand entgegensetzt. Sie lehnte die von dem deutschen Kapital eingeleitete Erfüllungspolitik in allen ihren Phasen ab, ebenso den zuletzt in Szene gesetzten Versuch einer offenen Sabotage dieser Politik. Sie war der unerbitterlichste Gegner jeder kapitalistischen Politik. Sie hielt an der Erkenntnis, daß der Versailler Frieden und die übrigen Friedensschlüsse in keiner Weise Berührungspunkte mit einer proletarischen Politik hätten, vor allen Dingen nicht zur Richtschnur werden durften. Sie ließ sich auch als die revolutionäre Welle vorübergehend abebbte, nicht wie die KPD. in ihrer klaren Einstellung beirren. Sie zog eine Trennung von den opportunistischen Elementen einer Preisgabe ihrer revolutionären Taktik vor. Sie lehnte es ab, der parlamentarischen Demokratie Konzessionen zu machen, um auf solche Weise eine künstliche Massenbewegung aufzupäppeln, selbst auf die Gefahr hin, als Sekte verschrien zu werden. Die KAP. war sich darüber klar, daß ein Nachgeben gegenüber den mit dem Parlamentarismus verknüpften Illusionen eine erhebliche Schwächung des Klassenkampfsgedankens zur Folge haben und in der bürgerlichen Demokratie enden musste. Die demagogischen Parolen von antiparlamentarischem Parlamentarismus erkannte sie als Schwindel, der nur den Rückzug ins opportunistische Lager verdecken sollte. Die Schwenkung der k.p.d. nach rechts folgte bald, auch die der gesamten III. Internationale, die nach und nach ein Instrument der russischen Staatspolitik wurde. Daher sah sich auch die k.a.p. die anfangs doch mit dieser Bewegung sympathisierte, gezwungen, einen scharfen Trennungsstrich zu ziehen. Die k.a.p. ging, unabhängig von allen äußeren Einflüssen, auf sich selbst angewiesen, den geraden Weg revolutionärer Erkenntnis.

Noch steht die breite Masse bei den sozialistischen Partei und der k.p.d., noch glaubt sie an die Zukunft des Kapitalismus und die Rettung, durch den Kapitalismus, aber die Dialektik des wirklichen Lebens wird mit ehernem Tritt diese Illusionen zerstampfen und den Boden vorbereiten für die Erkenntnisse der k.a.p. und damit für den Kommunismus.


Zweiter Teil. Die Rolle und Bedeutung der Kommunistischen Arbeiter-Partei im Befreiungskampf der Arbeiterklasse, ihr Verhältnis zu den Gewerkschaften und parlamentarischen Parteien, sowie ihre Stellung zur Allgemeinen Arbeiter-Union, Jugendfrage und zur Kommunistischen Arbeiter-Internationale. Richtlinien zur Agrarfrage.

I.

Der Untergang des Kapitalismus mit seinen Anstrengungen, sich eine Atempause zu verschaffen, bedeutet für das Proletariat eine wachsende Steigerung seines Elends und fortschreitende Unsicherheit seiner Existenz; in letzter Auswirkung können diese Erscheinungen zur völligen Zersetzung der proletarischen Klasse führen. Anderseits ist die Entwicklung der Produktionskräfte auf einem Punkt angelangt, wo die Umwandlung der Produktionsordnung unter proletarischen Gesichtspunkten das dringendste Lebensinteresse der Gesellschaft ist und den Ausblick auf gesteigerte Lebensmöglichkeiten und auf eine neue Gesellschaftsordnung auf höherer Basis bietet. Das Proletariat hat daher in der jetzigen Epoche die historische Aufgabe, alle Kräfte anzuspannen, um die Gegensätze der kapitalistischen Ordnung durch die Diktatur zu überwinden und die kommunistische Bedarfswirtschaft aufzubauen.

Mittel und Art des Kampfes werden bestimmt durch die gesellschaftlichen Gesetze. Die Mehrzahl des Proletariats glaubt aber noch, mit den alten Organisationsformen seine Lebenshaltung weiter innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft verbessern zu können. Die Erkenntnis von der Unabwendbarkeit des kapitalistischen Zusammenbruchs, von der daraus folgenden Notwendigkeit, den Klassenkampf direkt auf das Ziel der kommunistischen Bedarfswirtschaft einzustellen, ist beim Proletariat noch in ganz unzureichendem Masse vertreten. Es verkennt dabei, daß jede Organisationsform einer bestimmten Zeitepoche entspricht und nur innerhalb dieser ein Element des geschichtlichen Fortschritts sein kann.

Während der Periode des Frühkapitalismus erkannten die Proletarier, daß sie den verelendenden Tendenzen des Kapitalismus nur durch organisatorischen Zusammenschluß entgegentreten konnten. Sie gründeten Berufsorganisationen zu dem ausschließlichen Zweck, bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Mit dem allgemeinen Aufschwung des Kapitalismus entfaltete sich auch in immer stärkerem Maße die politische Arbeiterbewegung, die in einen stetig stärker werdenden Gegensatz zu der nach Selbständigkeit strebenden Gewerkschaftsbewegung geriet. Nach der Ansicht des politisch organisierten Teils der Arbeiterschaft bestand nur die Möglichkeit, durch Wahlkämpfe und parlamentarische Aktionen die wirtschaftliche Lage des Proletariats zu verbessern. Durch Eroberung der in bürgerlichen Händen befindlichen Mandate sollte der Einfluss auf den Staatspparat wachsen. Durch allmähliche Eroberung des Staates auf parlamentarisch-demokratischer Grundlage sollte der Weg zum Sozialismus gebahnt werden Gedacht war eine einheitliche politische Organisation, die eine selbständige Gewerkschaftsbewegung als überflüssig erscheinen ließ. Auch wurde befürchtet, daß durch Errichtung von Berufsorganisationen den Arbeitern der Gedanke der Notwendigkeit des politischen Kampf und der politischen Organisation verdunkelt würde gegenüber der starken Einspannung für die Berufsinteressen. Die Entwicklung der stetig wachsenden Berufsvereinigungen bewegte sich auf der Linie der Verselbständigung und Zentralisation der lokalen Organisationen, die zur Zusammenfassung aller lokalen Organisationen in örtliche Gewerkschaftskartelle führte. Es erfolgte dann die Zusammenfassung aller gewerkschaftlichen Organisationsform in einer Spitze, der Generalkommission. Diese schuf sich im Korrespondenzblatt ein Organ zur einheitlichen geistigen Führung aller angeschlossen Organisationen. Damit siegte der Gedanke der zentralistisch-reformistischen Gewerkschaften.

Mit dem Wachsen der Industrie bekam das Proletariat beständigen Zuwachs. Durch die fortschreitende Entwicklung der Technik wurden die Existenzbedingungen für den selbständigen Handwerkmeister und den kleinen Unternehmer immer schwieriger. Der Großbetrieb brachte den Produktionsprozeß auf eine höhere Stufe und zerstörte die Lehensfähigkeit der Kleinbetriebe. Besonders starken Zufluss erhielt das Proletariat durch die proletarisierten Bauernmassen. Die Entwicklung der Gewerkschaften hing damit eng zusammen. Der Kampf um die Lebenshaltung der Lohnarbeiter wurde von dem Auf und Nieder der kapitalistischen Wirtschaft stark beeinflußt. Während einer Konjunkturperiode suchten die Gewerkschaften Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzielen. Diese Taktik hatte einen Erfolg, weil dem Unternehmer daran lag die Konjunktur auszunutzen. Dies war nur möglich, wenn keine Störungen durch Lohnkämpfe erfolgten. Infolge der Steigerung des Profits waren die Unternehmer in der Lage und auch bereit, zu Zugeständnisse zu machen. Diese Zugeständnisse, die durchaus im Interesse der ruhigen Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft lagen, wurden von den Gewerkschaften als ihre Erfolge gebucht und ungeheuer aufgebauscht: In den Zeiten der Krise ging das Kapital dazu über, den Arbeitern ihre Erfolge zu entreißen. Diesem Bestreben suchten die Gewerkschaften zu begegnen durch die Tarifpolitik. Sie bezweckten mit ihr, das Unternehmertum auch für die Zeiten der Stagnation auf die in der Konjunkturperiode erzwungenen Zugeständnisse festzulegen. Lange Jahre bildete der Kampf um die Tarife und der Ausbau der Tarifpolitik die wesentlichste Aufgabe der Gewerkschaften. Sie wurden in dieser Tendenz bestärkt durch die sich immer enger und kräftiger in Kartellen und Trusts zusammenschließenden Unternehmer. Die Tarifpolitik der Gewerkschaften war im Anfang als ein Mittel der Führung des Klassenkampfes gedacht. In ihren Auswirkungen führte sie zu einer Annäherung an das Kapital und Ausschaltung des Klassenkampfes und wurde auch von dem Unternehmer in diesem Sinne gewertet und genutzt. Die Gewerkschaften wurden die Gefangenen dieser Politik. Aus dieser Taktik entwickelte sich zwangsläufig die Arbeitsgemeinschaft.

II.

Der Gedanke der Arbeitsgemeinschaft, zuerst von den Gewerkschaften zum Zweck besserer Ausnutzung der Tarifpolitik propagiert, wurde vom Unternehmertum erst bekämpft, dann aber unter dem Druck des drohenden Zusammenbruchs am Ende des Krieges aufgegriffen. Die Gewerkschaft wollte durch die Arbeitsgemeinschaften eine Besserung der Lebenshaltung des Proletariats erreichen, ohne dabei die Steigerung des kapitalistischen Profits zu gefährden. Beides zusammen ist aber nur möglich durch die Höherentwicklung der Technik und Vermeidung von Absatzstockungen. So verbanden sich die Gewerkschaften auf Gedeih und Verderb mit ihrer nationalen Wirtschaft. Sie wollten sich ihre Stellung und Höherentwicklung durch die Anlehnung an die kapitalistische Wirtschaftsordnung sichern und wurden dadurch in ihren Untergang mit hineingerissen. Der Schein der Internationalität der Arbeiterbewegung wurde dadurch gewahrt, daß man versuchte, die national gewonnenen „Errungenschaften“ durch internationale Abmachungen zu sichern. Dies ist der Grundgedanke, der der Taktik der sogenannten Amsterdamer Internationale zu Grunde liegt. Der in der Arbeitsgemeinschaft inbegriffene nationale Gedanke zwang sie auch in die imperialistische Politik ihrer nationalen Kapitalisten hinein. Für sie war der Krieg nicht ein Versuch des Kapitals, die unlösbaren Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft mit Gewalt auf Kosten der Arbeiterklasse zu beseitigen, sondern eine Verteidigung gemeinsamer Volksinteressen gegen den „bösen Feind“.

War schon vorher praktisch jede revolutionäre Einstellung als angeblich zweckwidrig aufgegeben und deshalb bekämpft worden, so ging man jetzt offen zur Feststellung gemeinsamer Interessen über und proklamierte den Burgfrieden zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse, d. h. zwischen Kapital und Arbeit. Dies bedeutete in Wahrheit eine Kriegserklärung an den internationalen Gedanken und die internationalen Interessen der Arbeiterklasse und ein Aufgeben des Klassenkampfes. Die Gewerkschaftsbürokratie ging so weit, ihre Organisationen für die Kriegszwecke der Bourgeoisie in weitestem Umfange ideell und materiell zur Verfügung zu stellen. Selbst die Aufrichtung der russischen Räterepublik und der der Zusammenbruch des deutschen Imperialismus hinderte sie nicht, die kopflos gewordene Bourgeoisie zu retten um sich mit vollen Kräften für den Wiederaufbau der kapitalistischen Ausbeutung einzustellen.

