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Antonie Pannekoek Archives

Rätekorrespondenz

Quelle: a.a.a.p.


Rätekorrespondenz

Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052


Massenstreik in Frankreich


Quelle:  Massenstreik in Frankreich – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung.  – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1936, Nr. 18-19 (September); Quelle der Transkription: Rätekommunismus , 23. November 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Die große Streikbewegung der französischen Arbeiter, die Ende Mai in einigen Metallbetrieben in der Umgebung von Paris begann und ihren Höhepunkt schon vor Mitte Juni erreichte, kann am Ende dieses Monats als abgeschlossen betrachtet werden. Zwar folgen noch immer wieder einzelne Streiks mit denselben Erscheinungen im Juni, doch es bleiben einzelne Streiks und sind somit nur als die Nachzügler der großen Bewegung anzusehen.

Diese Streikbewegung ist ohne Frage für die französische Arbeiterbewegung ein Wendepunkt und nicht nur für die französische allein. Darüber hinaus ist dem unaufhaltsamen Vordringen der Bourgeoisie-Reaktion, die nach der Niederlage der revolutionären Bewegung in Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien usw. in den Jahren 1919-1920-1921 einsetzte, und die mit dem Einsetzen der nationalsozialistischen Partei-Diktatur in Deutschland sich überall breit machte, ein Halt geboten. Ob dieser Halt zu einem Wendepunkt in der Entwicklung wird und dem Proletariat mehr Lebensraum und auch Kampfmöglichkeiten gibt, oder ob es nur ein Aufräumen war vor noch tieferem Fall, das wird die Zukunft lehren. Aber wie dem auch sei –, es wird sich der Mühe lohnen, diese Frage nach allen Richtungen hin zu untersuchen, denn ihre Beantwortung ermöglicht uns einiges von den kommenden Kämpfen im Voraus zu sehen. Für die französischen Arbeiter aber kommt es darauf an, dass sie den von ihnen selbst eingeschlagenen Weg im Klassenkampf begreifen, denn nur wenn sie ihn bewusst fortsetzen, werden sie auf demselben Fortschritte machen, können sie zu dem ersten Erfolge neue hinzufügen. Wird es ihnen nicht bewusst, dass sie neue Wege im Klassenkampf gegangen sind, dann gewinnen die Methoden der parlamentarisch-gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung wieder die Oberhand, dann lassen sich die Arbeiter binden an Tarifverträge, legen sich selbst den gewerkschaftlichen Organisationszwang auf und werden so gebunden der Bourgeoisie-Reaktion ausgeliefert. Eine neue Welle von politischer Knechtung und wirtschaftlicher Verelendung schwämmt dann alle Errungenschaften wieder hinweg, was schließlich zu einem Zustande führt, wo der letzte Rest einer legalen Arbeiterbewegung ausgerottet ist. In diesem Sinne gesehen hängt der weitere Verlauf der Entwicklung nicht nur in Frankreich, sondern weiter darüber hinaus von der Einsicht und Tatkraft ab, die das französische Proletariat in der nächsten Zukunft entwickeln wird.

„Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein“, – dieser Satz ist nicht nur wahr, wenn es um die endgültige Befreiung und das Abschütteln der politischen und ökonomischen Herrschaft der Bourgeoisie geht. Auch wenn es um die Abwehr von politischen und wirtschaftlichen Verschlechterungen oder um Verbesserungen geht, das heißt also um Kämpfe, die nicht den Sturz der Kapitalherrschaft zum Ziel haben –, auch dann müssen die Arbeiter selbst handelnd auftreten. Diese alte Wahrheit ist durch die letzte große Streikbewegung in Frankreich wieder einmal überzeugend bewiesen worden. Wenn man den Partei- und Gewerkschaftsführern glauben will, dann ist es die Partei oder die Gewerkschaft, wodurch die Verschlechterungen zurückgewiesen oder Verbesserungen erreicht werden. In Wirklichkeit sind sie davon überzeugt (viele von ihnen machen auch keinen Hehl daraus), dass sie selbst es sind, die am Verhandlungstisch „etwas für die Arbeiter herausholen“ oder im Parlament durch überzeugende Reden und eine geschickte Taktik ein Maximum von Erfolg erreichen. Darum wird auch die Organisation den „besten Köpfen“ untergeordnet, um zu einem tauglichen Instrument in ihren Händen zu werden. Und doch ist es eine Binsenwahrheit, dass kein Kapitalist Zugeständnisse macht an einen Unterhändler, wenn er nicht mit dem tatkräftigen Auftreten der Arbeiter zu rechnen hat. Noch viel weniger wird die besitzende Klasse durch glänzende Reden sich bewegen lassen, den Arbeitern politische Rechte zu geben, wodurch ihre eigene Klassenherrschaft bedroht wird. Die Arbeiter müssen selbst aufmarschieren und die Macht der Besitzenden bedrohen, dann erst rufen diese um die Unterhändler und bieten Zugeständnisse an, um damit die Arbeiter zu beschwichtigen.

Die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie hat in den letzten 15 Jahren alles getan, um diese Wahrheit vergessen zu machen. Das gelingt ihr natürlich nur, wenn keine Aktionen stattfinden, die sie ins Gedächtnis zurückrufen, und das war eben seit der Niederlage der revolutionären Bewegungen nach Kriegsende der Fall.

Hiermit rühren wir einen Punkt an, den man besonders ins Auge fassen muss, wenn man die Arbeiterbewegung in der Nachkriegszeit und auch die jetzige Streikbewegung in Frankreich verstehen will. Zuerst wird dann deutlich, dass durch gewöhnliche Streiks in einzelnen Betrieben und Industrien, ja selbst in mehreren Industrien, die Kapitalherrschaft nicht bedroht wird. Überall haben in den modernen kapitalistischen Ländern in den letzten 15 Jahren solche Streiks stattgefunden, und in keinem einzigen Falle konnte von einem Zurückweichen der besitzenden Klasse gesprochen werden. Die politische und wirtschaftliche Macht der Kapitalisten wurde dadurch nicht bedroht. Der eine Grund, wodurch Unternehmer im Falle eines Streiks zum Nachgeben gezwungen werden konnten, nämlich wirtschaftliche Schädigung, fällt heute nicht mehr ins Gewicht. Nach allen möglichen Seiten hin sind sie heute gegen solche Schäden versichert, ja sie laufen umgekehrt Gefahr, wegen Zugeständnissen an die Arbeiter von kapitalistischer Seite aus geschädigt und bestraft zu werden. Besonders deutlich kam dies zum Ausdruck in Belgien, wo der Staat in die letzte große Streikbewegung entscheidend eingriff. Als typisches Beispiel nennen wir nur die Art und Weise, wie dem Straßenbahnerstreik in Antwerpen ein Ende gemacht wurde. Einige Tage nachdem ein Angebot der Unternehmer mit 5% Lohnerhöhung von den Streikenden mit großer Mehrheit abgewiesen war, einigten sich Unternehmer und Gewerkschaften über eine Lohnerhöhung von 3%. Die Versammlung der Streikenden, die hierzu Stellung nehmen sollte, endete in einem Tumult und kam zu keinem Beschluss. Darauf rief der Gouverneur der Provinz Antwerpen die Direktion der Straßenbahn und die Führer der betreffenden Gewerkschaften zu sich und teilte ihnen mit, dass die Behörde es nicht dulden könne, dass die öffentlichen Verkehrsmittel still liegen. Er drohte mit der Anwendung der „Notverordnung“ vom 22. Juni 1936, in den ersten Tagen der belgischen Streiks erlassen, die der Behörde das Recht gibt, die Wiederaufnahme der Arbeit zu befehlen und diejenigen, die dem Befehl keine Folge leisten, mit Geldstrafe und Gefängnis bedroht. Die Gewerkschaften beschlossen darauf, den Streik für beendet zu erklären. Die Streikenden selbst fügten sich schließlich auch, hauptsächlich wohl, weil die große Streikwelle schon abgeebbt war. Auf diesem besonderen Gebiete haben die Arbeiterparteien und Gewerkschaften eine stets steigende Rolle gespielt, eben weil für den Bestand der Kapitalherrschaft alles davon abhängt, dass die Streiks und Aktionen der Arbeiter sich im gesetzlichen Rahmen bewegen, das heißt in ungefährliche Bahnen abgeleitet werden. Aus diesem Grunde waren die bestehenden Arbeiterorganisationen für staatliche Funktionen wie geschaffen. Sie beherrschen am sichersten das Denken und Handeln der Arbeitermassen, und wenn das auch im Laufe der Zeit immer weniger wahr wird, so beherrscht die Organisationsbürokratie um so sicherer den organisatorischen Apparat von Partei und Gewerkschaft. Und das ist, solange die Arbeiter für ihre Aktionen keine andere Organisation haben, entscheidend.

