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Antonie Pannekoek Archives

Rätekorrespondenz

Quelle: a.a.a.p.


Rätekorrespondenz

Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052


Klassenkampf in Spanien


Quelle:  Klassenkampf in Spanien – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung.  – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1936, Nr. 18-19 (September); Quelle der Transkription: Rätekommunismus , 23. November 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


I.

Der Kampf, der seit dem 17. Juni in Spanien wütet, ist kein Kampf zwischen Faschismus und Demokratie, kein Kampf zwischen Volksfrontregierung und aufständischem Militär. Es ist ein Kampf zwischen der Spanischen Revolution und Konterrevolution, auf der einen Seite die Industrie und Landarbeiter, unterstützt von den verelendeten Bauern und auf der anderen Seite alle reaktionären Mächte des Adels, der Geistlichkeit und der Bourgeoisie. Wenn auch die scharfe Grenze zwischen diesen beiden Fronten durch die unterschiedene Haltung der Mittelklassen verwischt wird, wenn weiter, in dem eine Volksfrontregierung am Kampfe teilnimmt und ausländische Mächte sich hineinmengen, es den Augenschein bekommt, als ob sich hier verschiedene politische Richtungen bekämpfen, so bleibt doch der tiefgehende Klassengegensatz das Wesentliche. Man kann den Kampf, der im Augenblick in Spanien ausgefochten wird, nicht begreifen, wenn man nicht mit der sozialen und ökonomischen Struktur Spaniens bekannt ist, – wenn man nicht weiß, wie die vornehmlichsten Interessen der miteinander kämpfenden Klassen gelagert sind.

Der Kampf, der im Augenblick in Spanien ausgefochten wird, hat viel Ähnlichkeit mit dem Zeitabschnitt der russischen Revolution vom Juli bis Oktober 1917, wo die Arbeiter, Matrosen und Bauern gegen die Weißgardisten à la Kornilow kämpften. Auch die sozialen Verhältnisse des zaristischen Russlands waren in mancher Beziehung nicht viel anders als in dem heutigen Spanien. Doch darf man sich durch diese Übereinstimmung nicht zu der Meinung verleiten lassen, dass die Entwicklung in Spanien nun eine Wiederholung der russischen Revolution sein werde. Wer diese Meinung hat, verliert aus dem Auge, dass bei aller Übereinstimmung doch die gegenseitigen Kraftverhältnisse anders sind.

Vor allem ist die Bauernrevolution in Spanien nicht so überraschend, wie es in Russland der Fall war.

In einer vom n.s.v. (Nederlandsch Syndicalistisch Vakverbond) herausgegebenen Broschüre (Verfasser: Müller-Lehning): „Die spanische Revolution“, finden wir die diesbezüglichen Zahlen:

Arbeiter in der Landwirtschaft4,5 Millionen
Arbeiter in der Industrie1,9 Millionen

Diese Zahlen zeigen den „arbeitenden Teil der Bevölkerung“ an. Es geht daraus nicht hervor, ob damit ausschließlich Lohnarbeiter oder auch selbständige Bauern und dergleichen angedeutet werden. Wie es auch sein möge, in jedem Fall zeigt diese Statistik ein anderes Verhältnis als das im vorrevolutionären Russland, wo man bei einer mindestens dreimal größeren Bevölkerung nur einige Millionen Industriearbeiter feststellen konnte.

Obendrein müssen zu den 1,9 Millionen, entsprechend der in der „Spanischen Revolution“ angegebenen Zahlen, noch mehrere hunderttausende Transport-, und Staats- und Gemeindearbeiter hinzugezählt werden, so dass insgesamt nahezu zweieinhalb Millionen Industriearbeiter vorhanden sind.

Dadurch üben die Arbeiter in Spanien in viel größerem Maße als in Russland einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung aus. Auch die kleineren Entfernungen zwischen den verschiedenen Orten und die größere Dichtigkeit der Bevölkerung macht sich geltend. Sie machen, dass die Beschaffung von Nahrungsmitteln, wodurch in Russland die ganze Entwicklung bestimmt und unter anderem auch die NEP erzwungen wurde, in Spanien leichter von statten geht.

Trotzdem spielt in ökonomischer Beziehung in Spanien die Landwirtschaft eine größere Rolle als die Industrie. Das zeigt sich am deutlichsten an einer Statistik der Ein- und Ausfuhr, die für 1930 (in Millionen Pesata) folgende Zahlen angibt:

Rohstoffe Fertigwaren Lebensmittel 
Einfuhr852Einfuhr1208Ausfuhr1386
Ausfuhr377Ausfuhr526Einfuhr380
Einfuhrüberschuss475Einfuhrüberschuss682Ausfuhrüberschuss1006

Obwohl die Produktion von Rohstoffen in Spanien einen großen Umfang hat, (Quecksilber ⅓ der Weltproduktion, Blei ¼ der Weltproduktion, Kupfererze 4 100 000 Tonnen, Eisenerze 3 100 000 Tonnen, Steinkohle 6 900 000 Tonnen, weiter ansehnliche Mengen Zinn, Zink, Silber, Wolfram, Manganerz, – (Angaben für die Jahre 1925-1929, entnommen aus „Span. Revolution“), so ist die Einfuhr der Rohstoffe doch noch grösser als die Ausfuhr.

Sieht man ab von der Einfuhr von Roheisen und Rohstahl (316 500 Tonnen), die wesentlich nur eine Wiedereinfuhr von im Ausland bearbeiteten Erzen ist, dann ist es vor allem Rohbaumwolle und Rohseide für die Textilindustrie in Catalonien (300 000 Arbeiter), die eingeführt werden müssen. Weiter werden noch eingeführt: Maschinen, Holz‚ chemische Produkte, Fahrzeuge waren, Kohlen, usw.

Dieser Einfuhr von Industrieprodukten steht eine große Ausfuhr von Nahrungsmitteln (landwirtschaftliche Erzeugnisse) gegenüber; vor allem Südfrüchte, Wein, Olivenöl, Gemüse und Pflanzen, während Getreide eingeführt werden muss.