Diese Haltung der Gewerkschaften ergab sich aus einer klaren Erkenntnis ihrer Existenzbedingungen die an den Fortbestand der kapitalistischen Wirtschaftsordnung gebunden sind. Infolgedessen waren sie gezwungen, zum offenen Kampf gegen die revolutionären Teile der Arbeiterschaft überzugehen und im Verein mit der Bourgeoisie die Niederwerfung der revolutionären Arbeiter zu organisieren. Es gelang so das Gesamtproletariat schließlich von seinen geschichtlichen Aufgaben abzulenken.

Ihre konterrevolutionäre Tendenz haben die Gewerkschaften während der ganzen Periode der deutschen Revolution bis zum heutigen Tage bewährt. Die Gewerkschaftsbürokratie und die Sozialdemokratie haben am stärksten den Rätegedanken bekämpft, als er in der deutschen Arbeiterklasse Wurzel zu schlagen begann. Wo immer aus den ökonomischen Massenaktionen die politischen Tendenzen sich folgerichtig heraushoben und das Ziel die Ergreifung der Macht, erkennen ließen, da verstanden Gewerkschaften und SPD diese Entwicklung erfolgreich abzuwehren. Zahlreiche Unternehmer in Deutschland erklärten nur noch Arbeiter einstellen zu wollen, die einem gewerkschaftlichen Verbande angehörten. Damit ist vor aller Welt enthüllt, daß die Gewerkschaftsbürokratie die zuverlässigste Stütze des kapitalistischen Systems ist.

In allen Ländern mit hochkapitalistischer Entwicklung wird die Illusion von der Demokratie und der Glaube an die unerschütterliche Beständigkeit der kapitalistischen Wirtschaft ausgedrückt und verkörpert in den alten Arbeiterorganisationen. In der Epoche die durch den Weltkrieg eingeleitet ist, haben sie keine Existenzberechtigung mehr. Diese Epoche verlangt den Aufbau von Organisationen die das Proletariat als Klasse in den Kampf führen und zugleich Fundament sind für den Aufbau der kommunistischen Wirtschaft. Solche Organisationen aufbauen kann nur gleichbedeutend sein mit einem Kampf zur Zertrümmerung der Gewerkschaften. Beides wird aufgehalten durch die Illusion die von der k.p.d. in den Massen verbreitet wird: man könne die Gewerkschaften von Innen heraus durch Bildung kommunistischer Zellen revolutionieren und sie so wieder zu Klassenkampforganen machen. Zu diesem Zweck müsse man in den Gewerkschaften verbleiben, um sie zu erobern.

Die Zellentaktik beruft auf dem Trugschluß, daß das bisherige Versagen der Gewerkschaften eine Folge des Versagens der Führer. Dies bedeutet eine Preisgabe der aus der materialistischen Geschichtsauffassung gewonnenen Erkenntnis, daß die Menschen Produkte ihrer Verhältnisse sind. Durch einen Wechsel von Führern kann keine Veränderung des Charakters einer Organisation herbeigeführt werden. Dort wo die Zellentaktiker sich durchsetzten, wurden sie durch die Macht der Verhältnisse bald wieder in die alten Bahnen der Gewerkschaftlichen Politik hineingedrängt.

Die Zellentaktik kann in hochentwickelten Ländern gegenüber den Gewerkschaften theoretisch in zwei verschiedenen Richtungen einen gewissen Erfolg haben. Sie kann entweder zu dem gewünschten Ziel der Eroberung oder zur Sprengung und Spaltung führen. Im Falle der Eroberung erobern die Kommunisten eine für die Revolution unbrauchbare Waffe. Im zweiten Fall zerstören die Kommunisten eine Waffe der Konterrevolution und setzen an ihrer Stelle eine neue. Aber in beiden Fällen hat sich die Arbeiterschaft kein für die soziale Revolution und setzen ihre Kämpfe brauchbares Instrument geschaffen.

Die Auseinandersetzungen in den deutschen Gewerkschaften zeigen, daß die gewerkschaftliche Bürokratie sehr frühzeitig dazu übergeht, die ihnen gefährlich werdenden Zellentaktiker aus den Gewerkschaften auszuschließen, um die Bewegung in Keime zu ersticken. Sie beruft sich dabei auf die organisationszerstörende Wirkung. Wollen die Kommunisten diesem Argument begegnen, so sind sie gezwungen sich möglichst weit im Rahmen der überlieferten Gewerkschaftspolitik zu halten. Damit hemmen sie selbst die revolutionäre Klärung der Massen und verfallen dem Opportunismus. Die Besetzung des Gewerkschaftsapparates durch Mitglieder einer kommunistischen Partei ist keine Eroberung der Gewerkschaften für den Kommunismus, sondern nur eine parteipolitische Maßnahme zur Verbilligung des eigenen Parteiapparats. Durch die Loslösung von der Masse muss jeder Gewerkschaftsbeamte von einer proletarischen Einstellung zu einer kleinbürgerlichen kommen. Die Aussicht auf solche Posten wird stets zur gegebenen Zeit routinierte Elemente anlocken, die die Arbeiterbewegung für sich zu einem einträglichen Gewerbe machen.

III.

Mit dem Zusammenbruch des Kapitalismus und dem Zusammenbruch der nationalen Staaten löst sich der Staatsapparat in seiner alten nationalen Form auf. Das Privatkapital sucht immer stärker den Staat zu durchdringen und sich von seiner Autorität freizumachen. Die Gewerkschaften dagegen suchen den autoritären Charakter des Staates noch zu wahren. In der Zeit kapitalistischer Entwicklung und Blüte hatte der Staat nicht nur die Funktion die ausbeutende Klasse im Besitz ihrer Privilegien zu erhalten, sondern auch die ungestörte Fortdauer dieser Ausbeutung dadurch zu schützen, daß er den allzu offenen Ausbruch der Klassengegensätze verhinderte und so im Interesse der Gesamtklasse der Kapitalisten unter Umständen auch gegen gefährliche Missgriffe einzelner Mitglieder der kapitalistischen Klasse einschritt. Die gesamte Sozialpolitik ist ein Beispiel für diese – die Klassengegensätze einschränkende – Tätigkeit des Staates in einer kapitalistischen Blütezeit. Hieraus entstand auch die für den Betrug der Ausgebeuteten bestimmte Ideologie von einem angeblich über den Klassen stehenden, eine sogenannte Volksgemeinschaft repräsentierenden Staat. Diesem Betrug hatten die Gewerkschaften sich schon im Kriege ausgeliefert. Als nach dem Kriege die staatszerstörende Wirksamkeit des zusammenbrechenden Privatkapitals immer sichtbarer wird, bleibt den Gewerkschaften in ihrer Angst vor dem offenen Zusammenprall der feindlichen Klassen nichts anderes übrig, als sich in den Staat organisch einzugliedern und sich der staatszerstörenden Entwicklung des Kapitalismus entgegenzustemmen. Ihr materialer und ideeller Zustand lässt es ihnen geboten erscheinen, den übriggebliebenen Teil des abbröckelnden Staates für sich nutzbar zu machen. Damit ist Charakter und Funktion der Gewerkschaften als Klassenkampforganisation endgültig erledigt. Sie scheiden aus diesem Grunde als Organe für den Aufbau der kommunistischen Wirtschaft. Will das Proletariat seine geschichtliche Aufgabe durchführen, muss es die alten Organisationen zertrümmern und sich neue Organe des Klassenkampfes schaffen, die nach Form und Inhalt den Notwendigkeiten der sozialen Revolution gerecht werden. Die ersten Ansätze dazu sind die Kommunistische Arbeiter-Partei und die Allgemeine Arbeiter-Union.

Die Allgemeine Arbeiter-Union ist die Zusammenfassung des Proletariats als Klasse in den Betrieben. Sie ist als Betriebsorganisation nach dem Rätesystem aufgebaut. Ihre Aufgabe ist es, den durch den Untergang des Kapitalismus hervorgerufenen, immer schärfer werdenden Druck auf die Massen, der sich in instinktivem Aufbäumen Luft macht, in von Erkenntnis getragenem Klassenbewußtsein und Willen zur Tat umzuformen. Sie zeigt dem Proletariat die Weise zu den Entscheidungskämpfen und geht in ihnen mit der Tat voran. Nach Eroberung der politischen Macht ist sie auf Grund ihrer inneren Gestaltung als Räteorganisation dazu berufen und befähigt, die kommunistische Wirtschaft aufzubauen.

Die fortgeschrittensten Teile der Allgemeinen Arbeiter-Union haben sich aus der Erkenntnis heraus, daß jeder Befreiungskampf der Arbeiterklasse ohne Unterschied der Motive, aus denen heraus er entsanden ist, gleichzeitig ein politischer Kampf sein muss, zu einer politischen Partei zusammengeschlossen. Das ist die Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands. Sie entstand aus dem Bedürfnis nach einer wirklich proletarischen Partei. Ihr ideologischer Ausgangspunkt war die Erkenntnis, daß die organisatorischen Fundamente aller alten Parteien – von der s.p.d. bis zur k.p.d. – aus rein kapitalistischen Grundsätzen und Erfahrungen geschöpft seien, und daß daher diese vermorschten und versumpften Gebilde keinesfalls mehr zu Waffen des proletarischen Befreiungskampfes von innen heraus umgewandelt werden könnten. Die k.a.p.d. ist die Partei ohne Diktatur von oben und ohne gläubiges Warten von unten. Immer: Gemeinschaft, gegenseitige Ergänzung, fördernde Verständigung, vor allem Einordnung sämtlicher Fragen in das gewollte Ziel, Aktion, Schreiten zur Klarheit, Umwandlung der Trägheit in schöpferische Kraft, kühnes Wagen zur rechten Stunde und rastloses Vertiefen der proletarischen Weltanschauung. Dieses Wollen bedarf zu seiner raschen und gestaltenden Durchführung eines organisatorischen Trägers, der in selbstloser, aufopfernder Arbeit alle Dinge meistert und durchführt, die zu den werbenden und vorbereitenden Aufgaben der Revolution gehören. Die beste Zwecksform für die Vorbereitung des Befreiungskampfes der unterdrückten Klassen ist innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsform eben diese proletarische Partei. Sie ist der Sammelpunkt Gleichgesinnter und Sympathisierender, die von den gleichen, zur proletarischen Revolution drängenden Gedanken getragen werden. Sie ist der Kristallisationspunkt an dem sich der Umwandlungsprozeß geschichtlicher Erkenntnis in kämpfendes Wollen vollzieht. Die Partei ist der organisatorische Apparat; aber die Gesellschaft der Genossen in ihr ist die treibende, lebendige Kraft, ohne die die Partei zum toten Mechanismus herabsinkt. Solidarität ist Gemeinschaft. Wer die nervenzerrüttende illegale Tätigkeit und die lodernde Tage offenen Aufruhrs aktiv kennen gelernt hat, der weiß, daß diese Kämpfe sind in gegenseitigen völligen Vertrauen, mit brüderlicher Liebe und Hilfsbereitschaft und der ganzen Hingabe seiner Persönlichkeit. Gegenseitige Hilfe während der Tage der Vorbereitung und des Kampfes ist nicht die ethische Forderung irgend eines neuen Apostels, sondern sie ist eine der grundlegenden Voraussetzungen zu erfolgreicher Parteiarbeit und viel mehr noch zur siegreichen Durchführung des Kampfes um die Eroberung der politischen Macht. Diese Gemeinschaft der Revolutionäre, die proletarische Partei, ist auf der Grundlage des Rätesystems aufgebaut, wobei das Bestimmungsrecht der Gesamtmitgliedschaft oberster Grundsatz – und der Grundsatz des Aufbaues „von unten auf“ restlos verwirklicht ist. Die ausführenden Organe werden lediglich nach zweckdienstlichen Gesichtspunkten erwählt. Jede politische und öffentliche Handlung derselben muß sich unbedingt der Stellungnahme der Gesamtpartei unterordnen. Die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Genossen bedingt, daß er an den vielseitigen Aufgaben der Partei regen Anteil nimmt, daß er den Wirkungskreis der verschiedenen Tätigkeiten beobachtet und erweitert. Fördernde, gesunde Kritik ist Lebenselement, aber sie muß immer von dem Wollen beeinflußt sein, der revolutionären Bewegung zu dienen.