Die Rolle, welche diese Organisationsbürokratie spielt, ist nun ohne weiteres deutlich: Sie ist bestrebt, alle Konflikte, die politischen wie die auf wirtschaftlichem Gebiete, zu vermeiden. Bei Konflikten in Einzelbetrieben gelingt ihr das in der Regel, weil es für die Arbeiter einzelner Betriebe aussichtslos ist zu streiken, noch dazu ohne die Unterstützung der Organisation. Wagen die Arbeiter es doch, dann besteht kein Zweifel, dass sie zur Strecke gebracht werden, ob es nun ein wilder Streik ist oder ob er ausnahmsweise von der Gewerkschaft anerkannt und unterstützt wird. Doch damit ist der Konfliktstoff nicht aus der Welt, denn automatisch setzen sich nur die Unternehmerinteressen durch. In größeren Bewegungen macht sich dann dieser Konfliktstoff Luft, und hier tritt die Organisationsbürokratie aktiv zusammen mit der Staatsgewalt auf, oder wie es oftmals schon der Fall war, sie ist selbst Inhaber der Staatsgewalt. Mit allen Bewegungen werden solche Bewegung bekämpft, lokalisiert [?], die Arbeiter mit der bewaffneten Macht bedroht, dem Hunger preisgegeben und so die Bewegung schließlich erstickt. Jedes kapitalistische Land hat nach dem Kriege in unaufhörlicher Reihenfolge solche Bewegungen und ein solches Auftreten der Organisationsbürokratie erlebt.

So lehrt uns die Geschichte der Arbeiterbewegung in der Nachkriegszeit, dass nur große allgemeine Massenaktionen, wodurch die Herrschaft der Bourgeoisie selbst bedroht wird, imstande sind, das Kapital zu Zugeständnissen zu bewegen. Aber sie lehrt uns zugleich, dass solche Klassenaktionen nur zum Erfolg führen, wenn sie sich gegen und außerhalb der alten Arbeiterorganisationen entfalten. Das heißt aber auch, dass die Arbeiterklasse sich für die Durchführung dieser Massenaktionen neue, andere Organisationen schaffen muss, denn ohne Organisation ist ein gemeinsames Handeln der Arbeitermassen nicht möglich.

In einer Situation, wo die breiten Arbeitermassen die Fesseln der staatlichen gewerkschaftlichen Ordnung von sich abwerfen, da müssen die Vertreter der Ordnungsparteien und Gewerkschaften für diese Ordnung eintreten. Vor allem in der zweiten Periode der Streikwelle, als die Regierung Blum die Macht übernommen hatte, war die Aktivität der Volksfront-Organisationen in dieser Richtung groß. So erklärte Maurice Thorez am 13. Juni in einer Versammlung der Pariser Kommunisten im Gymnasium Jean Jaurés:

„Man muss einen Streik zu beenden wissen im Augenblick, wo die wesentlichen Forderungen bewilligt sind. Man muss selbst verstehen, einem Kompromiss zuzustimmen, damit man keine Kraft verspielt und vor allem nicht die Aufhetzungskampagnen und das Erwachen einer Panik durch die Reaktion erleichtert.“

Und Jacques Duclos schreibt in der Humanité vom 10. Juni:

„[…] unsere Partei, die genügend Mut hat (hört, hört!), ließ ihre Stimme hören und hat gesagt: ‚Die Kameraden Arbeiter, deren Forderungen bewilligt sind, müssen die Arbeit wieder aufnehmen.‘“

Sie üben nur ihre Funktion aus, und sie folgen nur dem Gebot der Selbsterhaltung, die einzelnen Führer sowohl wie die ganze Organisation, wenn sie so handeln. Das Kapital zwingt solche Handlung ab, weil demokratischer Staat und Gewerkschaftsorganisation nur so lange bestehen, wie sie eine Ordnung garantieren können, die die Kapitalproduktion ermöglicht. Können die Arbeiterparteien und Gewerkschaftsorganisationen eine solche Ordnung nicht garantieren, dann stehen schon die faschistischen Organisationen bereit, die mit der Staatsmacht ausgerüstet, die Arbeiter unterwerfen und für die kapitalistische Ausbeutung gefügig machen. Darum kämpfen die Volksfrontparteien und Gewerkschaften gegen den „Faschismus“ –, denn wird der „Faschismus“ zur herrschenden Ordnung, dann werden sie vernichtet, ihre Funktion als Vermittler und Unterhändler ist dann abgelaufen. Auf der anderen Seite werden sie bedroht von den großen Massenbewegungen, die die „Ordnung“ durchbrechen. Der Kampf der alten Arbeiterorganisationen ist darum in nicht minderem Maße gegen diese Massenbewegung gerichtet, das heißt auch gegen jede Person und jede Organisation, ja gegen jeden Gedanken, der solche Bewegungen fördern könnte. Darum müssen auch die Bolschewisten als Teil der „Volks-“ und Gewerkschaftsfront dagegen zu Felde ziehen.