Die Statistik zeigt, dass die spanische Landwirtschaft und die Industrie in enger Beziehung zueinander stehen. Die auf den Weltmarkt gebrachten Produkte der Landwirtschaft müssen das Defizit in der Handelsbilanz ausgleichen, das durch die zu große Einfuhr von Rohstoffen und Industrieprodukten regelmäßig hervorgerufen wird. Ein solches Verhältnis zeigt aber auch, dass beide dieselbe Kapitalorganisation haben, dass sowohl Industrie wie Landwirtschaft kapitalistisch verwaltet werden. Darum ist es auch nicht richtig, die spanischen Großgrundbesitzer als „feudalen Adel“ anzusprechen, von einem Gegensatz zwischen „adeligem Großgrundbesitz“ und „industrieller Bourgeoisie“, so wie wir ihn aus der Geschichte der bürgerlichen Revolution kennen, kann keine Rede sein. Ein feudaler Adel mit der dazugehörigen Exploitation seines Grundbesitzes besteht nicht mehr; es besteht nur noch kapitalistische Exploitation, und diese in Händen von Kapitalbesitzern. Wohl ist es so, dass in den Ländern wie Japan, dem vorrevolutionären Russland und auch in Spanien, wo die kapitalistische Produktion erst spät begann, dafür von Beginn an große Kapitalsummen nötig sind. Und diese konnten nur aufgebracht werden durch das ausländische Kapital oder durch den einheimischen Großgrundbesitz. So bilden die Großgrundbesitzer in Spanien auch zugleich den Stamm der industriellen Bourgeoisie.

Übrigens ist der Anteil des ausländischen Kapitals in der spanischen Industrie ziemlich groß. Eisenbahnen, Bergwerke, chemische und Elektrizitätsindustrie befinden sich in dessen Händen. Vor dem Weltkriege schätzte man den Wert dieser Unternehmungen auf 4 Milliarden Pesata (Spanische Revolution).

II.

Die hier wiedergegebene wirtschaftliche Entwicklung in Spanien beweist, dass dort der Übergang vom Feudalismus zu kapitalistischer Ausbeutung schon lange stattgefunden hat. Zugleich erfolgte damit eine Veränderung der sozialen Verhältnisse, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land. Die feudale Landwirtschaft hat einen anderen Charakter als die kapitalistische Produktion. In der kapitalistischen Produktionsweise besteht keine Leibeigenschaft. Die früheren Leibeigenen sind freie Lohnarbeiter geworden. Das heißt aber zugleich, dass sie allen Veränderungen der kapitalistischen Konjunktur ausgesetzt sind; in der heutigen allgemeinen Krise sind sie damit beständiger Arbeitslosigkeit chronischem Hunger ausgeliefert. Der frühere feudale Herr hatte doch noch immer ein Interesse daran, dass seine Leibeigenen nicht verhungern, – sie gehörten zu seinem Eigentum, das er auf diese Weise verlieren konnte. Der kapitalistische Großgrundbesitzer, wenn er auch direkt von dem früheren adeligen Herrn abstammt, und wenn seine Arbeiter auch die Kinder der früheren Leibeigenen sind, ist daran nicht interessiert, – ihm ist das Schicksal dieser Menschen völlig gleichgültig. Wenn sie verhungern wird er nicht geschädigt; der Arbeitsmarkt ist überfüllt und er kauft, wenn er sie nötig hat, einfach neue Arbeitskraft. So hat in Spanien der Übergang von der feudalen zur kapitalistischen landwirtschaftlichen Produktion für die Landbevölkerung keine Verbesserung gebracht. Im Gegenteil, sie sind in einen Zustand des tiefsten Elends hineingeraten, ebenso wie das im zaristischen Russland der Fall war. Gerade hierdurch wurde die agrarische Revolution in Spanien zu einer unabwendbare Notwendigkeit. Wie schlecht die Zustände auf dem Lande schon im Jahre 1932 waren, davon gibt uns der n.r.c. (Nieuwe Rotterdammer Courant) einen Begriff, der damals schon schrieb: „Hunderttausende Landarbeiter sind arbeitslos, das Elend ist so schrecklich, – die Kinder sterben am Elend, dass die Hungerrevolten nicht ausbleiben werden“. Die Hungerrevolten sind tatsächlich nicht ausgeblieben, aber sie haben nicht den Charakter von Verzweiflungstaten, sondern eines revolutionären Kampfes (Spanische Revolution).

Das große, alles überragende Problem ist denn auch die Reorganisation der Landwirtschaft. Die spanischen Bauern, und vor allem die ländlichen Proletarier, kämpfen nicht um eine Verbesserung ihrer Lebensweise, sondern um ihr Leben vor einem sicheren Untergang zu retten. Für sie ist nur ein Ausweg möglich: Der Großgrundbesitz muss enteignet werden, das Land muss von den Bauern und Landarbeitern selbst bebaut werden können, ohne von der Willkür eines Herrn abhängig zu sein, der die Arbeit stilllegen, sie entlassen und dem Hunger preisgeben kann.

Die Verteilung des Großgrundbesitzes ist aber keine Frage, die nur die Landbevölkerung allein angeht. Wir haben schon gesehen, dass die Herren des Großgrundbesitzes zugleich auch den wesentlichen Bestandteil der industriellen Bourgeoisie ausmachen. Der Feind, dem das Proletariat auf dem Lande gegenübersteht, ist auch der Feind des industriellen Proletariats in den Städten. Damit wird der Kampf gegen den Großgrundbesitz zu einer Sache, die die ganze spanische Arbeiterklasse angeht.

Man könnte angesichts dieses Umstandes gegenüber der weiteren revolutionären Entwicklung in Spanien hoffnungsvoll gestimmt sein, wenn nicht die Dinge in Spanien so ganz und gar vom Ausland abhängig wären. Die großen kapitalistischen Mächte des Westens werden sicher nicht dulden, dass das spanische Proletariat die Macht in die Hände nimmt; die Intervention wird in Spanien ebenso wenig ausbleiben wie in Russland. Aber die Aussichten für das spanische Proletariat, um sich gegenüber dieser Intervention zu behaupten, sind viel geringer als in der russischen Revolution. Das Land ist nicht so groß, die Armeen versinken nicht wie in Russland in den unermesslich großen Flächen. Es liegt in Westeuropa, ist sozusagen zwischen Frankreich, Italien und Portugal eingeklemmt. Und obendrein haben die spanischen Arbeiter nicht mit einem, durch den Krieg geschwächten Westeuropa zu tun, sondern mit einem Kapitalismus, der zu großer Kraftentfaltung imstande ist. Die proletarische Revolution in Spanien ist darum nur möglich als Teil der Revolution in ganz Europa.