Während der Zeit der Vorbereitung – und vielleicht auch später noch – ist die wichtigste Aufgabe der Partei nach außen hin die Arbeit an und für die Förderung des Klassen- und Selbstbewußtseins der Arbeiterklasse. Wie immer ist die Entwicklung der wirtschaftlichen und der gewerkschaftlichen Verhältnisse vorausgeeilt, und die Entwicklung des Bewusstseines, besonders der unterdrückten Klasse läuft nur mühselig der voraneilenden äußeren Wirklichkeit hinterher. Der Befreiungskampf der Arbeiterklasse kann aber erst dann zum Siege kommen, wenn das Proletariat selbst in genügendem Umfange zum Bewußtsein seiner Klassenlage und seiner geschichtlichen Aufgabe gelangt ist.

Die geistige Umwälzung, die zu diesem Ziele führt, ist dank der Verschärfung der Klassengegensätze ohnehin im Werden. Sie zeigt sich überall da, wo sich das Proletariat ernsthaft bemüht, die rein bürgerliche Ideologie aus seinem Hirn auszumerzen und dafür alle Eindrücke und Wahrnehmungen bewußt vom Standpunkt des in der Klassenschichtung lebenden und ausgebeuteten Arbeiters aus zu betrachten. In dem Augenblick gewinnen sowohl die Formen des täglichen Lebens als auch jede theoretische Erkenntnis ein wesentlich anderes Bild. Alle Dinge werden nach völliger Umstellung des Dankvermögens im proletarischen Sinne unwillkürlich auf ihre Zweckmäßigkeit für das große Ziel der arbeitenden Klasse, die Revolution, geprüft, kritisch untersucht und, soweit die Möglichkeit vorhanden ist, beeinflußt. Dieser geistige Umwälzungsprozeß vollzieht sich keineswegs in der abgeschlossenen Studierstube, sondern am lebhaftesten in den politischen Aktionen der Massen und als Auswirkung der unvermeidlichen Niederlagen. Ihn mit allen Kräften zu fördern, ist die erste Aufgabe der k.a.p.d. – eine Aufgabe, die die volle Einheit von Denken und Handeln umfaßt, die die sorgfältigste Analyse der Weltkrise ebenso wohl in sich einschließt wie die Organisation und Führung des bewaffneten Aufstandes.

Die jetzige Endkrise des Kapitals mit allen ihren fürchterlichen Folgeerscheinungen und Leiden kann nur abgekürzt und beendet werden durch den ernsten und heroischen Klassenkampf. Das ist ein revolutionäres Grundgesetz. Es geht nicht an, einfach mit einem Achselzucken darüber hinwegzugehen und zu denken. Wenn es so weit ist, werden wir schon wissen, was wir zu tun haben. – Das ist die Politik der verpassten Gelegenheiten. Es kommt im Gegenteil gerade darauf an, diesen Dingen in die Augen zu sehen. Die weit verzweigte und vorausschauende Politik der Kommunistischen Arbeiter-Partei und alle dadurch bedingten Handlungen müssen bewußt auf diesen kommenden Kampf eingestellt sein, so daß zu gegebener Stunde auch Zentren eines revolutionären Wollens vorhanden sind. Das geschieht durch organisatorisch straffe Zusammenfassung des bewußten Teiles des Proletariats innerhalb der Kommunistischen Arbeiter-Partei. Allerdings erst in der Aktion selbst kann und wird sich zeigen, was gesund und willensstark, und auf der der anderen Seite, was faul und morsch ist. Erst wenn Trommeln in der Nacht erschallen, wenn der Aufruhr in den Straßen lodert und im Empörerwillen revolutionäres Leben quillt, gilt der Revolutionär, d er von unten auf zu jeder Zeit und Stunde selbstbewußt im Dienste der Partei und im Rahmen der Gemeinschaft unermüdlich tätig war.


Leitsätze der Jugendorganisation

Die kapitalistische Profitwirtschaft kennt bei ihrer Ausbeutung keine Altersunterschiede. Darum ist die proletarische Jugend kein besonderer Teil für sich, sondern gehört zum Gesamtproletariat. Ihr Kampf ist der Kampf der gesamten proletarischen Klasse.

Die Förderung des Selbstbewußtseins und des Selbstvertrauens der Jugend ist eine der wichtigsten Aufgaben der k.a.p.d., denn aus der Jugend wächst die zukünftige Generation der Revolutionäre. Die besondere Art des Denkens beim Jugendlichen erfordert eine organisatorische Anpassung. Das kann am besten erreicht werden, indem sie die Jugend zu einer eigenen Organisation formiert. Die Jugend muß sich selbst ihren Weg bahnen. Die Existenz einer selbständigen Kommunistischen Arbeiterunion ist deshalb eine unbedingte Notwendigkeit.

Kampfesweise und Ziel der Partei und Jugend ist dasselbe; nur ihr Wirkungskreis ist ein verschiedener. Wenn die k.a.p. den zielklaren aktivsten Teil des Proletariats in sich vereinigt, so ist die k.a.j. die Vereinigung des klassenbewußten Jungproletariats. Jugend und Partei sind nicht zwei verschiedene Waffen, sondern nur zwei Enden einer Waffe: der politischen Organisation.

Durch den politischen Kampf wird die Jugend selbst zu höchster Kraftentfaltung gezwungen, die uns die Gewißheit gibt, daß sie mit aller Klarheit und Entschlossenheit ihre großen Aufgaben erfüllt.

Der Jugend in ihrem Kampf jede irgendmögliche Unterstützung zuteilwerden zu lassen, ist Pflicht der k.a.p.d.


Leitsätze zur Kommunistischen Arbeiter-Internationale

Die Profitordnung ist eine internationale Erscheinung. Sie hat die Welt mit ihren Fäden umsponnen und zieht bei ihrem Sterben die ganze Welt mit in dem Abgrund. So oft auch die Versuche des Proletariats zu ihrer Überwindung national begannen, so können sie doch nur in internationalem Maßstabe geführt den Sieg gewährleisten. Der Klassenkampf ist international; die proletarische Revolution kann sich nicht, wenn sie siegen will, innerhalb geschlossener Landesgrenzen abspielen. Sie ist eine Weltrevolution. Schon bei den ersten Kämpfen kam dem Proletariat die Bedeutung der Internationalität zum Bewußtsein. Durch die gesamte Arbeiterbewegung zieht sich, wie ein roter Faden der Versuch, eine internationale Kampffront aufzurichten.

Schon der „Bund der Kommunisten“ war eine internationale Organisation, die in den einzelnen Ländern ihre nationalen Sektionen hatte. Der eng begrenzte, sektiererische Rahmen des „Bundes der Kommunisten“ mit seinem konspirativen Charakter wurde gesprengt durch die Entstehung des modernen Proletariats nach der Revolution von 1848.

Am Vorabend der bürgerlichen Revolution in Deutschland erschien von Marx und Engels das „Kommunistische Manifest“. Dieser Meilenstein in der Geschichte des Sozialismus war die theoretische Vorwegnahme der Internationalität der Arbeiterbewegung. Das Manifest mit seinem Schlußwort: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ half, die nach der bürgerlichen Revolution niedergeschlagene Arbeiterbewegung wieder aufzurichten.

Dem sich rüstenden Proletariat wurde die Notwendigkeit einer Internationale durch die internationale Entwicklung des Kapitalismus immer mehr eingebläut. Es entstand im September 1864 in London die I. Internationale, deren führende Köpfe Marx und Engels waren. Und wenn das „Kommunistische Manifest“ eine theoretische Vorwegnahme der Internationalität der Arbeiterbewegung war, so die I. Internationale ihre organisatorische. Das Band, das die Internationale umschloß, war sehr elastisch. In ihr vereinigten sich die verschiedensten, in taktischen und prinzipiellen Fragen auseinandergehenden Elemente. Die geschichtliche Aufgabe, die sie gelöst hat, war die theoretische Schulung der sich bildenden Arbeiterklasse.

Mit dem 1870er Feldzug fand das Wesen der Nationalstaaten in Europa vorläufig seinen Abschluss. Es bildeten sich in den einzelnen Ländern starke Arbeiterparteien. Die Vollendung der Staatenbildung und das Wachstum starker nationaler sozialistischer Parteien mußte die Form der I. Internationale lockern. Der Fall der Pariser Kommune und der darauf folgende internationale Ansturm der Reaktion erwies dagegen die Notwendigkeit einer straff zentralisierten Zusammenfassung aller Kräfte. Dieser Widerspruch, der in den Kämpfen zwischen Marx und Bakunin seinen ideologischen Ausdruck fand, besiegelte den Untergang der Internationale. Ihre geschichtliche Mission als Pflanzschule sozialistischer Parteien mit einem festen theoretischen Fundament war erfüllt.

Nach dem deutsch-französischen Krieg begann eine gesteigerte Periode kapitalistischer Entwicklung. Der internationale Gedanke im Proletariat, noch überwuchert von national-bürgerlich Vorstellungen, schöpfte aus den Weltmachtsbestrebungen der kapitalistischen Klasse neue Nahrung. Im Jahre 1889 traten in Paris nach vierjährigen Vorarbeiten über 500 Delegierte der Arbeiter aller Länder zusammen und hoben die II. Internationale aus der Taufe. Diese neue Wehr des sozialistischen Proletariats war keine festgegliederte Organisation. Alle ihr angeschlossenen Parteien waren nur durch ein Informationsbüro miteinander verbunden. Innerhalb der Internationale besaß jede Partei ihre volle Selbständigkeit: nicht nur in taktischen, sondern auch in prinzipiellen Fragen. Die auf internationalen Konferenzen gefaßten Beschlüsse wurden nach Gutdünken ausgeführt. Eine solche Politik mochte berechtigt sein, soweit sie durch politisch ökonomische Zustände eines Landes erzwungen wurde. Die dauernde taktische Einstellung auf die Alltagspraxis ließ das Prinzip, nämlich die Beseitigung der kapitalistischen Ausbeutung, immer mehr in den Hintergrund treten. Platte Rechnungsträgerei ohne geschichtlichen Weitblick wurde der leitende Gedanke praktischer Tätigkeit. Die Tendenz der Kompromisse mit dem herrschenden Wirtschaftssystem blieb nicht ohne Folgen für den Geist der Internationale. Bei Ausbruch des Krieges brach die II. Internationale zusammen. Ihre Todeskeime, den Nationalismus, den Opportunismus und Reformismus, brachte sie schon bei ihrer Geburt mit auf die Welt, und als der Kampf der europäischen Heerhaufen um die Weltverteilung begann, fiel sie auseinander.

Ein Ruhmesblatt in ihrer Geschichte war der Untergang der II. Internationale nicht. Sie verließ in der Stunde, wo die Frage: Kapitalismus oder Kommunismus? Fleisch und Blut wurde, schmählich die proletarische Fahne und wechselte in das Lager der kriegführenden Bourgeoisie hinüber. Sie zerbrach in dem Augenblick, wo ein internationales Instrument des internationalen Klassenkampfes notwendiger war denn je.