Zahlreich sind denn auch die Aufrufe, worin die verschiedenen Arbeiterorganisationen vor sogenannten Provokateuren und verdächtige Elemente warnen, die mit den Streiks nichts zu tun haben und die die Arbeiter aufhetzen, um die Konflikte zu verschärfen und zu verlängern. So erklärte Salengro, Minister des Innern im Ministerrat Blum, am 11. Juni: „Ich warne die Arbeiterklasse vor all den Elementen, die nichts mit der Gewerkschaftsbewegung zu tun haben, und vor allem diejenigen von rechts oder von links, die versuchen, die heutigen Schwierigkeiten zu verärgern oder zu verlängern.“

Anlässlich der Beschlagnahme des Trotzkistischen Blattes La Vie Ouvrière schreibt die Humanité (15. Juni): „Mit diesen Provokateuren haben wir nichts gemein.“

Die Frage ist nun, wie bekämpft die Volks- und Gewerkschaftsfront die Massenbewegung und wie muss darauf von Seiten des revolutionären Proletariats geantwortet werden. Auf den ersten Teil dieser Frage hat die Volks- und Gewerkschaftsfront in Frankreich und Belgien (auch in Holland, siehe Fischer-Streik in IJmuiden) soeben in der Praxis eine ausgiebige Antwort gegeben. Wir haben nur das Nötige aus der Fülle dieser Praxis herausgegriffen. So wird uns zum Beispiel über das Auftreten des k.p. Abgeordneten von Boulogne, Costes, der zugleich Sekretär des Metallarbeiterverbandes ist, berichtet: „Wie bekannt war bei Renault die Arbeit nach drei Tagen wieder aufgenommen worden unter der Bedingung, dass die Unterhandlungen über den Kollektivvertrag sofort beginnen sollten; aber als die Arbeiter bemerkten, dass die Unternehmer die Verhandlungen sabotierten, legten sie sofort die Arbeit nieder. Die Direktion hat dann Costes mit ihrem Auto geholt, der von den Arbeitern mit Rufen wie: „Schuft, du hast dich schon verkauft!“ usw. empfangen wurde. Herr Costes ging zuerst zur Direktion und sprach nachher erst zu den Arbeitern, die er aufforderte, ohne weiteres die Arbeit aufzunehmen. Das gelang ihm nicht, und die Kommunistische Partei befand sich in einer schwierigen Lage. Die Rettung kam von den Unternehmern, die am selben Abend die Verhandlungen abbrachen mit der Erklärung, dass sie unter dem Druck der besetzten Betriebe nicht zu Verhandlungen bereit waren. Dies verschaffte der Kommunistischen Partei den willkommenen Anlass, die Arbeiter jetzt auch zum Streik aufzurufen, während diese schon 24 Stunden die Arbeit niedergelegt hatten.“

An diesem Beispiel ist zu sehen, wie in den einzelnen Betrieben von Anfang an versucht wurde, die Arbeiter vorläufig mit Versprechungen abzuspeisen, um, als das nicht gelang, die volle Autorität des (hier kommunistischen) Gewerkschaftsführers in die Waagschale zu werfen. Als auch das ohne Erfolg bleibt, wird der Schwenk vollzogen und stellt sich die Organisation an die Spitze der Bewegung. Dieser Schwenk war absolut notwendig, wenn die Volks- und Gewerkschaftsfront nicht allen Einfluss bei den Streikenden verlieren wollte. Der Massenstreik war gegen den Willen der Organisationen zur Tatsache geworden. Nun galt es, ihm einen solchen Charakter zu geben, dass er der kapitalistischen Ordnung nicht gefährlich werden konnte. Darum vor allem „Ordnung“, Ordnung in der Streikhandlung selbst. Keine Eingriffe in das Eigentumsrecht, keine Gefährdung der „öffentlichen Sicherheit“. Man kennt nur eine Sorge, dass das Auftreten der Streikenden nicht gegen das bürgerliche Gesetz verstößt. „Ordnung“, auch bei der von den Arbeitern allgemein durchgeführten Besetzung der Betriebe. Mit welchem Eifer die „beispiellose Ordnung“ in den besetzten Betrieben, wie überhaupt die Disziplin der Streikenden gerühmt wird, davon kann man sich kaum einen Begriff machen. Wir bringen auch hierfür nur einen Auszug aus der Populaire:

„Übrigens wurde sofort mit Disziplin die Arbeit unter den Betriebsbesetzern verteilt. Die Arbeitsräume wurden von unten bis oben gereinigt, während bei den Feuerlöscherapparaten Wachtposten aufgestellt wurden. Zugleich wurden alle Sicherheitsmaßregeln getroffen zum Schutze der im Bau befindlichen Apparate, und schließlich ist es ebenso wie in lssy verboten, Alkohol in den Betrieb zu bringen. Auf Ansuchen von Costes kam der Polizeikommissar die Fabrik besichtigen, und er konnte nur die völlige Tauglichkeit der getroffenen Maßnahmen konstatieren.“
(Populaire, 26. Mai 1936).

Dass die Besetzung der Betriebe im Streik eine gegen das Kapital gerichtete und darum auch ungesetzliche Handlung ist, darüber besteht kein Zweifel, auch nicht bei der Volks- und Gewerkschaftsfront. Die Frage ist für sie nur, wie diese Handlung ungeschehen oder wenigstens unschädlich gemacht werden kann. Die Enträumung der Betriebe mit der bewaffneten Macht kam, nachdem die Betriebsbesetzung eine allgemeine Erscheinung geworden war, nicht mehr in Frage. Man musste damit rechnen, dass die Arbeiter sich zu Wehr setzen; und wenn es so große Massen sind, dann ist der Ausgang des Kampfes noch nicht sicher. Die Fabriken selbst laufen dabei Gefahr, vernichtet zu werden, und die Volksfrontregierung muss selbst ihre eigenen Anhänger niederkartätschen. So oder so bedeutet das das Ende der Volksfrontregierung. Darum hatte sie keine Wahl. Die Volks- und Gewerkschaftsfront musste Denken und Handeln der streikenden Arbeiter beherrschen und dadurch für das Kapital ungefährlich machen. Wir haben uns davon überzeugen können, dass sie diese Aufgabe glänzend gelöst hat. Sie war beweglich genug, um da auszuweichen, wo die Streiks revolutionären Charakter annahmen. Die Regierung sorgte dafür, dass die Streikenden auf keinen Widerstand stießen; in den Betrieben nicht und nicht bei Demonstrationen auf der Straße; sie stießen ins Leere. Die politischen Machtmittel des Staates und die Verfügungsgewalt des Kapitals über die Betriebe wurden dadurch nicht angetastet, wenigstens so lange nicht, wie die besetzten Betriebe von den Arbeitern jetzt beschützt und in Ordnung gehalten wurden. Und darauf kommt es schließlich doch nur an.

Und doch fühlt die besitzende Klasse, – mehr als dass sie es weiß, – das Gefährliche einer solchen Situation. Wenn eine solche Streikbewegung, mehr noch als es in Frankreich und Belgien geschah, immer gleichzeitig und allgemein erfolgt, dann ist kein Vergleich mehr möglich. Und doch kann ein solcher Übergang von kapitalistischer Ordnung und Disziplin zur revolutionären Ordnung und Disziplin jeden Augenblick erfolgen, wenn nur die Bewegung groß genug und die Möglichkeit, Konzessionen zu machen, erschöpft ist. Oder, – das ist die politische Erscheinungsform solcher Geschehnisse –, wenn die Ideologie der alten Arbeiterbewegung nicht mehr das Denken und Handeln der Arbeitermassen beherrscht.