Weil der Kapitalismus in Spanien sich auf den, aus dem Feudalismus stammenden Eigentumsverhältnissen entwickelt hat, darum sind die Unterdrückungsapparate der herrschenden Klasse noch vielfach dieselben wie die der früheren feudalen Herrscher. Es war in allen feudalen Ländern so, dass nur Adelige zu der Geistlichkeit, zum Richterstand und Offizierscorps zugelassen wurden. In Deutschland war dies teilweise bis kurz vor dem Kriege der Fall, und in Spanien sind davon sicher nicht wenige Reste vorhanden. Das bedeutet aber, dass die reaktionären Kräfte gerade in diesen Machtinstrumenten ihren Rückhalt finden, und es ist auch nicht so verwunderlich, dass sich der Kampf der Arbeiter mit aller Schärfe gegen die katholische Kirche wendet. Und ebenso wenig braucht man erstaunt zu sein, dass das Offizierscorps sich an die Seite der Faschisten gestellt hat. Diese Mächte sind die ausgesprochenen Vertreter des Großgrundbesitzes und der industriellen Bourgeoisie.

Dazu kommt, dass die Kirche selbst in nicht geringem Maße als Großgrundbesitzer auftritt. Auch beherrscht sie noch stets den Schulunterricht; wenigstens wenn man das Schule und Unterricht nennen will, was in Wirklichkeit eine skandalöse Kinderexploitation ist. Die sogenannten „neutralen“ Schulen fristen nur ein kümmerliches Dasein, nicht zuletzt, weil ihre Einführung von allen früheren Regierungen sabotiert wurde (siehe n.r.c. vom 2. März 1936).

Aus dieser Verbindung der aus dem Feudalismus überlieferten Eigentumsverhältnisse mit der kapitalistischen Produktion, schöpft die spanische Bourgeoisie ihre größte Widerstandskraft. Nicht nur, weil sie dadurch über einen äußerst stabilen Unterdrückungsapparat verfügt, und nicht nur, weil aus der rückständigen Bauernbevölkerung (60% Analphabeten) ohne viel Gefahr Sturmtruppen rekrutiert werden können, die zum Niederschlagen der Aufstände in den Städten tauglich sind, sondern auch, weil die beispiellose Ausbeutung der Landarbeiter genügend Mehrwert liefert für die Akkumulation in der Industrie.

III.

Im Juli 1931 brachten große Massenbewegungen die Monarchie zu Fall. An diesem Kampfe beteiligten sich auch breite Schichten der Bourgeoisie. Die unhaltbaren Zustände auf dem Lande haben schließlich auch ihre Auswirkung beim Bürgertum und erzeugen dort Strömungen, die durch Reformen usw. die Zustände verbessern wollen. Aber sobald diese Gruppen durch die Aktion der Arbeiter an die Macht gekommen sind und ihr Programm durchführen wollen, stoßen sie auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Sie wollen Reformen bringen, aber im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft. Sie befreunden sich mit dem Gedanken der Aufteilung des Großgrundbesitzes, aber die „Granden“ müssen entschädigt werden. Auch gegen die Herrschaft der Klerikalen auf dem Gebiete des Schulwesens wollen sie auftreten, aber sie wagen nicht, die Machtstellungen der Kirche zu brechen. Selbst bei der Durchführung solcher völlig unzureichenden Maßnahmen stoßen sie bei den reaktionären Mächten auf einen Widerstand, der nur durch den revolutionären Kampf der Arbeitermassen gebrochen werden kann. Das Proletariat aber macht vor den alten Rechten der herrschenden Klasse nicht halt, es setzt den Kampf durch, ohne dabei das bürgerliche Eigentum zu respektieren. Kirchen wurden verbrannt, die eine große Streikwelle folgte der anderen. In verschiedenen Orten erfolgten Aufstände der Landarbeiter. Die bürgerlich demokratische Regierung wurde so von beiden Seiten angegriffen. Sie konnte ihre neutrale Haltung nicht mehr aufrechterhalten, und musste sich in einem Kampfe, bei dem die Existenz der kapitalistischen Gesellschaft auf dem Spiele stand, für eine Seite entscheiden. Sie tat das, indem sie die aufständische Bewegung mit Waffengewalt erstickte. Eine scharfe Verfolgung der revolutionären Organisationen setzte ein (Spanische Revolution).

Aber es war nicht mehr möglich, den Klassenkampf in Spanien zu unterdrücken. Immer aufs Neue brachen revolutionäre Bewegungen aus, die im Dezember 1933 ihren Höhepunkt erreichten. Das hatte nicht nur zur Folge, dass die verschiedenen Regierungen aufeinander folgten, sondern zwang auch die Sozialdemokraten, den Forderungen der Arbeiter insoweit nachzugeben, dass deren Befriedigung auf dem Wege der Gesetzgebung zugesagt wurde. Ein Gesetz wurde angenommen, wodurch die Enteignung des Großgrundbesitzes eingeleitet und obendrein den monarchistischen Grandes kein Schadenersatz gegeben werden sollte. Diese wurden verhaftet und auf einem Schiffe gefangengesetzt, um nach Afrika deportiert zu werden. Auch der Großgrundbesitz der Kirche sollte enteignet und die Schule ihrem Einfluss entzogen werden. Der klerikale Unterricht wurde verboten.

Diese Maßnahmen wurden unter dem Druck der Massenbewegung beschlossen, aber es wurden nur schwache Versuche zu ihrer Durchführung unternommen. Der alte Staatsapparat, dessen Organe trotz der Veränderung in der parlamentarischen Spitze dieselben geblieben waren, sabotierte die Ausführung. Und nachdem die Bewegung der aufständischen Arbeiter etwas zur Ruhe gekommen war, wurden die beschlossenen Maßnahmen zunichte gemacht; – die „Schlachtopfer“ unter den Granden bekamen einen Schadenersatz. Die nachher im Jahre 1934 an die Macht gekommene Regierung Lerroux hat die betreffenden Gesetze wieder aufgehoben.