Eine bedeutende Arbeit für den Befreiungskampf des Proletariats leistete die II. Internationale immerhin, nämlich die Sammlung und Schulung des Proletariats. Sie war ein Ideenarsenal und zeigte den Arbeitern aller Länder neue Wege. Sie hinterließ zu den alten Waffen der Kritik als Erbe die Kritik der Waffen.

Heute ist die nach dem Kriege künstlich wieder zusammengefügte II. Internationale mit ihrer Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale, die in letzter Zeit noch verstärkt wurden durch die Zweieinhalb-Internationale der Crispien, Friedrich Adler usw, das beste Bollwerk des internationalen Kapitalismus gegen die Weltrevolution, genau wie während des Krieges die einzelnen nationalen Parteien, die besten Helfershelfer der einzelnen nationalen Bourgeoisien waren. Ihre Aufgabe sieht sie in dem Wiederaufbau des zusammenbrechenden Kapitalismus auf dem Rücken des Proletariats.

Die Versuche während des Krieges in Zimmerwald und Kienthal, die Internationale wieder zu beleben, zeigten da eine, daß die Reinheit des Klassenkampfes nur durch eine grundsätzlich neue Internationale wieder hergestellt werden konnte.

Mitten in den Stürmen des Weltkrieges wurde die III. Internationale geschaffen. Dieser entscheidende Schritt ging von Rußland aus. Rußland war die die Stätte, wo der Weltkrieg zuerst in die Weltrevolution umschlug, wo der Endkampf zwischen Kapital und Arbeit durch den Sieg der Proletarier gekrönt wurde. Rußland hob das in den Schmutz getretene Banner der Revolution neu empor und trug es dem geknechteten Proletariat der Welt voran. In ihrer Frühzeit war die neue Internationale, eine Internationale der Tat, eine festgeschlossene Kampfgemeinschaft der tatkräftigsten Elemente des internationalen Proletariats zur Förderung der Weltrevolution. Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, mußte sie vor allen Dingen in Theorie und Praxis mit jedem Opportunismus und Reformismus brechen.

Im März 1919 tagte der offizielle Gründungskongreß der III. Internationale in Moskau. Unter dem neuen Banner fanden sich die revolutionären Arbeiterparteien der Welt zusammen.

Hatten sich auch eine ganze Reihe auswärtiger Bruderparteien der III. Internationale angeschlossen, so stützte sie sich doch in erster Linie auf die Bolschewiki. Auch verleugnete sie nicht ganz die sozialen Charakterzüge des Mutterlandes.

In Russland herrscht die Landwirtschaft vor. Der Grund und Boden, der ursprünglich den Dorfgenossen gemeinsam gehörte, war von wenigen Großgrundbesitzern und der Krone in ihre Gewalt gebracht worden. In einzelnen Punkten des Landes hatte sich mit ausländischer Hilfe eine Industrie entwickelt, die ein modernes Proletariat schuf. Die technisch zurückgebliebene Bewirtschaftung des Bodens erforderte keine qualifizierte Arbeitskraft wie die hochentwickelte maschinelle Produktionsweise in Westeuropa. Große Bauernmassen standen noch auf einer niedrigen Kulturstufe.

Bei der Betrachtung dieser Tatsachen taucht dann die Frage auf, ob unter solchen Umständen die russischen Arbeiter den Sieg dauernd an ihre Fahne helfen könnten. Die Antwort hat Friedrich Engels schon im „Kommunistischen Manifest“ (Vorwort) gegeben: „Wenn die russische Revolution das Signal zu einer Arbeiter-Revolution im Westen wird, so daß beide einander ergänzen, dann kann das heutige russische Gemeineigentum zum Ausgangspunkt einer kommunistischen Entwicklung dienen“. Nun war allerdings als die Revolution in Rußland ausbrach, das alte Gemeineigentum an Grund und Boden fast nicht mehr vorhanden. Trotzdem wurde die russische Revolution das erste Flammenzeichen der Weltrevolution, und es war die wichtigste Aufgabe der III. Internationale, den Brand in das kapitalistische Gebäude Europas zu schleudern.

Der westeuropäische Kapitalismus erkannte die wichtige Rolle Rußlands und der III. Internationale in dem Entscheidungsgsringen zwischen Proletariat und Bourgeoisie und versuchte gleich mit allen Mitteln, diesen Stützpunkt zu zerbrechen. Mit wahrem Heldenmut haben die russischen Brüder allen Angriffen der konterrevolutionären Heere widerstanden. Trotz Bürgerkrieg, Blockade, Mangel an Industrieerzeugnissen und Verkehrsmitteln sind sie zum Neuaufbau der Wirtschaft im kommunistischen Sinne geschritten.

Der Ansturm der vereinigten Konterrevolution brachte Russland in eine schwierige Lage, aus der es nur durch da Fortschreiten der Revolution in Westeuropa gerettet werden konnte. Nach dem ersten Sturm und Drang der Novembertage fiel die Revolution in Mitteleuropa in ein Schneckentempo. Die aktive Hilfe für Rußland blieb aus. Mühsam muss im Westen Stück für Stück des Bodens für die Revolution geebnet werden, aber nicht nur langsam ist der Gang der Umwälzung: er vollzieht sich auch nach anderen Regeln als in Osteuropa, Die mittel- und westeuropäischen Länder sind in erster Linie hoch entwickelte Industriestaaten, wo das Kapital unter sozialdemokratischer Assistenz die Diktatur ausübt. Hier herrscht eine Kapitalistenklasse, die in der Bekämpfung der Arbeiter eine jahrelange Erfahrung zurückblickt. Hier steht eine mit allen Machtmitteln ausgerüstete Bourgeoisie einem unbewaffneten Proletariat gegenüber. Somit werden an den einzelnen Kämpfer höhere Forderungen an Mut und Selbstbewußtsein gestellt. Der „hervorragende Führer“ tritt mehr in den Hintergrund und verschwistert sich mit der Gesamtheit. Das Selbstbewußtsein der geschlossenen Massen wächst und gewinnt an Bedeutung. Diesen Bildungs- und Umbildungsprozeß, der eine subjektive Voraussetzung des Sieges ist, zu fördern, ist eine wichtige Aufgabe.

Anders lagen die Verhältnisse in Rußland. Die Bourgeoisie und die Mittelschichten, die in Westeuropa in ständigem Kampf gegen die Arbeiterklasse standen, kämpften in Rußland bis vor dem Krieg an der Seite des Proletariats gegen den zaristischen Absolutismus. Die Verbündeten von gestern wurden zwar mit dem Moment der Machtergreifung des Proletariats die Feinde von heute: sie hatten aber keine starken Machtmittel mehr in der Hand, sich dem Proletariat entgegenzustellen. Die soziale Struktur der Bevölkerung und die gesellschaftlichen Verhältnisse Russlands von der Revolution, das Fehlen von größer en Arbeiterorganisationen hatten zur Folge, daß auf der einen Seite der „herrschaftslose“ Anarchismus in Russland eine gute Pflanzstätte fand, auf der anderen Seite die marxistisch orientierten Organisationen in den Fehler des straffsten Autoritätsprinzips verfielen. Wo Massenorganisationen entstanden, waren es nur zusammengefügte Heerhaufen mit einer über den Wolken schwebenden, nicht mit den Massen der Organisation Verbundenen Zentralinstanz, wie es die Partei der Narodniki war. Die zielklaren Revolutionäre waren in Gruppen sektiererischen Charakters zusammenfaßt. Die Form der proletarischen Bewegung hatte viel Ähnlichkeit mit der Form der Bewegung in Westeuropa zurzeit der Entstehung des Kommunistischen Manifestes.

Der große lose Heerhaufen, die Partei der Narodniki, zerfiel im Feuer der proletarischen Revolution, und die Führung der Kämpfe ging in die Hände des linkesten Flügels der Arbeiterbewegung, der Bolschewiki, über diese Partei der „Berufsrevolutionäre“ konnte natürlich ihren sektiererischen Charakter und ihren Kastengeist nicht verleugnen und stempelte diesen ihren Charakter auch der III. Internationale auf. Für sie ist die „Masse“ nur Objekt, nie Subjekt. Sie selbst will als Kaste herrschen. Und wenn sie um die „Masse“ werben, so nur, um sie als Trittbrett, als Sockel für ihre Parteidiktatur, für Ihre Kastenherrschaft zu benutzen. Um diese ihre Parteidiktatur zu halten oder aufzurichten, sind sie zu allen Konzessionen bereit, verbünden sie sich mit Gott und dem Teufel, wenden sie alle, auch die skrupelosten Mittel an.

Diese Grundeinstellung der Bolschewiki gab auch der russischen Revolution in ihrer Weiterentwicklung ihr Gepräge. Der Herrscherwille der Kaste der Bolschewiki musste Feind jeder Selbsbewußstseinsentwicklung und jeder selbständigen Regung des Proletariats sein. Er konnte sich auf die Dauer nur durch straffsten Zentralismus, durch brutalsten Terror gegenüber dem Proletariat selbst durchsetzen. Jede selbständige Initiative des Proletariats musste ersticken in diesem Zentralismus und Bürokratismus. Eine Diktatur der es nicht gelingt, die Kräfte des Proletariats zu mobilisieren, kann aber niemals zum Aufbau des Kommunismus führen, sondern muss im Gegenteil alle Anfänge eines Neuaufbaues zerstören. Solange die russischen Proletarier sich noch ihrer äußeren und inneren Feinde aus dem Lager der Bourgeoisie zu erwehren hatten, und dieser Kampf naturgemäß die Zentralisation aller revolutionären Kräfte erforderte, wurde man sich dieser Tatsachen noch nicht bewusst. In dem Moment aber, als diese Kämpfe nachließen, trat dieses straffe Autoritätsprinzip, dieses Kastenwesen der Bolschewiki als Diktatur der Instanz über die Partei und Parteidiktatur über das Proletariat besonders in die Erscheinung.

Als die Bolschewiki die Macht ergriffen, mussten sie versuchen, sich auf die Mehrheit der Bevölkerung Rußlands zu stützen. Sie machten infolgedessen gleich im Anfang Konzessionen an die Ideologie der Bauern, die 85 v.H. der Bevölkerung Rußlands ausmachen, indem sie das Land unter die Bauern aufteilten. Die dadurch bewirkte ungeheure Stärkung der Privateigentumsideolologie der Bauern musste natürlich auch ihre Rückwirkung auf das weitere Geschick der russischen Revolution ausüben. Die Bolschewiki mussten sich die Lebensmittel, die sie brauchten, von den Bauern gewaltsam holen. Die Bauern empfingen oft diese Requisitionskolonnen mit Maschinengewehrfeuer. Es entstand ein gewaltiger Riß zwischen Stadt und Land. Die Bauern bauten nunmehr nur noch soviel an, wie sie selbst für ihren eigenen Bedarf gebrauchten. Zu gleicher Zeit fanden die antisowjetischen Banden der Machno usw. bei ihnen wärmstes Willkommen. Die Ernährungslage wurde katastrophal. Die Arbeiterschaft, nicht mehr gewillt, unter einer bürokratischen Partei-Diktatur mit Hunger in den Gedärmen zu frönen, rebellierte (Kronstadt). Um ihre Kastenherrschaft unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, ließen die Bolschewiki in ihrer ökonomischen Politik eine grundlegende Änderung eintreten. Die Requisitionen wurden durch die Naturalsteuer ersetzt. Der freie Handel wurde wieder eingeführt und damit Schiebertum und Wucher legalisiert. Die Periode der „Neuen Ökonomischen Politik“ begann. Der „Muschik“, der kleine Bauer, profitierte freilich nicht von dieser „Nep“. Ihm ging es noch genau so elend wie vorher. Nur für die Großbauern und die Schieber und Wucherer, die Kapitalisten aller Grade brach jetzt eine Blüteperiode an. Privatkapitalismus, Privatbanken usw. wurden wieder eingeführt. Die Zeit der ursprünglichen Akkumulation mit all ihren Grausamkeiten, die Periode der Bildung des Wucherkapitals, begann. Um die Heranzüchtung des Privatkapitalismus durch Kapitalimport zu forcieren, wurden in großem Masse Konzessionen an das ausländische Großkapital ausgeboten.