Die französische Bourgeoisie, und nicht nur die französische allein, überall in der Welt stellt die Bourgeoisie mit Bangen die Frage: Werden die Gewerkschaften und Volksfrontparteien in der Lage sein, die Arbeiter im Zaum zu halten? Und welche Antwort geben die Gefragten? Lesen wir, was darüber das Hauptorgan der französischen Sozialisten, Populaire schreibt:

„Die Zeitungen von rechts, oder besser, die Zeitung der Bourgeoisie, verweisen auf die Mühe, die eine Streikbewegung von einem Umfang, wie man gegenwärtig wahrnehmen kann, hat, um plötzlich zum Stillstand zu kommen, selbst dann, wenn ein versöhnlicher Geist geweht hat […] Die feinen Herren wenden sich an die c.g.t. um ihr zu sagen: Ihr habt doch getan, was möglich war, mit der Hilfe und selbst der Initiative einer Volksfrontregierung, mit welcher ihr Übereinkommen gegenseitiger Zusammenarbeit habt. Wohl an! Ihr seht, die Gewerkschaften sind nicht Herr über alle Arbeiter und die Kraft der Streikwelle geht über sie hinweg […] Anstelle die aufeinander folgenden Arbeitsniederlegungen aufzuzählen, täten sie (die Zeitungen) besser, die Bilanz zu ziehen von den großen Unternehmungen, die in einigen Tagen ihre Bewegung begonnen und beendet haben […]
[…] Aber selbst, wenn von eurer Seite nicht übertrieben wäre, bewusst oder unbewusst, wenn tatsächlich die Gewerkschaftsorganisation auf die gesamte Arbeiterklasse nicht den Einfluss haben sollte, den ihr im Augenblick allen Anlass habt zu wünschen, - wen trifft die Schuld? […] Im Verlauf des Streiks sind […] etwa 2 Millionen Arbeiter […] von der Bewegung erfasst. Hiervon ist keine halbe Millionen in den Gewerkschaften organisiert. Ich wiederhole: Wen trifft die Schuld?
An Propaganda hat es nicht gefehlt. Aber wer hat sich gegen die Ausdehnung und Befestigung ihrer Resultate widersetzt? […] Wir wollen sprechen über die Unternehmer selbst. Haben sie nicht während Jahren und wieder Jahren den Gewerkschaften die Anerkennung verweigert, die doch gesetzlich anerkannt sind? War es denn nicht eine allgemein gebräuchliche Handlungsweise […] die Organisierten so viel wie möglich auf die schwarze Liste zu setzen, sie aus den Betrieben und von den Arbeitsplätzen zu verjagen, unter Vorwänden, oder selbst ohne jeden Grund? Wenn daher die Bourgeoisie im Augenblick bedauert, dass die Gewerkschaften nicht über die vollkommene Autorität verfügen, die sie nötig haben, […] dann ist sie es, die hier direkt zufassen muss […] Es lohnt sich der Mühe, um die Reklame für die Gewerkschaften zu sehen, die von der Bourgeoisie und ihren Helfern im Augenblick gemacht wird. Wir zweifeln nicht daran, dass die Arbeiter davon profitieren und in Zukunft begreifen werden, dass sie, indem sie sich organisieren, nicht nur nützlich sind für sich selbst, sondern auch für die Nation als Ganzes“
(Populaire, Juni 1933).

Man ist sich im Lager der Reformisten sehr wohl bewusst, dass die Gewerkschaften und Volksfront die erste Feuerprobe bestanden haben. Sie pochen darauf und nehmen natürlich die Gelegenheit wahr, den Unternehmern gegenüber eine möglichst günstige Position einzunehmen. Sie machen es der Bourgeoisie begreiflich, dass die Ordnungsfunktion von Volksfront und Gewerkschaften für sie im Augenblick unentbehrlich ist. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen hat das aktive Auftreten der französischen Arbeiter die Position der Volks- und Gewerkschaftsfront erst recht gefestigt. Die Aktion zeigte, wie gefährlich ein selbständiges Auftreten der Arbeiter für die Bourgeoisie werden kann, und zugleich gab sie Volksfront und Gewerkschaften Gelegenheit zu beweisen, dass sie dieselbe bändigen, „ordnen“, können. Aber mehr noch. Es ist jedem einsichtigen Kapitalisten deutlich geworden, auf welchem Wege man solche gefährlichen und allgemeinen Aktionen eindämmen, ungefährlich machen und schnell beenden kann. Man muss den Einfluss der Gewerkschaften vergrößern, muss sorgen, dass die breiten Arbeitermassen, die bis dahin außerhalb der Gewerkschaften standen, der Organisationsdisziplin unterworfen werden. Eine solche Unterwerfung der Lohnarbeiter wird von dem größten Teil der französischen Bourgeoisie im Augenblick noch für sicherer gehalten als die faschistische, die alle Sicherheitsventile dichtdreht, und schließlich mit Henker und Beil, mit Gasbomben und Maschinengewehren arbeiten muss. Aber doch gibt die Bourgeoisie nicht ohne Grund eine solche Machtposition an Gewerkschaften und Volksfrontparteien, wie jetzt in Frankreich. Wenn sich nicht zeigt, dass soziale und politische Spannungen vorhanden sind, ja, selbst wenn sie in nicht genügendem Masse zum Ausbruch kommen, dann regeln die Unternehmer mit „ihren“ Arbeitern und den bürgerlichen Parteien in ihrem Staate am liebsten die Geschäfte selbst. Aber das ist es eben, was im modernen Frankreich anders geworden ist. Der Hochkapitalismus hat gemacht, dass Einzelbewegungen unmöglich geworden sind und sich Spannungen aufhäufen; und die langwährende Krise macht die Not, und damit auch die Spannungen so groß, dass sie sich in allgemeinen Aktionen entladen. Hier hat der einzelne Unternehmer und auch die bürgerliche Partei ausgespielt. Hier beginnt die Rolle der Arbeiterparteien und Gewerkschaften, die, um ihre eigene Existenz zu halten, gezwungen sind, sowohl das Kapital wie die Lohnarbeit, Bourgeoisie sowohl wie Proletariat im Leben zu erhalten, – dies ist der dritte wichtige Gesichtspunkt, der uns zum Verständnis der französischen Streikbewegung führt.

Man befindet sich im Irrtum, wenn man nur auf das Abwürgen des Streiks durch Volks- und Gewerkschaftsfront weist und daraus schlussfolgert, dass diese Front völlig auf Seiten der Bourgeoisie steht. Natürlich war dieses Auftreten im Interesse der Bourgeoisie, und ist es auch wahr, dass sie im weiteren Verlauf so gut wie ausschließlich für dieselben Interessen eintreten wird. Je mehr die Bürokratie der Volksfrontorganisationen sich in Staatsstellungen einnistet, um so mehr wird sich diese Tendenz durchsetzen. Aber doch kam diese Aktion der Arbeitermassen der Bürokratie insofern gut zustatten, indem sie ihr half, sich bei der Bourgeoisie durchzusetzen und Anerkennung zu verschaffen. Und wenn sie ihre Interessen gut im Auge behält, dann wird sie dafür sorgen müssen, dass die Bourgeoisie die Arbeiteraktionen auch in Zukunft fürchten muss. Die Blum-Regierung zögert, mit der bewaffneten Macht die besetzten Betriebe zu enträumen. Das ist es eben, dass Volks- und Gewerkschaftsfront, um ihre ordnende Funktion ausüben zu können, beides nötig hat: die Aktion der Arbeiterschaft sowohl wie die Bourgeoisie, die die Beendigung solcher Aktionen verlangt. Sie ist nur in Funktion, wenn Kampf zwischen Arbeiterschaft und Bourgeoisie geführt wird und von ihr im Sinne der Erhaltung der kapitalistischen Wirtschaft gebändigt werden kann. Es ist eine unmögliche Aufgabe, die sie sich stellt, denn es ist unmöglich, die Arbeiter dem Kapitalinteresse zu unterwerfen, ohne dadurch die Bourgeoisie zu stärken. Mit jeder Handlung, die sie zugunsten des Kapitals in diesem Kampf verrichtet, unterwühlt sie den Boden, auf dem sie selbst steht. So bleibt ihr denn schließlich nichts anderes übrig, als sich völlig auf die Seite der Bourgeoisie zu stellen, wodurch es ihr unmöglich wird, mit ihren Methoden die Arbeiter dem Kapital zu unterwerfen. Damit ist dann auch ihre Funktion abgelaufen, sie muss abtreten vom Schauplatz der Politik.