Die Übernahme der Macht durch Lerroux gab den Anstoß zu revolutionären Aufständen im ganzen Lande. In Asturien hatten die Arbeiter während mehrerer Wochen das ganze Gebiet in Händen; doch sie konnten sich gegen die modernen Waffen der Regierung nicht behaupten. Sie standen allein, die Arbeiter im übrigen Spanien ließen sie verbluten, ohne ihnen zu Hilfe zu kommen. Daran war in nicht geringem Maße die Haltung der c.n.t. schuld, die diesen Kampf als politischen Kampf erklärte und darum sich weigerte, ihn zu unterstützen. (Die c.n.t.-Organisation in Asturien machte davon natürlich eine Ausnahme.)

Sie erklärten, ebenso wenig für eine sozialdemokratische Regierung als für eine faschistische eintreten zu wollen und hielten sich auch abseits von dem Kampf, der in Barcelona geführt wurde, wo es um die Verwirklichung des kleinbürgerlichen Ziels der Autonomie von Katalonien ging. Die c.n.t. hatte damals noch nicht begriffen, dass es nur so lange um kleinbürgerliche Ziele oder um die Aufrechterhaltung der sozialdemokratische Regierung geht, als der größte Teil der revolutionären Arbeiter (die c.n.t. verkörpert diesen Teil) sich abseits vom Kampfe hält. So wurde dann der Aufstand in Asturien durch die Soldateska (Mohrenregimenter und Fremdenlegion) in einem Blutbad erstickt, das die Unterdrückung der Pariser Kommune in den Schatten stellt.

Die Diktatur von Lerroux aber konnte ebenso wenig wie ihr Vorgänger, die sozialdemokratische Regierung, den Klassenkampf unterdrücken. Der Terror der Regierung peitschte die Arbeiter noch mehr auf, und wenn auch die revolutionären Kämpfe nicht eine solche Ausdehnung wie im Jahre 1933 erreichten, so häuften sich doch die terror-istischen Anschlage zusammen mit kleineren und größeren Streiks und machten eine geregelte Ausbeutung unmöglich. Die Großgrundbesitzer mit ihrem Anhang ihrerseits waren auch nicht mit der halbfaschistischen Regierung zufrieden und verlangten eine volle Diktatur, die mit den Arbeiterparteien und Organisationen, auch mit der Sozialdemokratie, aufräumen sollte.

Die Wahlen im Februar 1936 gaben den Anstoß zu neuen Bewegungen, die latenten Spannungen traten wieder hervor. Unter dem Druck großer Massendemonstrationen verschwand die alte Regierung und wurden zahlreiche Konzessionen an die Arbeiter von der neuen Regierung erzwungen. Die politischen Gefangenen wurden freigelassen, die Gemeinderäte nahmen ihre Tätigkeit wieder auf. Durch das Mittel zahlreicher, rücksichtslos durchgeführter Streiks erzwangen die Arbeiter die Zurücknahme der unter der Regierung Lerroux eingeführten verlängerten Arbeitszeit. Die während dieser Zeit mehr geleisteten Arbeitsstunden wurden als Überstunden erklärt und ihre Bezahlung durch die Unternehmer erzwungen. Vielfach wurden die Unternehmer gezwungen, die wegen Teilnahme am Aufstand im Jahre 1934 entlassenen Arbeiter wieder einzustellen. Natürlich wurden solche Resultate nicht erreicht durch Aktionen, die sich an die gesetzlich zugestandenen Methoden halten. Fast alle Streiks, so klein sie auch begannen, erfuhren durch Solidaritätsstreiks eine solche Ausdehnung, dass in den betreffenden Orten das ganze Wirtschaftsleben still zu liegen kam, dabei vielfach unterstützt durch terroristische Anschläge auf noch arbeitende Betriebe. Es ist dabei mehrfach vorgekommen, dass die Regierung eingreifen musste, wenn die Unternehmer den Forderungen der Arbeiter nicht nachkamen, und sie zwingen musste, einzuwilligen. Die Unternehmer gehorchten, oft unter heftigen Protesten und mit der Erklärung, dass die Regierung „für die Folgen verantwortlich sei“. Und doch blieb der Regierung keine andere Wahl; wenn sie verhindern wollte, dass die Aktionen zur revolutionären Welle werden, wodurch sie selbst hinweggeschwemmt werden konnte, dann musste sie einen Kompromiss erzwingen. Ging das nicht durch Niederschlagung der Arbeiter, dann eben auf Kosten der Unternehmer.

Auch auf dem Lande spitzten sich die Verhältnisse im hohen Masse zu: Kirchen, Klöster, herrschaftliche Hauser wurden verbrannt, das Land hier und dort aufgeteilt. Ein Strom von Flüchtlingen kam mit Autos in Gibraltar und in Frankreich über die Grenze. Die Regierung gab in einigen Fallen ihre Zustimmung zu der Aufteilung des Bodens, in anderen Fällen wieder wurde die „Ordnung“ durch die Guardia-Civil in blutigster Weise wiederhergestellt. Die Nachgiebigkeit der Regierung den Arbeitern gegenüber kam bald zu einem Ende, als sie bemerkte, dass sie mehr und mehr die Macht über die Arbeiter verlor.

Sehr bald kam es dann auch zum offenen Konflikt zwischen Regierung und Arbeitern, wobei die erstere durch Sozialdemokratie und deren Gewerkschaften unterstützt wurde. Wiederholt konnte man Berichte lesen über Zusammenstöße zwischen Sozialdemokraten und Anarchisten oder Syndikalisten.

Die Volksfrontregierung steht zwischen den beiden Fronten. An die Macht gekommen durch die Aktivität der Arbeitermassen, steht sie doch im Gegensatz zu diesen. Aber auch durch die faschistischen Organisation wird sie bedroht: durch die Kirche, Armee und Offizierscorps, durch Großgrundbesitz und Unternehmertum, die alle ihre Position durch die Aktivität der Arbeiter bedroht sehen und die die Volksfrontregierung dafür verantwortlich machen. Sie wollen den Sturz dieser Regierung und die Aufrichtung einer absoluten, militärischen Diktatur. So ist der Zustand, so stehen sich die Kräfte gegenüber unmittelbar vor dem Ausbruch des Militäraufstandes.

IV.