Diese Entwicklung in Rußland musste natürlich auch ihren Einfluss auf die Politik der III. Internationale ausüben. Die III. Internationale, die noch auf ihrem ersten Kongreß sich als Ziel setzte, die revolutionäre Vorhut des Weltproletariats in ihren Reihen zu vereinigen, schwenkte auch bald um. Der 2. Kongreß schon machte sich die Taktik der Bolschewiki zu eigen, Massen um jeden Preis als Sockel für die Parteidiktatur oder vielmehr für die Diktatur der Parteiinstanzen samt den von ihnen abhängigen Apparat der Parteiangestellten, zu bekommen. Die III. Internationale gab die Parolen des Eintritts in die Parlamente und der Zellentaktik innerhalb der Gewerkschaften aus. Man hatte eben das Vertrauen in die Weltrevolution verloren. Mit dieser Umstellung zog sich die unzweifelhaft führende Partei der Bolschewiki in den verschiedensten Ländern Parteien heran, die ihren sozialdemokratischen Charakter nicht aufzugeben brauchten, sondern nur neue Phrasen lernen mußten, um einer bequemen geistigen und materiellen Kostgängerschaft bei den Bolschewiki teilhaftig zu werden. Auf diesem Wege wurde die III. Internationale immer mehr ein Instrument der Außenpolitik der russischen Regierung.

In diesem Bestreben, die Kastenherrschaft der Bolschewiki in Russland unter allen Umständen zu erhalten und sich starke außenpolitische Stützpunkte zu schaffen durch Errichtung ebensolcher Kastenherschaften in anderen Ländern, gaben die Bolschewiki und in Wechselwirkung damit die gesamte III. Internationale alle Reste einer revolutionär-proletarischen Umstellung auf. Die Bolschewiki schlossen Bündnisse mit anderen kapitalistischen Staaten und unterstützten finanziell und militärisch die nationalistischen Bewegungen des Ostens trotz ihren ausgesprochen antikommunistischen Charaktere. Um die kapitalistische Wiederaufbaupolitik fördern zu können, beschickten sie die Heilversuchkonferenzen der kapitalistischen Mächte in Genua, Lausanne u.s.w.

Die stärkste Stütze für den kapitalistischen Aufbau der russischen Wirtschaft und für die Aufrechterhaltung ihrer Parteiherrschaft erblicken sie in einer möglichst engen Verbindung mit dem kapitalistischen Deutschland. Dieses Bündnis hat für sie nur dann Wert, wenn es dem deutschen Kapital möglich bleibt, die russische Wirtschaft mit Industrieprodukten voll zu beliefern. Deswegen mußte die III. Internationale während der Ruhrbesetzung sich dagegen wehren, daß wichtige Wirtschaftsgebiete von Deutschland abgetrennt wurden. Sie war daher gezwungen, sich die Elemente als Verbündete zu suchen, die den stärksten aktiven Widerstand dem französischen Imperialismus entgegensetzten. Daher suchte die k.p.d. die Bettgemeinschaft mit den nationalistischen Elementen.

Diese Tendenz entspricht auch die von der III. Internationale im Juli 1923 aufgestellte Parole der „Arbeiter- und Bauern-Regierung“ . Mit dieser Parole wird das Proletariat als der einzige Träger der sozialen Revolution ausgeschaltet und an seiner Stelle die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie zusammen mit den Organen der reaktionären Bauerntums als Träger dieser Scheinrevolution geschoben.

Die III. Internationale ist ein Werkzeug des kapitalistischen Wiederaufbaues, ein Hemmnis der proletarischen Bewegung. Sie ist umso gefährlicher, weil sie unter Missbrauch ihrer revolutionären Traditionen ihre kapitalistische Politik mit einem Mantel konterrevolutionärer Phrasen umkleidet. Zu gleicher Zeit aber suggeriert sie durch ihre Parolen und durch ihre Taten den Proletariern die Illusion, daß eine Besserung ihrer Lebenslage innerhalb des Kapitalismus möglich sei, daß man die blutige Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit vermeiden könne. Sie ist dadurch in ihrer Wirkung ungleich gefährlicher als alle anderen verräterischen Organisationen.

Die II. und die III. Internationalen bilden zusammen mit der Bourgeoisie die Einheitsfront des Wiederaufbaues, die Einheitsfront des Burgfriedens gegen das revolutionäre Proletariat. Dieser Einheitsfront des Arbeiterverrates muß die geschlossene Phalanx des revolutionären Proletariats entgegengestellt werden, national und international. Die Zusammenfassung des revolutionären Weltproletariats zur Kommunistischen Arbeiter-Internationale ist eine unbedingte Notwendigkeit.

Die Kommunistische Arbeiter-Internationale wird aus den Klassenkämpfen und der Klassennotwendigkeiten heraus entstehen. Voraussetzung für ihre Existenz ist die Existenz von kommunistischen Arbeiterparteien in den für die Weltrevolution wichtigsten Ländern. Diese Voraussetzung zu schaffen ist die Aufgabe aller bestehenden kommunistischen Arbeiter-Parteien.

Die Kommunistische Arbeiterinternationale muß eine Vorstufe einer wahrhaften Räte-Internationale sein, d.h. sie muß den Rätegedanken, das Prinzip „von unten nach oben“, zu verwirklichen suchen, und muss alles vermeiden und bekämpfen, was sich diesem Prinzip in den Weg stellt.

Die objektiven Vorbedingungen für eine k.a.i. sind längst gegeben. Doch kann sie ebenso wenig durch einen willkürlichen Beschluß zu historischen Leben erhoben werden, wie etwa die Revolution selbst künstlich gemacht werden kann. Ebenso wie die KAPD. in stetem Kampf gegen Lauheit und Arbeiterverrat die subjektiven Grundlagen der Revolution schaffen hilft, ebenso sucht sie auch die Vorbedingungen zu schaffen, aus denen eine Internationale entstehen kann. Die Internationale der revolutionären Tat steht nicht am Anfang, sondern am Ende einer Entwicklung. Innerhalb dieser Entwicklung und zu ihrer Förderung ist internationale Fühlung, internationale Propaganda-Arbeit und internationale aktive Solidarität notwendig.

Die Kommunistische Arbeiter-Internationale soll in den revolutionären Kämpfen vorangehen und Wegweiser sein. Sie wird und muß getragen sein von einer großen inneren Selbstdisziplin, die ihr die Fähigkeit gibt, in nationalen und internationalen Kämpfen entscheidend einzugreifen.

Eine kommunistische Arbeiter-Internationale wird aufs engste Zusammenarbeiten müssen mit einer Internationale der Unionen. Die Internationale der Unionen kann genau wie die Kommunistische Arbeiterinternationale nur aus den Klassenkämpfen und den Kassennotwendigkkeiten heraus entstehen. Aus dem Wesen beider Internationalen ergibt sich auch ihr Verhältnis zueinander. Die notwendige einheitliche Führung der revolutionären Kämpfe im internationalen Maßstabe kann nicht erreicht werden durch eine mechanische, in Statuten und dergleichen festgelegte Vorherrschaft einer beiden Internationalen. Nur durch revolutionäre Leistungen werden sich die Kommunisten das Vertrauen und die tatsächliche Führung erringen.

Mit dem Fortschreiten der Weltrevolution wird sich die Internationale der Unionen immer mehr in eine Internationale der Räte umwandeln. Hat vor Eroberung der Macht durch die Proletariermassen die Kommunistische Arbeiterinternationale die wichtigere Aufgabe zu erfüllen, so verschwindet deren Bedeutung im Laufe der Zeit gegenüber der werdenden Internationale der Räte. Genau so wie der Aufgabenkreis der politischen Parteien begrenzt ist und sie absterben, wenn sie ihre Aufgaben durchgeführt haben, genau so ist das Wirkungsfeld der Kommunistischen Arbeiterinternationale begrenzt. Die Internationale der Räte aber mündet in die klassenlose Gesellschaft.


Richtlinien zur Agrarfrage

Die Agrarfrage ist deshalb so schwierig, weil in Deutschland die Betriebsweise in der Landwirtschaft mit der allgemeinen industriellen Entwicklung bei weitem nicht Schritt gehalten hat. Dadurch ist auf dem flachen Lande das Proletaria als Masse wenig entwickelt. Vorherrschend ist in weiten Bezirken das Bauerntum mit seiner antikommunistischen Ideologie. Die k.a.p.d. ist überzeugt, daß die Überwindung dieser Schwierigkeit nur auf der gleichen grundsätzlichen Linie möglich ist, die hier auch für die Industrie aufgezeigt wird.

Gegenüber der Industrialisierung Europas und dem Anwachsen der Bevölkerung blieb die landwirtschaftliche Produktion zurück. Um den Ansprüchen der Volksernährung, d.h. der Reproduktion der Arbeitskraft der Lohnsklaven, zu genügen, wurde es notwendig, Lebensmittel aus Überschußländern einzuführen. In der Zeit vor Ausbruch des Weltkrieges war das deutsche Kapital imstande durch die Überschüsse aus seinem industriellen Finanz-Export die Einfuhrbedürfnisse zu decken. In dem Verfall der deutschen Wirtschaft wurde es dem deutschen Kapital immer mehr unmöglich, die Einfuhr auf der notwendigen Höhe von einem Drittel des Gesamtbedarfs zu halten. Es traf auch keine Gegenmaßregeln durch industriellen Ausbau der Landwirtschaft, im Gegenteil: der Ertrag der landwirtschaftlichen Produktion sank gegenüber der Vorkriegszeit. Es muß damit gerechnet werden, daß das Proletariat die Übernahme der Macht die Landwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse in einer weiteren Zersetzung vorfindet. Diese Lage wird sich verschärfen durch die sofort einsetzende Sabotage der Landeigentümer. Außerdem wird eine deutsche Räterepublik ebenso durch die Blockade der internationalen Bourgeoisie getroffen werden, wie in der Geschichte jede Revolution von den alten Mächten blockiert wurde.

Das in der Revolution führende Industrieproletariat wird für die Übernahme der landwirtschaftlichen Produktion einen Bundesgenossen nur in dem Landproletariat finden. Die Novemberrevolution hat die Landarbeiter schon von dem größten Druck befreit und eine große Bewegung unter ihnen ausgelöst. Ihr revolutionäres wollen und Fühlen ist erstarkt. Sie zeigen oft eine erstaunliche Reife des Klassenbewußtseins. Der bisherige Gegensatz zwischen der städtischen und der ländlichen Arbeiterschaft ist durch das Bewusstsein von dem gemeinsamen proletarischen Ziel überwunden und damit die Grundlage für ein Zusammenarbeiten gegeben.

Im Landproletariat hat sich auch die wesentliche Erkenntnis Bahn gebrochen, daß allein die Industrialisierung der Landwirtschaft auf kommunistischer Basis – und nicht ein Leben „auf eigener Scholle“ – die rettende Zukunft bedeutet. Die Landproletarier sind gewillt, den Ausbau der Landwirtschaft zusammen mit dem Industrieproletariat auf der angedeutenden Basis durchzuführen. Anderseits hat die städtische Industrie-Arbeiterschaft die Aufgabe, die industrielle Produktion auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft umzustellen.