Doch vorläufig ist es noch nicht so weit. Breite Arbeitermassen, bis dahin außerhalb der Organisation stehend, glauben ihre augenblickliche Erfolge durch Volksfrontregierung und Gewerkschaftsorganisation gesichert. Sie strömen in Massen in die Organisationen, um sie größer und stärker zu machen, und damit das Erreichte zu sichern. So ist nach einem Bericht vom 23. Juni die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder von 900 000 auf 2 600 000 gestiegen. Denn wenn Gewerkschaften und Volksfrontparteien auch gegen die wilden Streiks und hauptsächlich gegen ungesetzliche Handlungen dabei auftreten, so machten sie sich doch zum Anwalt der Forderungen, die die breiten Massen in diesen Aktionen erhoben. Es ist wahr, sie brachten auch „Ordnung“ in die Forderungen, schnitten „unmögliche“ und „ungerechte“ Forderungen ab und gaben ihnen vor allem eine Richtung, wodurch der Einfluss der Organisation in zukünftigen Konflikten stärker wird. Aber schließlich brachten sie doch zum Ausdruck, was breite Massen forderten. Und sie sind weiter für breite Massen die einzige Sicherheit in den augenblicklichen Verhältnissen, dass die bewilligten Forderungen auch eingehalten werden. Man urteilt darum falsch, wenn man meint, dass durch das Auftreten von Volksfront und Gewerkschaften gegen die Massenaktion die Rolle dieser Organisationen bei den Arbeitern sehr schnell ausgespielt sein wird. Nur erst der revolutionäre Teil des Proletariats hat seinen Gegner erkannt. Das französische Kapital ist obendrein an ein gutes Verhältnis zu den französischen Arbeitern interessiert, weil große Kapitalsummen in Anleihe europäischer Staaten wie Tschechoslowakei, Jugoslawien, Rumänien, Polen angelegt sind. Um diese Kapitalanlage zu beschützen und deren Zins zu sichern, muss Frankreich gegen seine Gegenspieler in der europäischen Politik, hauptsächlich gegen Deutschland, kämpfen. Die dafür angewiesene Politik ist die der anti-faschistischen „Volksfront“ –, sie ist die ideologische und organisatorische Vorbereitung dieses Kampfes selbst. Diese Tatsache ist sicher nicht ohne Einfluss gewesen daran, dass die Volksfrontregierung die besetzten Betriebe nicht mit bewaffneter Macht enträumen ließ. Wenn sie die Arbeiter aus den Betrieben heraus geschlagen hätte, dann wäre damit auch die eigene „Front“, die gegen das faschistische Deutschland, – das heißt auch: für das im Ausland angelegte Kapital - kämpfen muss, auseinander geschlagen. Auch die Bourgeoisie hatte hierfür Verständnis, und zeigte sich in den Arbeitskonflikten aus Rücksicht – mit den Kapitalinteressen im Ausland – nachgiebig und versöhnungsgesinnt.

Mit welchem Fanatismus die Parteien der Volksfront sich auf die Verteidigung des kapitalistischen Frankreichs gegenüber dem faschistischen Deutschland werfen, das kann man am besten sehen an den Äußerungen der kommunistischen Partei, die auf diesem Gebiet ihre sozialdemokratische Schwester in den Schatten stellt. Hier ein paar Proben: „[…] schwören wir, alles zu tun für die Einheit der französischen Nation, um zu verwirklichen das freie, starke und glückliche Frankreich, das die Kommunisten wollen und machen werden.“ (Aus dem Eid, durch die kommunistischen Abgeordneten abgelegt, am 14. Juni auf der Buffalo Tribüne von Vaillant-Couturier vorgelesen. – Humanité, 15. Juni).

„Ein Gruß an die Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und Matrosen der Armeen der Republik. Wir sind von ganzem Herzen mit ihnen für die Verteidigung des Brotes und die Beschützung der demokratischen Freiheiten.
Wirkliche Maßnahmen für das öffentliche Wohl sind nötig gegen die Bedrohung durch die Hitlerleute im In- und Auslande. Hinweg mit den faschistischen Offizieren aus der Armee. Platz für republikanische Offiziere!“
(Humanité, 15. Juni, – aus einer Rede von Michaud).

Die Rolle der Gewerkschaften und parlamentarischen Arbeiterparteien ist nicht nur, sich gegen die selbständigen revolutionären Aktionen der Arbeiter zu kehren. Sie sind gewachsen als, und waren es sicher noch bis zum Kriege 1914-1918, das Instrument des Arbeiterkampfes innerhalb der kapitalistischen Ordnung. Dieser Kampf nahm mehr und mehr die Form einer gesetzlich sanktionierten Interessenvertretung an. Diese Seite ihrer Funktion ist geblieben; und auf diesem Gebiete spielen die alten Arbeiterorganisation in Frankreich im Augenblick noch eine große Rolle.

Das wird uns deutlich, wenn wir nicht nur die revolutionären Kampfhandlungen der Arbeiter im Auge behalten, nicht nur die Massenstreiks und Fabrikbesetzungen, ihr selbständiges Auftreten, die neue revolutionäre Form der Organisation, die sie dabei schaffen und womit sie die alten Organisation und deren Auffassungen überwinden. Nein, auch die andere Seite, nämlich dass diese Kämpfe enden mit ein paar Pfennigen Lohnerhöhung, diesen oder jenen Erleichterungen in dem Druck der politischen und ökonomischen Ordnung, wenn es gutgeht, oder aber mit Niederlagen.

Ein Kampf endet, solange die besitzende Klasse nicht endgültig überwunden ist, mit einem Ergebnis, mit diesem oder jedem Übereinkommen. Wenn die Kräfte nicht ausreichen, um den Kampf weiterzutreiben, dann ist dies das unvermeidliche Ende. Es fällt dann auch keinem verständigen Arbeiter ein, sich gegen die Befestigung solche Ergebnisse eines Kampfes zu wenden. Und für eine solche Sicherung von einmal erreichten Rechtszuständen oder versprochenem Lohn- und Arbeitsverhältnissen, dienen eben bis heute noch die legalen, parlamentarischen Arbeiterparteien und Gewerkschaften. Gerade in Frankreich, wo die letzte große Streikwelle solche Erfolge braucht, treten die alten Organisation heute erst recht in diese Funktion ein. Nicht nur die Unternehmer und Kapitalisten haben die Arbeiterorganisation nötig, um sich gegen den revolutionären Ansturm zu behaupten – auch die Arbeitermassen sind darauf angewiesen, wenn sie das Erreichte festhalten wollen. Darum strömen Millionen in die Organisationen, um sie zu verstärken.