Die Rolle der Volksfrontregierung, und wie ihr langsam aber sicher die Macht entglitt, kam noch einmal deutlich zum Ausdruck durch die Geschehnisse am Vorabend des faschistischen Aufstandes. Die Ermordung eines Polizeioffiziers durch Faschisten brachte dessen Kameraden dazu, Rache zu nehmen. Die Volksfrontregierung hatte nicht die Macht, gegen die faschistischen Mörder aufzutreten, und so geschah die Ermordung Sotelo‘s des Führers der Madrider Faschisten durch die Polizei. Für die Faschisten war dieser Mord so viel wie ein Signal zum Aufstand; einen Zustand, wo die Machtapparate des Staates selbständig und auch gegen sie auftreten, konnten sie nicht dulden.

Der Aufstand begann in mehreren Garnisonen in Marokko. Nach kurzem Kampf beherrschten die Faschisten das Land. In Spanien selbst stand fast das ganze Offizierskorps offen oder versteckt an der Seite der Aufständischen. In sehr vielen Garnisonen kam so das Militär unter der Führung der Offiziere in offenen Aufstand gegen die Regierung. Auch auf den Kriegsschiffen war dies der Fall. Auf mehreren Schiffen aber antworteten die Matrosen mit der Gefangennahme ihrer Offiziere; dabei ist auch von der Waffe Gebrauch gemacht und sind sowohl Matrosen wie Offiziere getötet worden.

Die Volksfrontregierung zeigte in den ersten Tagen des Aufstandes ihre völlige Ohnmacht. Sie erließ eine Proklamation nach der anderen, worin sie erklärte, dass sie die Lage vollkommen beherrschte, dass der Aufstand sich auf ein paar Garnisonen in Marokko beschränke, dass keine Gefahr bestände, usw. Während dieser Zeit breitete sich der militärische Aufstand im ganzen Lande aus. Doch die Zeit, die nach den ersten Meldungen aus Marokko und während der weiteren Ausdehnung des Aufstandes in Spanien selbst verlief, war genügend, um die Arbeiter zu alarmieren und auf die Straße zu bringen. Sie belagerten die Kasernen, worin sich die aufständischen Truppen befanden. In vielen Fällen kehrten sich dann die Soldaten gegen die Offiziere, die verhaftet wurden. In anderen Fällen wieder fanden Zusammenstöße statt und sind blutige Gefechte geliefert worden. Dadurch blieben Malaga, Barcelona, Madrid, Bilbao, San Sebastian und andere wichtige Orte in den Händen der Regierung. Dies Letztere darf man vor allem nicht buchstäblich auffassen. Die Regierung hatte in dem Kampf nur ihre absolute Ohnmacht gezeigt; Der Sieg war hauptsächlich durch die Arbeiter errungen, obwohl auch ein Teil des Militärs und der Polizei loyal gegenüber der Regierung blieb. Allerdings blieb die Regierung noch offiziell in Funktion aber in Wirklichkeit hing sie nur noch an einem seidenen Faden. Die Arbeiter bewaffneten sich. Der n.r.c. vom 19. Juli berichtet über die Lage in Madrid:

„Die sozialdemokratischen und kommunistischen Milizen sind alarmiert und patrollieren durch die Straßen, teilweise mit Gewehren. Die Marxisten verlangen die Freilassung der sich noch in den Gefängnissen befindenden Anarcho-Syndikalisten, damit auch diese bei einem evtl. Aufstand am Kampfe teilnehmen können.“

In Barcelona wurde die Kaserne San Andres von den Massen erstürmt und die vorhandenen Waffen verteilt. Die Gefangenen vom Carcel-Modelo wurden befreit (Informationsdienst der c.n.t. und f.a.i.). Und so ging es überall.

In Malaga, in Barcelona und anderen Orten wurden Kirchen niedergebrannt. Im n.r.c. vom 24. Juli lesen wir:

„In den ausländischen Zeitungen wird gemeldet, dass in Barcelona Banken geplündert sein sollten. Das war nicht wahr: vor meiner Abreise und das wird heute (22. Juli) auch noch nicht wahr sein. In ein paar Geschäften ist die Menge eingedrungen, aber im Allgemeinen waren die Geschäfte geöffnet, selbst dort, wo Aufläufe stattfanden; und Lebensmittel werden in der gewohnten Weise verkauft. Obwohl für das Plündern von Kirchen die Gelegenheit sehr günstig gewesen sein muss, sind nur Einzelfälle davon bekannt. Die Volksmasse wollte nur die Kirchen zerstören, und obendrein werden die Priester und Nonnen die wichtigsten Gegenstände mitgenommen oder verborgen haben, bevor sie selbst einen Unterschlupf suchten. Außerhalb Barcelonas leben die bewaffneten Roten von dem, was ihnen die Bevölkerung gibt. Die roten Offiziere, die unsere Karawane gestern begleiteten, weigerten sich, auch nur einen Pfennig anzunehmen, nachdem sie uns gut und wohl über die Grenze gebracht hatten. ‚Das Volk wird uns wohl geben, was wir nötig haben‘, erklärten sie...“

Nach diesem Zitat beurteile man die Berichte der meisten bürgerlichen Zeitungen, die, wie z.B. der Telegraaf, die Zustände in Malaga so vorstellt, als ob da Raub, Mord und Brandstiftung alltägliche Erscheinungen seien. In diesem Falle erklären obendrein, wie der n.r.c. mitteilt, glaubwürdige Flüchtlinge aus Malaga, solche Schauernachrichten für unwahr. Man kann sich übrigens auch eine Vorstellung von der Art der Berichte in solchen Zeitungen machen, wenn man weiß, wie die Berichte des United-Press-Korrespondenten Pakard gemacht werden. Im Morgenblatt der Zeitungen erscheint prompt sein Bericht mit dem Datum des vorigen Tages, obwohl diese Berichte hunderte Kilometer durch ein Gebiet, das in Händen von Arbeitern ist, befördert werden müssen, während die Berichte des n.r.c. aus dem dicht bei der französischen Grenze gelegenen Barcelona mit mehreren Tagen Verzögerung ankommen. Es ist anzunehmen, dass ein großer Teil dieser „Berichte“ in London oder Lissabon aus den Radioberichten des aufständischen Generals Mola „gemacht“ sind.