Das Landproletariat ist an Zahl nicht stark genug, die ihm gestellte Aufgabe allein zu lösen. Daher ist seinerzeit eine weitgehende Umgruppierung des städtischen Proletariats notwendig, aus wirtschaftlichen wie politischen Gründen. Am zweckmäßigsten werden dazu die Kräfte herausgezogen werden, die vom Lande gekommen sind und sich noch Zusammenhang mit agrarischer Produktionstechnik bewahrt haben.

Der maßgebende Grundsatz für eine revolutionäre Lösung der Agrarfrage kann nur der ein, daß ausschließlich die vollständige Expropriation (Enteignung) der Besitzer von Land- und forstwirtschaftlichem Boden die Existenz der proletarischen Diktatur gewährleistet. Jede Halbheit, jede Anerkennung des Eigentumsrechtes an Grund und Boden, z.B. für Klein- und Mittelbauern würde bedeuten, daß man die festesten Stützpunkte der Konterrevolution bestehen läßt, aus denen sie immer wieder gegen das revolutionäre Proletariat vorbrechen kann.

Da die Enteignung nur eine Auflösung der bisher bestehenden Wirtschaftsform bedeutet, muß sie ihre positive Ergänzung in einem Aufbau von Agrarkommunen finden. Die Agrarkommune (Räteland) als Betrieb baut sich auf dem Gutshof, dem Dorf oder auf einer Vereinigung von beiden unter Ausnutzung der gegebenen Verhältnisse durch die Landarbeiterräte auf. Die Zusammenlegung des zersplitterten Bauernbesitzes zu großen Schlägen in rationeller Form, maschinelle Bewirtschaftung, Aufnahme der Produktion in große Lagerräume und modernste Ausgestaltung des Verkehrsnetzes dies alles werden die technischen Faktoren sein, durch deren Einsetzung die proletarische Diktatur die Ernährungsbasis gewährleistet und zugleich die wirtschaftliche Grundlagen für Versuche einer agrarisch-feudalen Konterrevolution vernichtet.


Dritter Teil. Die Aufgaben der Arbeiterklasse nach der Übernahme der politischen Macht

I.

Für die Durchführung der Arbeiterrevolution ist es aus objektiven und subjektiven Gründen außerordentlich wichtig, vorher soweit als möglich sich Klarheit zu verschaffen über die ersten Aufgaben der siegreichen Arbeiterklasse. Es ist bisher innerhalb des marxistisch eingestellten Teils der Arbeiterschaft übersehen worden, wie notwendig eine solche Klarheit ist. Auf der anderen Seite haben die revolutionären Syndikalisten der romanischen Länder und die ihnen nahestehenden i.w.w. (Industrie-Arbeiter der Welt) im angelsächsischen Gebiet sehr weitgehende Schilderungen, besonders der wirtschaftlichen Maßnahmen entworfen, jedoch ohne genügenden Einblick in die Beziehung zwischen politischer Macht und wirtschaftlichen Tatsachen, überhaupt ohne klare Vorstellungen über den Werdegang der sozialen Revolution, d.h. also auf einer utopischen Basis.

Das geschichtlich notwendige Ziel der Arbeiterrevolution ist letzten Endes eine Neuordnung der Produktion. Aber die Aufgaben der Arbeiterklasse in der Revolution sind zu allererst politische Aufgaben. Denn nur der sichere Besitz der politischen Macht ermöglicht es der Arbeiterklasse, die Produktion neu zu ordnen und die Gesellschaft zum Kommunismus zu führen.

Die politische Macht kann gegen den verzweifelten Widerstand der Ausbeuter nur in einem Kampfe erobert werden, in dem alle Mittel angewandt werden. Wenn sich dieser Kampf zugunsten der Arbeiter entscheidet, wird der Produktionsapparat unausbleiblich in einem stark zerrütteten Zustande in die Hände der siegreichen Revolution kommen. Wer die Revolution nur dann durchführen will, wenn dies vermieden wird, mit anderen Worten, wer die Revolution wohl machen, aber ihre Kosten nicht tragen will, der sabotiert in Wahrheit die Befreiung der Arbeiterklasse.

Die Produktionskräfte, mit denen das Proletariat in die historische Epoche seiner Herrschaft hineingeht, werden ungeheuer entwickelt sein. Aber der technische Apparat wird durch die krisenhafte Selbstvernichtung des Kapitals und durch den Klassenkampf in seinem letzten höchsten Stadium, den Bürgerkrieg, soweit zerrüttet sein, daß die Arbeiterklasse einer Übergangszeit bedarf, um die Möglichkeiten, die die modernen Produktionsmethoden bieten, in produktive Wirklichkeiten umzuwandeln. Erst nach solcher Übergangszeit wird die Gesellschaft über jenen Reichtum der Produkte verfügen, der die Umwandlung in eine für ihren Bedarf solidarisch arbeitende Wirtschaft ermöglicht.

Die unvermeidlichen Leiden und Entbehrungen dieser Übergangszeit zusammen mit dem Widerstand und den Auflehnungsversuchen der unterdrückten Ausbeuterklasse schaffen die lebensgefährlichen Schwierigkeiten für das siegreiche Proletariat. Die Leiden und Entbehrungen der Übergangszeit erzeugen in den weniger bewußten Teilen der Arbeiterklasse selbst und in allen ideologisch rückständigen Kleinbürgerschichten Gegner der Revolution, welche sich als Weißgardisten und Banditen dem Kommando der gestürzten Bourgeoisie zur Verfügung stellen.

Die dringenden Aufgaben der siegreichen Arbeiterklasse werden daher auf dem Gebiet der Erhaltung der neugewonnenen Macht liegen die oberste Pflicht der proletarischen Diktatur ist die Erhaltung ihrer Existenz.

Die Selbsterhaltung der proletarischen Diktatur kann sich nur gründen auf die Organisation der revolutionären Arbeiter in den revolutionären Räten. Pflicht der k.a.p.d. wird es sein, im Verlaufe des Kampfes für die Aufrichtung der Räte und für ihren rein revolutionären Charakter ihre ganzen geistigen und organisatorischen Kräfte einzusetzen.

Die politischen Machtmittel, die für die Selbsterhaltung einer proletarischen Diktatur aufzubieten sind, ergeben sich aus der Summe der bisher gemachten Erfahrungen. Die politischen Organisationen der Bourgeoisie ebenso wie die der Lakaien der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterklasse, Parlamente und ihre Parteien, Gewerkschaften, bürgerliche Presse, Gerichte, Verwaltungsapparat sind, soweit sie nicht schon im Verlauf des Kampfes aufgerieben worden sind, zu zerstören. Die Räte müssen aus sich selbst einen neuen Verwaltungsapparat schaffen. Anstelle des bisherigen bürgerlichen Klassenrechts ist ein proletarisches Klassenrecht anzuwenden, dessen Ausübung in den Händen von Revolutionstribunalen zu liegen hat. Die Kontrolle aller Einwohner ist weiterzuführen unter Benutzung aller technischen Erfahrungen der bürgerlichen Polizei, jedoch unter Beseitigung des alten Beamtenstabes. Die völlige Entwaffnung des Bürgertums, die Bewaffnung der revolutionären Arbeiter versteht sich von selbst. Die Zusammenfassung der bewaffneten Arbeiter hat in erster Linie nach Betrieben zu erfolgen. Die führenden revolutionären Großbetriebe als bewaffnete Einheiten müssen und werden auch der Kern der Roten Armee bleiben.

Die politische Macht jedoch ist nichts, wenn sie nicht auf die Beherrschung der wichtigsten ökonomischen Grundlagen sich stützen kann. Die hauptsächlichsten ökonomischen Elemente, deren Beherrschung für die Erhaltung der politischen Macht der Arbeiterklasse unerläßlich ist, sind: Lebensmittelläger, Kohlen- und Erzgruben, Kaligruben, Waffenindustrie aller Art einschließlich der chemischen Großbetriebe, Kraftwerke, Transportmittel, insbesondere Eisenbahnen, das elektrische Nachrichtennetz, die großen Druckereien.

Bei all diesen ökonomischen Elementen ist während des Kampfes und für die erste Zeit nach dem Siege ihre Beherrschung wichtiger als ihre Ausnutzung durch Inbetriebsetzen. Solange z.B. die Organe der Diktatur (die Räte) nicht in der Lage sind, den Eisenbahnverkehr in ihrem Gebiet aufs Genaueste zu überwachen, Waggon für Waggon, ist es für den Anfang richtiger, den Verkehr auf ein Maß, dessen Überwachung möglich ist, einzuschränken, als durch vollen Betrieb dem im Lande sitzenden Klassenfeind eine Konzentration seiner Hilfsmittel zu ermöglichen.

Die Gebietsgrenzen, in denen die proletarische Diktatur ausgeübt wird, können bei dem unvermeidlich internationalen Charakter der Arbeiterrevolution erst von einem bestimmten Augenblick angeschlossen werden. Diesen Augenblick richtig zu wählen, wird eines der schwierigsten politischen Probleme für die Rätemacht sein. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Grenzen sich weder mit den jetzigen politischen Grenzen noch mit der Sprachgrenze decken werden. Sie werden vielmehr vermutlich unter dem Zwang der ökonomischen und Klassenverhältnisse eine Zeit lang zum Teil enger, zum Teil weiter sein. Die proletarische Revolution wird unter Umständen in ihrem internationalen Verlaufe vorübergehend ganz neue Staatsgebiete schaffen und sie fortlaufend wieder vernichten, bis das große Ziel erreicht, die Grenzen der Länder überhaupt vernichtet sind.

Auf dem Wege dahin wird bei jeder aufsteigenden Welle der Revolution eine Sprengung alter Gebiets- und nationaler Grenzen erfolgen; beim Zurückfluten dagegen wird es notwendig sein, feste Gebietsgrenzen für eine gewisse Zeit anzuerkennen und abzuriegeln. Die absolute Beherrschung solcher einmal notwendig gewordener Grenzen, die freie Verfügung und vollkommene Kontrolle darüber, welche Personen und welche Güter in beiden Richtungen passieren können, ist politisch und ökonomisch für die Diktatur eine Lebensbedingung. Ebenso wichtig aber ist es, den politischen und ökonomischen Grenzschutz kapitalistisch regierter Gebiete mit allen Mitteln zu desorganisieren und zu sabotieren, Propaganda und Organisation aus den gewonnenen Gebieten in die noch geknechteten hineinzutragen. Denn der proletarische Klassenkampf ist international und kann nur in internationaler Form siegreich bleiben.

II.

Die Revolution der Arbeiterklasse ist kein rein ökonomischer Akt aber ebenso wenig wird sie durch einen politischen Akt in der Hauptsache beendet die Revolution der Arbeiterklasse ist vielmehr in ihrem Gesamtverlauf ein einheitlicher politisch-ökonomischer Vorgang, in dem das politische von dem ökonomischen Element nie ganz reinlich getrennt werden kann. Eines von beiden zurückstellen, heißt immer, für eine Zeit von dem geraden Wege der Revolution abweichen.

Im Ganzen gesehen, wird die politische Aktion letzten Endes ein Mittel im Dienste des ökonomischen Ziels sein, ein Mittel, das bestimmt ist, sich selbst überflüssig zu machen. Im einzelnen aber müssen politische Mittel, d. h. Machtmittel, unvermeidlich vielfach auf ökonomischem Gebiet sich auszuwirken, und zwar in einem Sinne, der den wirtschaftlichen Bedürfnissen zunächst zu widersprechen scheint schon das ,,Kommunistische Manifest“ sagt:

„Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, die Produktioninstrumente in den Händen des Staates, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.
Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittels despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Laufe der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind“.