Das ist eben der Widerspruch in der dialektischen Entwicklung, dass die der revolutionären Massenaktion feindlichen Volksfront und Gewerkschaften den Arbeitermassen sichern und verschaffen müssen, was die Massen in derselben revolutionären Aktion, gegen Volksfront und Gewerkschaften, erobert haben. Daraus folgt auch, dass die Massen in der Praxis beides tun: Wenn die Umstände sie dazu zwingen und zugleich die Möglichkeit sich bietet, dann treten sie revolutionär handelnd auf, wobei sich im Laufe der Entwicklung mehr und mehr zeigt, dass ihnen dabei die alten Organisationen und Auffassungen im Wege stehen. Dann gehen sie ihren eigenen Weg und treten auch in diesem Sinne umwälzend auf. Aber gibt es keine andere Möglichkeit, dann finden Sie sich auch mit einer von Gewerkschaften und Volksfront gehüteten „Ordnung“ ab, und sind sie selbst gewillt, diese Ordnung gegen die faschistische Ordnung zu verteidigen. Und selbst, wenn diese Letztere unvermeidlich wird, werden sie sich damit abfinden müssen, denn das oberste Gebot für das Handeln der breiten Massen ist, für sich selbst und den nächsten Angehörigen das Leben zu erhalten.

Wenn sowohl breite Arbeitermassen wie große Teile der besitzenden Klassen einer Ordnung zustimmen, sowie sie Gewerkschaften und Volksfront garantieren, dann erscheint diese Ordnung gefestigt und stabil. Wenn man den Abstimmungsergebnissen im Parlament glauben will, oder danach sieht, wie einerseits Millionen Arbeiter in die Gewerkschaften eintreten, andererseits so gut wie alle Unternehmer die Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeiter anerkennen, dann wird diese Annahme nur befestigt.

Und doch liegt dieser scheinbar so fest gefügten Ordnung ein unüberbrückbarer Gegensatz zu Grunde. Die breiten Arbeitermassen setzen sich für die Volksfrontregierung und Gewerkschaften ein, weil sie von ihnen die Sicherung politischer Rechte und ökonomischen Vorteile, wie 40-Stunden-Woche, Urlaub, auskömmlichen Lohn usw. erwarten. Demgegenüber muss die besitzende Klasse schließlich das genaue Gegenteil von den Ordnungshütern verlangen. Die Unternehmer gaben zwar im Augenblick ihre Zustimmung zu den Forderungen der streikenden Arbeiter, um damit den Gewerkschaften und der Volksfrontregierung die Möglichkeit zu geben, die revolutionäre Massenaktion aufzufangen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie vor allem die Rentabilität der Kapitale sicherstellen müssen. Und das ist eben nur möglich, wenn die „Errungenschaften“ der Arbeiter so umgebogen werden, dass sie keine Erfolge sind. Um das zu erreichen, stehen der besitzenden Klasse viele Wege offen und die Ordnungshüter können nichts anderes tun, als ihr dabei zu helfen.

Aber dadurch stoßen sie wieder die Arbeitermassen von sich ab, die sich betrogen fühlen und zu neuen Aktionen drängen. Dann wiederholt sich in Frankreich (wahrscheinlich in kürzester Zeit), was uns Sozialdemokratie und Gewerkschaften nach 1918 Deutschland zu sehen gaben, das heißt, die Arbeiterorganisation treten in immer stärkeren Maße für die Kapitalinteressen ein und die Arbeitermassen kämpfen um ihre Aktionsfähigkeit, indem sie sich dem Einfluss der alten Arbeiterorganisation entwinden. Nur ein Umstand ist anders als in Deutschland. Die k.p.d. mit ihrer noch blutjungen, revolutionären Tradition trieb die nach selbständiger Aktion drängenden Arbeiter immer wieder in die Arme der Gewerkschaften zurück. So kam die Arbeiterklasse nicht zur allgemeinen revolutionären Aktion und so konnte die neue faschistische Ordnung ohne Widerstand der Arbeiterschaft eingesetzt werden. Das konnte die k.p.d. tun, weil sie die Sozialdemokratie und scheinbar auch die Gewerkschaftspolitik bekämpfte. In Frankreich steht die k.p.f. von vornherein an der Seite der Volksfrontregierung und tritt offen für die gewerkschaftliche-demokratische Ordnung ein. Es ist kaum anzunehmen, dass sie dieselbe scheinrevolutionäre Rolle wie die k.p.d. in Deutschland spielen kann. Aber ist nicht schon die trotzkistische Opposition der III. Internationale, die IV. Internationale, an der Arbeit, um diese zweifelhafte Rolle zu übernehmen?

Der Klassenkampf ist in Frankreich mit der großen Streikwelle offen zutage getreten. Die Volksfrontregierung im Verein mit den Gewerkschaften hat zur Aufgabe, den Ansturm der Arbeiterklasse aufzufangen und umzubiegen zur Zusammenarbeit aller Klassen. Sie will so die „Einheit“, die „Schicksalsgemeinschaft“ des Volkes verwirklichen; sie will die Interessen der „Nation“ gegenüber den besonderen Klasseninteressen verkörpern und schließlich zum Durchbruch verhelfen.

Solche schönen Werte und das „ideale“ Streben ist uns bekannt genug, es unterscheidet sich nur in Nuancen von der nationalsozialistischen Phraseologie in Deutschland und erstrebt wesentlich dasselbe wie die nationale Bourgeoisie in allen modernen kapitalistischen Ländern. Darum wird die „Volksfront“regierung in Frankreich heute schon mehrfach als in Wirklichkeit faschistische Regierung von Frankreich angesprochen. Das geschieht nicht ohne Grund und nicht nur wegen der nationalistischen Phrase, womit die „Volksfront“ operiert. Und doch besteht ein wesentlicher Unterschied zum Nationalsozialismus in Deutschland. Die Methoden bei der Verwirklichung der „Einheit“, der „Schicksalsgemeinschaft des Volkes“ sind verschieden; – sie „organisieren“ die „Nation“ anders; die „Volksfront“ in Frankreich macht Gebrauch von den vorhandenen alten Arbeiterorganisationen, während in Deutschland neue, direkt unter dem Kommando des militarisierten Staates stehende Organisationen nötig waren. Es ist wahr, dass der Nationalsozialismus in Deutschland und die „Volksfront“ in Frankreich beide dieselbe Aufgabe erfüllen. Sie schaffen beide die nationale Organisation auf der Grundlage kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Aber es geschieht nicht in derselben Weise. Das muss, wenn die „Volksfrontregierung“ in Frankreich als in Wahrheit faschistische Regierung angesprochen wird, im Auge behalten werden.

Obendrein ist es bis jetzt noch ein Versuch. Der Widerstand der direkt nationalistischen, bürgerlichen Organisationen, die nach dem deutschen und italienischen Muster militärischen Charakter tragen, ist noch nicht überwunden. Sie sind im Augenblick noch ein Machtmittel der besitzenden Klasse, um die Volksfrontregierung den besonderen Wünschen der Bourgeoisie gefügig zu machen. Je mehr diese damit Erfolg haben, umso mehr kommt die Regierung in Gegensatz zur Arbeitermasse. Verliert dann die Volksfront ihren Einfluss auf die Arbeitermassen, dann zeigt sich eben, dass mit den Organisationen der alten Arbeiterbewegung die nationale Organisation nicht zu verwirklichen ist. Wahrscheinlich bekommt sie dann in stärkerem Maße militärischen Charakter, und es ist noch fraglich, ob dazu die alten Arbeiterorganisationen gebraucht werden können. Dann wiederholt sich, was in Deutschland geschah: Die alte Arbeiterbewegung wird von den Arbeitermassen in Stich gelassen und von der militarisierten Bourgeoisie wie ein Kartonhaus umgestoßen.