Die Regierung Azana befand sich vom ersten Augenblick an zwischen zwei Feuern. Auf der einen Seite musste sie sich zur Wehr setzen gegen den faschistischen Überfall. Sie selbst war dazu nicht imstande, weil von Polizei und Guardia-Civil nur ein Teil zur Regierung stand. Die Folge davon war, dass sie auch von der anderen Seite in die Enge getrieben wurde. Die Arbeiter hatten die Initiative der Regierung nicht abgewartet und selbst den Kampf gegen die Aufständischen aufgenommen. Durch ihr Auftreten wurde der Versuch der militärischen Überrumpelung in Malaga, Madrid, Barcelona, usw. unterdrückt. Nur das Auftreten der Arbeitermassen verhinderte, dass die Volksfrontregierung völlig hinweggefegt wurde. Von diesem Augenblick an musste man von Regierungsseite versuchen, sich in dieser neuen Situation zurecht zu finden und so gut es ging, der Lage Herr zu bleiben.


Die erste unter dem Druck der Arbeiter vorgenommene Maßnahme war eine andere Zusammensetzung der Regierung. Am Sonntag, 19. Juli, folgen drei neue Regierungen aufeinander. Die dritte Regierung erließ ein Dekret, dass die Arbeiter bewaffnet werden sollten. Weiter verkündete sie durch Radiosender eine Proklamation, wonach die Soldaten derjenigen Garnisonen, deren Offiziere sich den Aufständischen angeschlossen hatten, für unbestimmte Zeit beurlaubt werden, und dass sie ihren Offizieren keinen Gehorsam mehr schuldig seien. In dieser Proklamation ist jede Schärfe gegen die aufständischen Offiziere vermieden. Selbst am 29. Juli, 10 Tage später also, erließ die Regierung noch ein Dekret, wonach „verschiedene Personen, u.a. Vize-Admirale, mit Verlust von Rang und Besoldung außer Dienst gestellt werden“ (n.r.c.). Durch solche Dekrete und Proklamationen wird der Eindruck erweckt, als ob die Soldaten ruhig die Kaserne verlassen und nach Hause gehen können. Die revolutionäre Wirklichkeit ist natürlich ganz anders; die Soldaten gehorchen entweder ihren Offizieren und stehen dann an der Seite der Aufständischen, oder sie machen ihre Offiziere unschädlich und schließen sich der Arbeitermiliz an. Eine andere Möglichkeit besteht nicht. Übrigens haben die Soldaten in vielen Fällen aus eigenem Antrieb diesen Weg eingeschlagen. Über die Einnahme von La Linea durch die Aufständischen meldet n.r.c. am 31. Juli:

„Die Flüchtlinge erklären, dass die spanischen Truppen in La Linea ihre Gewehre und Munition an die Einwohner abgaben, aber einen Teil davon in den Kasernen versteckten, bevor die Abteilungen der spanischen Fremdenlegion an Land kamen. Als diese Truppen in die Kasernen einrückten, wurden sie beschossen. Es gab zwei Tote und viele Verwundete.“

Auf den Kriegsschiffen rechneten die Matrosen vielfach aus eigenem Antrieb mit ihren Offizieren ab. Nachdem auf einem Panzerschiff (Jaime I) Offiziere von den Matrosen im Kampf getötet worden waren, erhielt das Matrosenkommando des Schiffes von der Regierung per Radio die Anweisung: „Die Toten mit allen Zeremonien, die ihrem Range zukommen, über Bord zu setzen.“ Allem Anschein nach wollte die Volksfrontregierung den Matrosen deutlich machen, dass die Meuterei der Offiziere wohl als Disziplinbruch angesehen wird, aber dass sie trotzdem Offiziere bleiben und, wenn sie sich für die Regierung erklären, ihre Kommandoplätze behalten könnten. – Im Übrigen beschränkte sich das Eingreifen der Regierung auf Demonstrationen.

n.r.c. vom 25. Juli gibt das folgende Regierungskommunique wieder:

„[…] des weiteren ist von heute ab verboten, Waffen im Besitz zu haben für Personen, die im Auto durch die Straßen von Madrid fahren. Schließlich hat der Minister per Radio einen durch General Barcelo erlassenen Befehl bekannt gegeben, wonach alle Mitglieder der Volksmiliz, die sich im Augenblick in Madrid befinden, sich ohne Zögern nach der Monoloa-Kaserne, die hinter dem sogen. Modellgefängnis liegt, begeben müssen“.

Am Montag, 27. Juli, meldet dieselbe Zeitung:

„Der Minister des Innern hat Order gegeben, dass die Mitglieder der Volkmiliz keine Verhaftungen mehr vollziehen dürfen. Sie dürfen von niemanden Parteimitgliedskarten oder dergleichen Dokumente verlangen. Jeder Bürger muss, wenn er […] eine offizielle Legitimation in seinem Besitz hat, gegen willkürliche Handlungen geschützt sein. Übertretungen dieser Entschließung werden streng bestraft. Die durch die Miliz beschlagnahmten Autos müssen an die Eigentümer zurückgegeben werden. Die Miliz zu Madrid muss des Abends um 10 Uhr vor den Kasernen antreten und sich zur Verfügung der Offiziere stellen“.

Dieser Order wird folgende Erklärung hinzugefügt:

„Die Behörde hält es nicht länger für nötig, dass die rote Miliz in den Straßen patrouilliert. Der Sicherheitsdienst ist wieder in die Hand der Polizei übergegangen“.

Im Anschluss daran berichtet n.r.c. am 28. Juli:

„Zu Madrid nimmt die Volksfrontmiliz nach und nach offiziellen Charakter an. So wie bekannt, ist die sozialistische und kommunistische Jugend seit dem 18. Juli durch die Regierung mit Waffen versehen und stehen jetzt unter dem Befehl von Offizieren der regulären Armee. Sie haben dadurch militärischen Charakter bekommen und viele sind schon zu einem militärischen Dienstgrad, wie Sergeant, Korporal usw. befördert; sie müssen jedem Mitglied der regulären Armee gehorchen. Die Miliz ist in Abteilungen zu 30 Mann eingeteilt, die jede ihren Unteranführer wählen. Dieser steht mit seiner Gruppe wieder unter dem Befehl eines Offiziers oder Unteroffiziers. Die Waffen werden direkt durch die Armee ausgegeben oder durch Vermittlung der Gewerkschaftsorganisationen. Hierbei wird auf strenge Kontrolle geachtet.“