Die russische Revolution und der Verlauf der deutschen Revolution in den Jahren 1918-1923 haben gezeigt, daß das „als herrschende Klasse organisierte Proletariat“ jedenfalls nichts zu tun hat mit dem bürgerlichen Staat, daß vielmehr die Organisation des Proletariats als herrschende Klasse nur vor sich gehen kann im Verlauf eines Kampfes, in dem der bürgerliche Staat zertrümmert wird und an seiner Stelle ein völlig andersgerichteter Staat (Rätestaat) sich bildet. Das Proletariat kann sich nicht als herrschende Klasse organisieren innerhalb der Formen und des Apparates deren die bürgerliche Klasse zur Ausübung ihrer Herrschaft sich bedient. So kann auch die Zentralisation der Produktionsinstrumente in den Händen des proletarischen Rätestaates nichts gemein haben mit einer Zentralisation von Industrien in den Händen eines bürgerlich organisierten Staates, gleichgültig wie die formalen Bedingungen einer solchen Zentralisation, einer solchen Verstaatlichung, einer solchen „Sozialisierung“ aussehen mögen, und gleichgültig, welche und wieviel angebliche „Vertreter des Proletariats“ in der Regierung eines solchen Staates mit einer sogenannten „Arbeiterregierung“ sitzen mögen.

Überhaupt beginnt die Übernahme der Produktionsmittel nicht mit der Zentralisierung, sondern damit, daß das Proletariat unter Benutzung seiner politischen Macht „der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital entreißt“. Diese Wendung steht nicht als bloße Redensart im „Kommunistischen Manifest“ vor der Zentralisation, sondern mit gutem Sinn und eigener Bedeutung. Sie ist ein kurzer Ausdruck für die Tatsache, daß mit der Eroberung der politischen Macht erst ein Teil des Kampfes vorüber ist, ein zweiter wichtigerer Tell dann erst folgt, nämlich der Kampf um die volle Beherrschung der Produktionsmittel.

Zwar ist der Kampf um die politische Macht in der historischen Wirklichkeit nicht völlig zu trennen von den Kampf um die Produktionsmittel, und wir haben schon ausgesprochen, welche Gruppen von Produktionsmitteln bei diesem Kampf ihrer politischen Bedeutung wegen am wichtigsten sind. Aber es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der politische Sieg rascher gewonnen werden kann als die volle Verfügung über die Gesamtheit der Produktionsmittel.

Denn damit das Proletariat als Klasse über die Produktion verfügen kann, dazu genügt nicht das Schreiben von Erlassen und nicht die Einsetzung aller erdenklichen Kontrollen über die Befolgung solcher Erlasse, sondern dazu ist nötig, daß die Arbeiterklasse als solche (nicht nur in ihren politischen Spitzen und Vorläufern) die Herrschaft über die Produktion an sich reißt. Nur soweit ihr das gelingt, kann sie das Gewonnene einer zentralen Regelung unterstellen, ohne daß sie einer neuen bürokratischen Diktatur und Ausbeutung unterworfen wird.

Die Eroberung der Produktionsmittel ist mithin ein Prozeß, der in jedem Betrieb, von Fabrik zu Fabrik, von den Belegschaften selbst durchgeführt muß. Erst wenn dies der Arbeiterklasse im Verlauf des Kampfes bewußt geworden ist, hat sie den besonderen Sinn und die Notwendigkeiten der proletarischen Revolution erfaßt, erst dann ist sie in Wahrheit imstande, ihren Kampf revolutionär zu führen.

Das Problem, an dessen Lösung die glückliche Durchführung der Arbeiterrevolution im industriellen Europa gebunden ist, ist die Ausbildung des Selbst- und Klassenbewußtseins des Proletariats. Der Satz, daß „die Befreiung der Arbeiterklasse nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein kann“, bedeutet unter anderem auch, daß die Arbeiterklasse sich ihrer historischen Aufgaben als Träger der Produktion bewußt werden muß. Darum kann die Arbeiterklasse den ökonomischen Teil der Revolution – von dem der Bestand jedes politischen Sieges abhängt – nur durchführen, wenn sie selbst in ihrer breiten Masse wenigstens im Verlauf des Kampfes die notwendigen ökonomischen Maßnahmen in ihrer Auswirkung bis herunter zu dem einzelner Betrieb versteht und sie selber durchführt und umgekehrt können nur solche Maßnahmen revolutionär wirken und sich halten, die von der breiten Masse der Arbeiter verstanden, von Ihnen aus ihren Produktionserfahrungen herausgestaltet und in die Wirklichkeit umgesetzt zu werden.

Wie groß der Teil des Proletariats in Deutschland sein muß und also sein wird der als Avantgarde die ersten Siege der Revolution erringt, kann heute niemand mit Bestimmtheit sagen. Sicher aber ist, daß diese führende Vortruppe aufs dringlichste dafür zusorgen hat, daß die breitesten Arbeitermassen auf dem Gebiete der Produktion bewußt und aktiv vorgehen. Die industrielle Produktion ist der Mutterboden der modernen Arbeiterklasse; sie ist der Schoß der Revolution, in ihr ist – über alle politischen Spaltungen hinaus – der revolutionäre Instinkt eines jeden Arbeiters vorgebildet und lebendig, und hier werden die breitesten Massen nach dem ersten Anstoß: Im besten wissen, was sie zu tun haben. Viele Fehler, die in der deutschen Revolution auf diesem Gebiete gemacht worden sind, konnten nur dadurch entstehen, daß die Arbeiter fühlten, es sei doch nicht ernst mit der Vernichtung der bürgerlichen Klasse die ganze Sozialisierungsdebatte der letzten Jahre – soweit Arbeiter an ihr teilgenommen haben – entstand nur aus der Verlegenheit, etwas tun zu wollen, trotz der klar gefühlten konterrevolutionären Haltung der politischen Führung. Je energischer und rücksichtsloser die politische Führung einer Revolution die Ereignisse vorwärts zu reißen versteht, je klarer der bewusste Vortrupp der Klassenkämpfer durch seine Handlungen zu verstehen geben wird, daß es kein Zurück mehr gibt, desto sicherer werden alle Arbeiter wissen, was in ihren Betrieben zu geschehen hat.


Organisations-Statut

Aufbau und Satzungen der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands

1. Mitglied der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands kann jeder werden, der Programm und Satzungen anerkennt und danach handelt.
Jedes k.a.p.d.-Mitglied, das gegen Entgelt beschäftigt ist, muß Mitglied der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands sein.

2. Die k.a.p.d. ist eine zentral aufgebaute Organisation. Die Partei haut sich auf Wirtschaftsbezirke auf, die vom Parteitag festgesetzt werden. Zweckes organisatorischer Durcharbeitung ist jeder Wirtschaftsbezirk in Unterbezirke und Ortsgruppen zu zergliedern. Die Zahl und die Art dieser Unterbezirke und Ortsgruppen bestimmt jeder Bezirk selbständig. Die Wirtschaftsbezirke beschließen ihre Organisationssatzungen selbständig, die sich im Rahmen der Gesamtpartei zu halten haben.

3. Für die praktische Organisationsarbeit im Reich und in den Bezirken ist erforderlich: engste Verbindung des Hauptausschusses mit dem Vorort, wo er seinen Sitz hat;
möglichst häufige persönliche Aussprache, Austausch der Referenten von Bezirk zu Bezirk, von Ort zu Ort;
ein schneller, reichlicher Informationsdienst von den Orten über die Bezirke zur Zentrale und umgekehrt über politische, wirtschaftliche und militärische Tatsachen;
grundsätzliche Heranziehung aller Mitglieder zu bestimmten, ab und zu wechselnden Aufgaben in Arbeitsgruppen Kursen und dgl. (Betriebe, Militär und Polizei, Propaganda, Jugend, Frauen, Arbeitslose, gegnerische Versammlungen, usw.).
Kein Mitglied ohne Funktion!
Ferner:

sorgfältige Ausarbeitung und Einteilung der Aufgaben im Augenblick einer Aktion;
ständige Abberufbarkeit sämtlicher Funktionäre:
straffe Zentralisation in allen Angelegenheiten der reinen Geschäftsführung mit möglichster Verwendung der modernen Hilfsmittel.

4. Die Aufgaben des Wirtschaftsbezirkes sind:
Propaganda, Durchführung der von der Partei beschlossenen Aktionen sowie Einkassierung der Beiträge und Führung der Verwaltungseschäfte des Bezirks.

5. Die Höhe des monatlichen Pflichtbeitrages zur Finanzierung des Hauptausschusses richtet sich nach dem jeweiligen Mitgliedsbetrag des Vororts, in dem der Hauptausschuß seinen Sitz hat die Höhe der Ortsbeiträge zu bestimmen, bleibt den einzelnen Ortsgruppen überlassen.

6. Aus der Partei wird ausgeschlossen, wer gegen die Grundsätze und Beschlüsse der Partei handelt. Über den Ausschluß entscheidet die Ortsmitgliederversammlung, bei Berufung die Delegierten Versammlung des Wirtschaftsbezirks, zu letzter Instanz der Parteitag.
Wenn der Betreffende innerhalb vier Wochen gegen seinen Ausschluß keine Beschwerde erhebt, muß der Ausschluß veröffentlicht werden.
Während der Untersuchung haben die Funktionen der betreffenden Genossen zu ruhen.

7. Alljährlich findet ein ordentlicher Parteitag statt, der vom Hauptausschuß einzuberufen ist auf Antrag von mindestens einem Drittel der bestehenden Wirtschaftsbezirke, die ein Drittel der Gesamtmitgliedschaft umfassen, ist der Hauptausschuß zur Einberufung eines außerordentlichen Parteitages verpflichtet.

8. Die Einberufung des Parteitages darf frühestens sechs Wochen nach der Zentralausschußsitzung stattfinden und muß spätestens vier Wochen vor dem Termin der Abhaltung desselben mit Angabe der vorgesehenen Tagesordnung den Wirtschaftsbezirken bekannt sein.
Verfügung der Einladung zur Beschickung des Parteitages ist von den Wirtschaftsbezirken zu bestätigen Anträge zu allen Parteitagen sind mindestens vier Wochen vor der Abhaltung des Parteitages den Wirtschaftsbezirken zu unterbrechen.

9. Der Parteitag bildet die oberste Vertretung der Partei. Zur Teilnahme an demselben sind berechtigt:
a) Die gewählten Vertreter aus den einzelnen Wirtschaftsbezirken deren Anzahl nach Maßgabe der organisierten Genossen beschickt wird. Jeder Wirtschaftsbezirk hat jedoch das Recht, mindestens einen Vertreter zu entsenden.
b) Die Redakteure und die Zentralleitung der Partei.
c) Die Vertreter der Allgemeinen Arbeiter-Union und der Kommunistischen Arbeiterjugend.
Stimmberechtigt auf dem Parteitag sind jedoch nur die aus den Wirtschaftsbezirken Delegierten der Partei, für die gebundene Mandate Vorschrift sind.
Angestellte der Partei haben kein Stimmrecht und sind möglichst nicht als Delegierte zu wählen.
Die Abstimmung erfolgt nach den in den letzten drei Monaten abgerechneten Beiträgen. Die arbeitslosen Genossen sind dabei entsprechend einzurechnen.
Der Parteitag prüft die Legitimation seiner Teilnehmer, wählt seine Leitung und bestimmt seine Geschäftsordnung selbst.
Die Beschlüsse des Parteitages sind für sämtliche Mitglieder der Partei bindend.