Wenn wir so die Entwicklung des Klassenkampfes in Frankreich verfolgen, dann lassen wir uns leiten von den Erfahrungen, die uns die deutsche Geschichte nach 1918 geliefert hat. Wir sehen dabei die alte Arbeiterbewegung als ein Faktor im Klassenkampf, der von Anfang an auf die Seite der Bourgeoisie trat, bei der leitenden Bürokratie geschah das sogar in starkem Maße bewusst. Aber das war auch aus der Situation nach Kriegsende zu erklären. Die Bürokratie in Gewerkschaften und sozialdemokratischer Partei hatte während des Krieges eine, der Kriegsführung völlig untergeordnete Funktion. Darum war sie auch zu einer eigenen Politik völlig unfähig.

Kann man das auch von der „Volksfront“ in Frankreich sagen? Tritt hier nicht eine Schicht von Intellektuellen, unterstützt von nach Verbesserung strebenden Arbeiterschichten, mit einem bewussten Programm zur Neuordnung der Gesellschaft auf kapitalistischer Grundlage auf den Plan? Mit anderen Worten: Ist die Volksfront in Frankreich nur eine Einrichtung, wodurch die Aktionen der Arbeiterklasse aufgefangen werden, und schließlich, weil die Bourgeoisie darauf hämmert, zertrümmert wird –, oder geht von ihr selbst auch noch Kraft aus? – Im Augenblick ist darauf noch keine Antwort zu geben, wenn auch manche Anzeichen dafür sprechen. Ausgeschlossen ist diese Möglichkeit jedenfalls nicht. Wir denken dabei an Maßnahmen der Volksfrontregierung, die eine Wiederbelebung der durch die Krise gelähmten Wirtschaft zur Aufgabe haben. Dazu gehört unter anderem, dass 20 Milliarden Francs für Regierungsaufträge zur Verfügung gestellt werden sollen; die Ausgabe von Staatsanleihen, um die Mittel dafür flüssig zu machen, und die erstrebte größere Verfügungsgewalt über die französische Staatsbank. Das deutet darauf hin, dass in Frankreich ähnliche Maßnahmen erfolgen wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Das sind Maßnahmen, wie sie schließlich mehr oder weniger in allen kapitalistischen Länder schon erfolgen, und die im Wesentlichen darin bestehen, das Risiko der Kapitalanlage durch den Staat zu übernehmen. Die privaten Unternehmungen sind nicht mehr imstande, den Kapitalbesitzern den Kapitalzins und damit auch den Wert ihres Kapitals zu sichern. Wenn da keine helfende Hand eingreift, wird die allgemeine Kapitalentwertung mehr und mehr zur Wirklichkeit. Nur ein kleinerer Teil des Gesamtkapitals kann diese Entwicklung ruhig abwarten, das ist das Monopol- und Trustkapital, dessen Betriebe auch jetzt noch gewinnbringend arbeiten. Doch scheinen auch die hieran interessierten Kapitalistenkreise sich den soeben genannten Maßnahmen der Regierung nicht zu widersetzen. Wie sollten sie auch, denn die Monopolstellung ihrer Betriebe sichern ihnen den größten Teil der Beute, der aus den 20 Milliarden Francs herauszuholen ist.

Inzwischen ist es doch die Volksfrontregierung, die durch solche Maßnahmen eine größere Kontrolle über große Teile des Wirtschaftslebens erhält. Das liegt durchaus nicht an dem Mut der Volksfrontpolitiker und auch nicht an ihrem Programm, sondern daran, dass solche Maßnahmen eben jetzt zur Erhaltung des Kapitals notwendig sind.

Dies alles zusammen, mit ihrer Beherrschung der Lohnarbeiterschaft durch die Gewerkschaften und der angestrebten Verstaatlichung von Teilen der Großindustrie, verschafft der Regierung eine Position, die sie weit über die einer politischen Zentralinstanz erhebt. Sie wird Kern und Kontrollapparat der kapitalistisch geregelten Wirtschaft.

Geht die Volksfrontregierung in Frankreich diesen Weg, dann ist sie es, die der kommenden kapitalistischen Entwicklung in Frankreich ihren Stempel aufdrückt. Dann setzt sie eine kapitalistische Organisation staatlichen Charakters durch, die der bisherigen Ordnung überlegen ist. Die deutsche Sozialdemokratie verrichtete nach 1918 nur Lakaiendienste für die besitzende Klasse, sie wurde schließlich mit einem Fußtritt hinausbefördert. Die französische Volksfrontregierung macht sich in einer anderen Situation bereit, die Geschäfte der besitzenden Klasse zu führen.

Die Volksfrontregierung hat ihre Aufgabe begonnen, indem sie die selbständigen Aktionen der Arbeiter desorganisierte, unschädlich machte und schließlich durch einen Kompromiss beendete. Aber wenn ihr dies auch gelang und sie in der Zukunft ihre Machtposition festigen kann; ja, selbst wenn sie innenpolitisch die wirtschaftliche Reorganisation und Strukturveränderung des Kapitals zuwege bringt und außenpolitisch keine Niederlage erleidet, selbst dann ist sie nicht Herr ihrer Lage und dem Zwang der Entwicklung unterworfen. Ihre Politik wird, je länger sie die Staatsmacht in den Händen hat, anderen Charakter annehmen. Sie hat begonnen mit dem Versuch, die Interessen der Arbeiterklasse mit den Kapitalinteressen zu verbinden, und sie wird enden mit der absoluten und offenen Wahrnehmung der Kapitalinteressen dem Proletariat gegenüber. Und das treibt die breiten Arbeitermassen schließlich wieder zur selbständigen Aktion, die sich dann nicht nur gegen die Unternehmer und die besitzende Klasse richten kann, sondern in erster Linie gegen die Volks- und Gewerkschaftsfront. Die Vorbedingung der selbständigen Aktion der Arbeiterklasse ist dann, dass sie sich bewusst gegen Volksfront und Gewerkschaft richtet.