Der beabsichtigte Zweck solcher Maßnahmen ist deutlich. Wenn die Arbeitermiliz durch die Straßen patrouilliert und die Ordnung aufrecht erhält, dann geschehen Dinge, die die Volksfrontregierung nicht mehr kontrollieren kann. Das bürgerliche Eigentum ist dann nicht mehr sicher. Die Arbeitermiliz requiriert Automobile, Gebäude werden beschlagnahmt als Versammlungsgebäude, Hospitale, Sitzungssäle für verschiedene Kommissionen, für die Einrichtung von Schulen usw., Lebensmittel werden beschlagnahmt und den Volksküchen usw. zur Verfügung gestellt. Die Unternehmer verlieren das Verfügungsrecht über ihre Betriebe. Selbstverständlich kann die Volksfrontregierung einen solchen Zustand nicht dulden. Sie ist schließlich eine bürgerliche Regierung, die den Schutz des Privatbesitzes, des bürgerlichen Eigentums zur Aufgabe hat. Sie versucht das auf dem demokratischen Wege, d.h. indem sie trachtet, die Klassengegensätze zu überbrücken, aber doch so, dass alle Parteien die bürgerliche Ordnung respektieren. Und kann sie auch nicht direkt gegen die Arbeiter auftreten, weil sie dieselben für den Kampf gegen die Faschisten nötig hat, so ist sie doch bestrebt, die Arbeiterorganisationen der Kontrolle und dem Befehl der Regierungsorgane zu unterwerfen. Darum versucht sie, die Arbeitermiliz in die Armee aufzunehmen und der Polizei wieder die Funktion des Ordnungsdienstes zu übertragen.

Aber diese Maßnahmen haben praktisch nur eine Sabotage des Kampfes gegen die Faschisten zur Folge. Zeigt schon das zögernde und vorsichtige Auftreten der Regierung gegenüber den Aufständischen, dass sie auch mit diesen nicht alle Brücken abbrechen wollte, so äußerten die Angehörigen der besitzenden Klasse ihre Sympathie mit den Faschisten noch sehr viel deutlicher. So wird zum Beispiel berichtet, dass eine große Zahl von Unternehmern und Geschäftsinhabern sich bei den aufständischen Truppen eingereiht haben. Dieser besitzenden Klasse soll nun von einer Regierung, die selbst nur mit halbem Herzen bei der Abwehr des faschistischen Aufstandes war und ist, das Verfügungsrecht über ihr Eigentum gesichert werden. Werden die Unternehmer vor dem Eingreifen der Arbeitermiliz beschützt, dann unterbleibt in den meisten Fällen die Beschlagnahme von dem, was für den Kampf nötig ist, die Versorgung mit Lebensmitteln, Waffen und Munition wird erschwert. Aber auch die militärische Kampfhandlung selbst wird in Gefahr gebracht. – Den Offizieren der alten Armee wird das Kommando übergeben. Aber woher hat man die Sicherheit, dass sie nicht mit den Faschisten gemeinsames Spiel machen? Werden sie ihre Abteilung nicht in Hinterlagen führen? Und wenn heute noch manche von ihnen der Regierung gegenüber loyal sind, – werden sie es bleiben, wenn das bürgerliche Eigentum, je länger der Kampf dauert, mehr und mehr ins Gedränge kommt? Der Telegraaf berichtete übrigens schon von einem Falle, dass ein Colonel (Oberst) von seinen Leuten standrechtlich erschossen ist, weil er seine Truppen in eine Falle hinein geführt haben soll.

Übrigens zeigt sich, dass die Regierung sich trotz aller Maßnahmen nur zu behaupten weiß, indem sie den Arbeitern wichtige Konzession macht. Die Zeitungen melden, dass 200 Betriebe nationalisiert sind, oder aber damit bedroht werden, wenn die Unternehmer nicht innerhalb 24 Stunden zurückkehren. Dass dies Letztere geschieht, ist nicht anzunehmen, schreibt der „Telegraaf“, denn viele von ihnen kämpfen an der Seite der Nationalisten.

Ohne Zweifel hat die Regierung diese Maßnahmen nicht aus freiem Willen getan. Natürlich haben die Arbeiter der betreffenden Betriebe diese selbst in Gang gehalten und ihre Produkte, also Lebensmittel, Munition und dergleichen, den Organisationen, die in Madrid die Distribution beherrschen, zur Verfügung gestellt. Welcher Art diese Organisationen sind, wissen wir nicht, aber in jedem Falle ist der Regierung alles daran gelegen, sie unter ihrer Kontrolle zu bekommen. Darum die Nationalisierung der Betriebe, die schon mehr oder weniger selbständig von den Arbeitern verwaltet wurden, und die jetzt unter Kontrolle der Regierung gebracht werden.

VI.

Aus Madrid kommen fast nur offizielle Berichte, so dass schlecht zu beurteilen ist, in wie weit die Behörde sich durchzusetzen wusste, oder ob ihre Dekrete nur Versuche sind, um nicht völlig die Macht zu verlieren. Die Nachrichten aus Barcelona sind in dieser Hinsicht vollständiger, und alles deutet darauf hin, dass die Regierung hier äußerst schwach ist. Die Korrespondenz des n.c.r. ist in der Wiedergabe des Konfliktes zwischen Arbeitern und Volksfrontregierung sehr offenherzig. In einem Briefe vom 22. Juli (n.r.c., 25. Juli) wird folgende Beschreibung gegeben:

„Niemand ist heute an die Arbeit gegangen. Und auch morgen wird niemand gehen. […] Werden sie (die bewaffnete Jugend) wieder an die Arbeit gehen? Werden sie ihre Waffen abgeben? […] Diejenigen, die dies nicht fragen, das sind die Anarcho-Syndikalisten; die werden wohl nicht daran denken, ihre schönen Waffen aus der Hand zu geben […] Wir bekommen nicht den Eindruck, dass die Regierung hier diese Menschen in ihrer Macht hat. Hat sie darum Freiwillige aufgerufen, um nach Saragossa aufzurücken zur Bekämpfung der Aufständischen dort? Hofft sie so einen Teil der lästigen Freunde eine Zeitlang zu entfernen. Der Aufruf, die nicht mehr nötigen Waffen abzuliefern, ist erlassen. Des Weiteren wird rückhaltloser Gehorsam den Komitees gegenüber gefordert und werden Volkstruppen rekrutiert.“

In der ersten Woche nach dem Niederschlagen des Aufstandes in Barcelona wurde in vielen Betrieben nicht gearbeitet. Die Arbeiter haben diese Zeit genutzt, um sich völlig zu Herren der Stadt mit ihrer Umgebung zu machen, die letzten Herde des faschistischen Widerstandes wurden aufgeräumt, Kirchen zerstört und Expeditionen in die weitere Umgebung unternommen, um hier die Macht der Arbeiter zu festigen. Aber in den lebenswichtigen Betrieben rief die c.n.t. zur Wiederaufnahme der Arbeit auf. Das geschah unter anderem im Gütertransport, in der Landarbeit, im Pressedienst, in der Fischerei, Post und allgemeinen Lebensmittelversorgung (n.r.c., 24. Juli).