10. zu den Aufgaben des Parteitages gehören:
a) Entgegennahme der Berichte über die Geschäftstätigkeit des Hauptausschusses.
b) Bestimmung des Ortes, in dem die Zentrale ihren Sitz zu nehmen hat. Dieser Vorort stellt den geschäftsführenden Hauptausschuß.
c) Die Beschlußfassung über die Parteiorganisation und alle das Parteileben berührenden Fragen.
d) Wahl eines Wirtschaftsbezirkes, der aus seinen Mitgliedern einen Kontrollausschuß zur Kontrolle für Organisation und Kassenführung des Geschäftsführenden Hauptausschusses und der Wirtschaftsbezirksleitungen wählt.
Die Kontrollkommission soll sich nicht an dem Sitz des Geschäftsführenden Haupt-ausschusses befinden. Verantwortlich ist die Kontrollkommission dem Parteitag.

11. Die Anzahl der Mitglieder des Geschäftsführenden Hauptausschusses bestimmt der vom Parteitag festgesetzte Vorort. Die in den Hauptausschuss gewählten Genossen haben die laufenden Parteigeschäfte von einem Parteitag bis zum darauf folgenden zu erledigen.

12. Mindestens alle drei Monate, bei auftauchenden Streittragen sofort, hat der Zentralausschuß zusammenzutreten.
Der Zentralausschuß besteht aus einem von den Wirtschaftsbezirken gewählten Delegierten und den Mitgliedern des Geschäftsführenden Hauptausschusses.
Der Abstimmungsmodus der Zentralausschußsitzung entspricht dem der Parteitage.
Dem Zentralausschuß steht das Recht zu, vorbehalten der nachträglichen Zustimmung des Parteitages, die Mitglieder des Geschäftsführenden Hauptausschusses abzuberufen und durch andere zu ersetzen.
Dem Vorort steht ebenfalls das obige Recht zu Derselbe hat nach Abberufung sofort eine Zentralausschußsitzung einzuberufen.

13. Der Geschäftsführende Hauptausschuß sowie der Zentralausschuß können im Namen der Partei nur dann in die Öffentlichkeit treten, wenn es sich um eine Stellungnahme handelt, die in der allgemeinen Linie des Programms und der festgelegten Taktik liegt. In Fragen, in denen diese Körperschaften eine Änderung der bisherigen Taktik für erforderlich halten und aus technischen Gründen eine sofortige Stellungnahme der Mitgliedschaft nicht möglich ist, können sie nur mit dem Namen der betreffenden Körperschaft nicht im Namen der Partei zeichnen.
Zu jeder derartigen Entscheidung sollen möglichst sämtliche Mitglieder dieser Körperschaft hinzugezogen werden. Beschlußfassung ist nur zulässig, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend bzw. vertreten sind.

14. Der Inhalt und die Schreibweise der Parteipresse ist im Rahmen und auf dem Boden des Programms und der Parteitagsbeschlüsse der KAP zu halten.
Über die Herausgabe von Broschüren durch die k.a.p.d. entscheidet der Zentral-ausschuss.
Für die Herausgabe von Literatur besteht der Verlag der KAPD. Seine Geschäfte liegen in den Händen des Arbeitsausschusses des Wirtschaftsbezirks Berlin-Brandenburg. Alle von diesem Verlag herausgegebenen Schriften werden vertrieben von der Buchhandlung der Berliner Organisation.

15. Die Kosten für die Reichszusammenkünfte sind durch Umlage von der Gesamtmitgliedschaft der Partei zu erheben. Die notwendige Höhe der Umlage ist vom Geschäftsführenden Hauptausschuß von Fall zu Fall festzusetzen.


Anhang

Leitsätze über den Charakter und die Aufgaben der revolutionären Aktionsauschüsse

I.

Die Verschärfung der Klassengegensätze als Folge des wirtschaftlichen Niederbruchs stellt das Proletariat immer erneut vor die Frage der offenen Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Gesellschaft oder des weiteren Versinkens in immer grössereres elend jedoch das Proletariat verkörpert seihst in sich den Widerspruch, der darin liegt, daß es sich aus seiner Lage nur befreien kann durch die revolutionäre Tat, diese Tat jedoch die Überwindung kleinbürgerlicher Illusionen und Vorstellungen zur Voraussetzung hat. Es schreckt im entscheidenden Momente solange die Frage nicht unerbittlich und völlig unausweichlich von der Geschichte auf die Tagesordnung gestellt ist, stets vor dem Kampf zurück und unterliegt dem Einfluß der Gewerkschaften und parlamentarischen Parteien. Es rebelliert in denselben, stellt jedoch diese Organisationen objektiv vor eine unmögliche Aufgabe, nämlich: die innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Gesellschaft eine Besserstellung der Lage der Arbeiterklasse herbeizuführen. Das Versagen der Gewerkschaften und ihrer Ableger (gesetzliche Betriebsräte) erzeugt in den Arbeitermassen in Zeiten der Verschärfung der Krise eine Stimmung des Verlassenen und der völligen Hilflosigkeit.

Es dämmert wohl die Erkenntnis, daß mit alten Waffen der parlamentarisch-gewerkschaftlichen Organisationen nicht vorwärts zu kommen ist, diese im Gegenteil zu Waffen der Konterrevolution geworden sind. Das Proletariat sieht heute wohl zu einem größeren Teil ein, daß die Kampfmittel geändert werden müßten, hat sich aber bis jetzt noch nicht zu der Erkenntnis durchgerungen, daß auch mit „radikalen Methoden“ ohne ein Sturz des Kapitals selbst keine Rettung für das Proletariat möglich ist. Von dieser Perspektive aus ist die Frage der Schaffung der Aktionsausschüsse zu stellen und zu behandeln, wenn die Partei und Union bei der Propaganda für die Aktionsausschüsse nicht bewußt oder unbewußt falsche Vorstellungen und neue Illusionen beim Proletariat erwecken sollen.

II.

Wie die Propaganda von Partei und Union der Einfluß ihrer programmatischen Grundsätzlichkeit sein muß, so muß die revolutionäre Tat in einer Linie mit dieser Propaganda liegen. Die Propaganda für die Aktionsausschüsse ist nicht eine Gegenparole gegen die kleinbürgerlichen Parolen der k.p.d., sondern eine Gegenüberstellung des revolutionären Programms der k.a.p.d. und a.a.u. Die Schaffung von Aktionsausschüssen ist nicht abhängig von der Bereitschaft zur Wahl derselben, sondern von der Herrschaft des klassenbewußten Proletariats mit allen reformistischen Überlieferungen und Methoden zu brechen und den Kampf im Sinne des Programms der k.a.p.d. und a.a.u. Aufzunehmen.

Eine organisatorische Vorwegnahme einer gefühlsmäßigen revolutionären Einstellung stärkt und fördert das zum Kampfe nötige Klassenbewußtsein nicht, sondern den Glauben, daß eine organisatorische Maßnahme die Tat ersetzen könne und unterstützt damit die Passivität im Proletariat.

Nur dort, wo das Entstehen der Aktionsausschüsse der Ausdruck des wachsenden revolutionären Klassenbewußtseins ist, wird deren Liquidierung nach einer Niederlage vom Proletariat nicht lediglich als ein Mißlingen eines Experiments empfunden werden, sondern von bleibendem Wert sein, der sich realisiert in der Stärkung von Partei und Union in organisatorischer und geistiger Beziehung und so für weitere Kämpfe ihre Schlagkraft vergrößert.

III.

Die Arbeiterklasse führt ihren Kampf nicht aus freien Stücken, sondern wird dazu getrieben von den ökonomischen Verhältnissen, die die Auseinandersetzung zur gebieterischen Pflicht machen. Die revolutionären Explosionen als die naturnotwendigen Ursachen der wachsenden Todeskrise des Kapitals können. Jedoch nur zu einem Faktor der proletarischen Revolution werden, wenn sie eine gemeinsame politische und prinzipielle Grundlage bekommen, aus dem Bereich der örtlichen Verhältnisse gerissen und ihr es mehr oder weniger verschwommenen Charakters entkleidet werden. Nur ein gemeinsam realisierbares Ziel kann der Boden für wahre Klassensolidarität sein. Für Erreichung dieses Zieles ist jedoch Voraussetzung, daß die organisatorischen Konsequenzen der Bewegung selbst zu einem vorwärtstreibenden Element, die Aktionsausschüsse zum Instrument der Revolution werden, nicht zu einem Werkzeug in der Hand reformistischer Drahtzieher, weil sie dann noch der Ausdruck kleinbürgerlicher Illusionen sind.

IV.

Die Aufgaben der in diesem Sinne geschaffenen Aktionsausschüsse ergeben sich aus der jeweiligen Lage dem Klassenfeind gegenüber. Nach der Konstituierung als Ausdruck der proletarischen Gewalt müssen sie sofort die für die revolutionären Aufgaben notwendige Arbeitsteilung durchführen und die politischen und revolutionären wirtschaftlichen Kräfte ins Leben rufen Union und Partei haben mit aller Energie das Gesamtproletariat zu mobilisieren, die Brennpunkte des Kampfes dadurch zu entlasten und selbst den Kampf aufzunehmen für Aktionsausschüsse, sofort Verbindung zu schaffen der Aktionsausschüsse oder Räte über die gesamte Kampfzone; kurzum alles aufzubieten, um die Kampfkraft der Bewegung zu steigern, die Bewegung selbst auszudehnen.

V.

Da nicht die Aktionsausschüsse an sich, sondern der Charakter der Aktionsausschüsse für eine Unterstützung der Bewegung durch die Partei und Union ausschlaggebend ist, ergibt sich für die im Aktionsausschuß tätigen Mitglieder Union und Partei die Notwendigkeit des fraktionsmäßigen Zusammenschlusses. Die Politik und die Maßnahmen der Aktionsausschußmitglieder von Partei und Union müssen der Ausdruck des Willens der Gesamtorganisation sein. Um im revolutionären Sinne einheitlich und fördernd wirken zu können, ist der engste Zusammenschluß der Union und Partei über das gesamte Reich eine gebieterische Pflicht und unbedingte Voraussetzung Union und Partei müssen nicht nur in den Spitzen, sondern in den Bezirken und Betrieben bei völliger Wahrung ihrer gegenseitigen organisatorischen Selbstständigkeit eng verbunden sein und sich gegenseitig aufs tatkräftigste unterstützen.

Schlägt die Bewegung gesetzliche oder sonstige Wege des Kompromisses ein, so ergibt sich sowohl für die Partei als auch für die Union die Pflicht, gemäß ihren Programmen unerschrocken und ohne Sentimentalität den Kampf gegen die sich geltend machen den Tendenzen aufzunehmen, den Aktionsausschuß zu sprengen bzw. auszutreten und im Proletariat selbst den Kampf um ihre Ziele und Prinzipien aufzunehmen und fortzuführen.


© Obgleich die Kommunistische Linke im Allgemeinen keine Urheberrechte bzw. „intellektuelle Eigentumsrechte“ für sich eingefordert hat, können einige Veröffentlichungen auf dieser Webseite urheberrechtlich geschützt sein. In diesem Fall steht ihr Gebrauch nur zum Zweck persönlichen Nachschlags frei. Ungeschütztes Material kann für nicht-kommerzielle Zwecke frei und unentgeltlich verbreitet werden. Wir sind Ihnen erkenntlich für Ihren Quellenhinweis und Benachrichtigung. Bei beabsichtigter kommerzieller Nutzung bitten wir um Kontaktaufnahme.


Compiled by Vico, 6 January 2018



















Übersicht