So beginnt dann jetzt der Kampf um die Aktionsfähigkeit der Arbeiterklasse, der sich gegen die Volksfrontpolitik und Gewerkschaftsdisziplin richtet, und zugleich die Formen des revolutionären Massenkampfes, wie er organisiert und wie er geführt werden muss, den Massen deutlich vor Augen führt. Das geschieht praktisch in immer erneuten Vorstößen, die nicht zur allgemeinen Aktion werden können, solange die Arbeiterorganisationen noch genügenden Einfluss haben. Das geschieht andererseits durch eine konsequente, prinzipielle Propaganda für die selbständige Massenaktion, deren organisatorische Form uns die Arbeiterräte in Deutschland und die Aktionsausschüsse in Frankreich gezeigt, enthüllt haben. Eine der wichtigsten Aufgaben dieser Propaganda ist der entschiedene Kampf gegen das letzte Bollwerk der alten Arbeiterorganisationen, und zwar gegen den Leninismus. Es ist die Lehre, die den revolutionären Parlamentarismus und die Revolutionierung der Gewerkschaften propagiert, aber zugleich auch für die revolutionären Aktionsausschüsse und Sowjets eintritt. Es ist eine Politik, die beides zugleich will: die Funktion der Gewerkschaften und parlamentarischen Arbeiterparteien im Kapitalismus und das genaue Gegenteil, die revolutionäre Massenaktion durch Aktionsausschüsse. Aber was die Arbeitermassen können –, heute der Politik der alten Arbeiterorganisation folgen und morgen, wenn sie sich davon abwenden, selbst in Aktion treten, das darf eine politische Richtung nicht. Sie darf nicht von dem einen Gegensatz in den anderen verfallen, wenn sie richtunggebend sein will, da sie dann nur Verwirrung schafft. Die III. Internationale mit den ihr angeschlossenen Parteien hat unter dem Einfluss der russischen Außenpolitik mit dieser scheinradikalen Propaganda gebrochen. So ist auch die KPF offiziell in den Block der Volksfrontparteien aufgenommen und kann als solche nicht die selbständige Aktion der Arbeitermassen propagieren und unterstützen. An ihre Stelle sind die trotzkistischen und sonstigen Oppositionsgruppen der III. Internationale getreten, sie sich heute zur IV. Internationale zusammengeschlossen haben. Sie treten ein für die „Eroberung“ und „Revolutionierung“ der Gewerkschaften. Sie erwecken die Illusion bei den Arbeitermassen, dass die Gewerkschaftsführung von den Massen gezwungen werden kann, für die Forderungen der Arbeiter einzutreten. Sie wollen den Gewerkschaftsapparat zu einem Instrument der revolutionären Massenaktion machen.

Auch in den politischen Institutionen der bürgerlichen Ordnung wählen sie ein Kampffeld für die Arbeiterklasse. Zwar wird die Politik der Volksfrontparteien im Parlament als Arbeiterverrat verurteilt, aber das soll anders werden, wenn nur die echte revolutionäre Partei, von dem Vertrauen der Massen getragen, eine genügend starke Position im Parlament einnimmt. So bedauert Trotzkij in einem Artikel über die französische Streikbewegung („Nieuwe Fakkel“, 19. Juni 1936), dass bei den Volksfront-Wahlen in Frankreich keine Gruppe der IV. Internationale an den Wahlen teilgenommen hat. Zugleich aber schreibt er in (ebenda):

„Der letzte Kongress der Kommunistischen Internationale hat in seiner elektrischen Küche die Koalition mit den Radikalen und die Schaffung von Aktionsausschüssen, das heißt die Sowjets im Beginnstadium, nebeneinander gesetzt. Dimitrow, und auch seine Ratgeber, denken, dass man die Zusammenarbeit der Klassen mit dem Klassenkampf, den Block mit der Bourgeoisie mit dem Kampf um die Macht durch das Proletariat, die Freundschaft mit Daladier und die Aufrichtung der Sowjets miteinander kombinieren kann. Die französischen Stalinisten haben den Aktionsausschüssen den Namen Volksfront-Comité‘s gegeben, und bilden sich ein, dass sie auf diese Weise den revolutionären Kampf mit der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie vereinigt haben. Die heutigen Streiks vernichten diese erbärmliche Illusion radikal. Die Radikalen fürchten die Comité‘s. Die Sozialisten fürchten das Entsetzen der Radikalen. Die Kommunisten fürchten die Angst von beiden. Die Parole der Aktionsausschüsse kann nur erhoben werden von einer wahrhaft revolutionären Organisation, die sich völlig der Sache und dem Kampf der Massen weiht. Die französischen Arbeiter haben sich erneut ihrer historischen Reputation würdig gezeigt. Man muss ihnen Vertrauen geben. Die Sowjets sind immer aus Streiks geboren. Der Massenstreik ist das natürliche Element der proletarischen Revolution. Die Aktions-Comité‘s können jetzt nichts anderes sein als die Comité‘s von Streikenden, die die Betriebe besetzen. Von Werkstätte zu Werkstätte, von Fabrik zu Fabrik, von Wohnbezirk zu Wohnbezirk, von Stadt zu Stadt müssen die Aktionsausschüsse untereinander eine enge Verbindung zustande bringen, sich vereinigen in Konferenzen in Städten, Produktionsgruppen, in Provinzen, um mit einem Kongress aller Aktionskomitees von ganz Frankreich zu enden. Das wird die neue Ordnung sein, die an die Stelle der heutigen Anarchie treten muss.“

Trotzkij liefert hier ein treffendes Beispiel leninistischer Politik. Er verhöhnt die Stalinisten, dass diese die Zusammenarbeit der Klassen mit dem Klassenkampf verbinden wollen, aber es ist genügend bekannt, dass er eine solche Zusammenarbeit durchaus nicht ablehnt, wenn sie nur von der „wahrhaft revolutionären“ Partei geleitet wird. Was er verurteilt, das ist die Volksfrontpolitik der Sozialisten und Stalinisten, nicht die Parlaments- und Gewerkschaftspolitik selbst. Er will die Führung der Arbeitermassen durch eine „wahrhaft revolutionäre“ Partei zu allen Zeiten, in jeder Situation, ob sie sich nun auf dem Boden der bürgerlichen Ordnung bewegen oder aber durch ihre selbständige Aktion dagegen in Aufstand kommen.

So widerspruchsvoll diese Politik der IV. Internationale auch erscheint, und so sehr diese Politik von der k.p.d. in Deutschland betrieben, auch Schiffbruch erlitten hat, sie wird begreiflich, wenn man sie von ihrem Ausgangspunkt aus besieht. Der Leninismus hält eine selbständige Aktion der Arbeitermassen nicht für möglich. Er ist davon überzeugt, dass nur eine Partei, die leninistische Partei, imstande ist, die Aktion der Arbeiterklasse zu führen. Er erstrebt nicht die Herrschaft der Arbeiterklasse, sondern die Herrschaft der leninistischen Partei. Und um das Ziel zu erreichen, wird er sich der Gewerkschaften sowohl wie der Aktionsausschüsse und Sowjets bedienen, dafür will er die Massenaktion sowohl wie den Kuhhandel auf parlamentarischem Gebiet gebrauchen. Ist aber die Staatsgewalt in den Händen der leninistischen Partei, dann muss sie die selbständigen Massenaktionen ebenso gut unterdrücken, wie es die Volksfrontregierung in Frankreich oder die Stalinregierung in Russland tut. Sie muss das tun, weil die selbständigen Massenaktionen auf die Beherrschung der Produktion durch die Arbeiterräte selbst gerichtet sind und damit die Herrschaft einer politischen Partei unmöglich machen.

Der Kampf der Arbeiterklasse, der sich heute auf die Durchsetzung der selbständigen Massenaktion konzentriert, wird hierbei den Leninismus als letzten Gegner haben. Er wird überwunden werden im selben Maße, indem die Arbeiterklasse zum Bewusstsein ihrer eigenen Kraft gelangt. Je mehr das Proletariat Weg und Ziel erkennt, umso weniger hat es eine Lehre zu fürchten, die die Arbeiterklasse für unmündig erklärt.

In diesem Sinne haben die französischen Massenstreiks den Befreiungskampf des Proletariats mit neuem Impuls belebt. Sie gaben vielen Wankelmütigen und Verzagten Kraft und sie gaben die Richtung an, in der fortgekämpft werden muss. Und das wird, wenn die gesetzlich und gewerkschaftlich festgelegten Erfolge schon längst verflogen sind, letztlich ihr bleibender Gewinn sein.


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Compiled by Vico, 4 December 2020