Am Sonntag, 26. Juli, meldet n.r.c.:

„Die anarchistische Arbeiter-Aktion hat den übrigen Arbeiterparteien ein Programm vorgelegt, das unter anderem eine Arbeitswoche von 36 Stunden mit einer Lohnerhöhung von 10% für Löhne unter 500 Pesata im Monat und Herabsetzung der Wohnungsmieten um 25% enthält. Des Weiteren Säuberung der Armee und Erhaltung der roten Miliz und die Verurteilung der Führer des Aufstandes vor einem Kriegsgericht.“

Am 28. Juli meldet der Correspondent (n.r.c., 31. Juli):

„Die Regierung ruft jeden Tag alle Arbeiter auf, wieder an die Arbeit zu gehen, aber es hört niemand darauf. Solange die Syndikate (Gewerkschaft) uns dazu nicht aufrufen, gehen wir nicht, sagen die Arbeiter, die nicht zu den wenigen Syndikaten gehören, die auf Order ihrer Führer wieder an die Arbeit gegangen sind. Das sind die öffentlichen Transportmittel, Lebensmittelversorgung, außerdem Gas, Licht usw. Der ganze Rest streikt weiter.“ […] „Die Volksfront kann uns so lange sie will auffordern, in die Arbeit zu gehen, direkt oder durch die Generalidad, wir folgen nur unseren Syndikaten, antworten mir die Arbeiter. […]

In diesem Kampf der Autoritäten gegen die aufständischen Massen zeigt die Generalidad viel Takt. Ihre Position ist äußerst schwierig. Auch unser Leben hängt an einem Faden, soll eine Persönlichkeit aus der Regierung vor Kurzem gesagt haben. Am Freitagabend hat die Presse ein Dekret veröffentlicht, wonach die Generalidad alle Löhne um 15% erhöht und die Arbeitswoche auf 40 Stunden festsetzt; weiter die Arbeitgeber zwingt, die volle Woche zu bezahlen, auch wenn nicht gearbeitet wurde. Dies Letzte war eine verständige Maßnahme; auf diese Weise hatten die Arbeiter überall Geld, Lebensmittel zu kaufen und die Unruhe war geringer. Die ersten Bestimmungen sollten dazu dienen, den Gewerkschaften den Wind aus den Segeln zu nehmen, es ist nur die Frage, ob die gewünschte Wirkung erzielt ist. Die Banken sind unter die Kontrolle der Generalidad gestellt. Da so das Saldo zu gering war, um die Löhne zu bezahlen, griff die Generalidad ein. Man durfte am Sonnabend nur die reine Lohnsumme von der Bank abholen; eine Erklärung mit Lohnliste und unterzeichnet vom Arbeitgeber und von den Delegierten der Arbeitnehmer musste vorhanden sein. Gestern und Montag durften die Leute, deren Name beginnt mit A bis F, eine Höchstsumme von 500 Pesata von der Bank holen, heute von G bis N und morgen die übrigen Buchstaben.

Trotz all dieser Maßnahmen und Versprechungen auf sozialem Gebiet folgt die Arbeiterwelt noch nicht der Aufforderung, wieder an die Arbeit zu gehen und gibt auch die Waffen, die in Barcelona größtenteils überflüssig geworden sind, nicht ab. Für die Ordnung würde die Zivil- und die Sturmpolizei jetzt genügen. Aber eigenartiger Weise sieht man die hier noch anwesenden regierungstreuen Truppen nicht, – sie sitzen in den Kasernen; man sieht auch sehr wenig Zivile Garde. Die scheint auch in Reserve zu sein. Daneben fühlt man den latenten Kampf zwischen Anarchisten und Kommunisten einerseits, gegenüber der Obrigkeit andererseits…

Wir haben diesem langen Zitat wenig hinzuzufügen. Es wäre zu wünschen, dass alle Arbeiter die Rolle der Volksfront so gut begriffen, wie dieser geschliffene Bourgeois. Übrigens sieht man aus dieser ganzen Auseinandersetzung, wie schwach die Volksfrontregierung steht. Allem Anschein nach standen da schon die Betriebe teilweise unter der Kontrolle der Arbeiter, denn auf den eingelieferten Lohnlisten war die Unterschrift ihrer Delegierten erforderlich.

Am 28. Juli erklärten f.a.i. und c.n.t. den Streik für aufgehoben (n.r.c., 31. 7.). Dass diese Beendung des Streiks keine Niederlage für die Arbeiter war, hat der weitere Verlauf bewiesen. Die Macht der Arbeiter in den Betrieben war fest genug verankert, um weiteren Versuchen der Regierung und Unternehmer, diese Macht zu brechen, Widerstand bieten zu können.

„Die Arbeiterräte in den Betrieben […] bieten da, wo man die 40 Stunden Woche und 15% Lohnerhöhung ohne weiteres akzeptiert und den Willen zeigt, mit Regierung und Arbeitern zusammen zu arbeiten, um den Untergang der Betriebe zu vermeiden, alle Hilfe, um durch ihre Syndikate, oder deren Vermittlung bei der Regierung, in wirtschaftlichen Fragen Unterstützung anzufragen. Dieses mit Rücksicht auf das Moratorium und das Monatsende, wodurch viele Betriebe vor finanzielle Schwierigkeiten gestellt werden, wenn ihnen nicht die Regierung – überzeugt von der Vertrauenswürdigkeit der Betriebsleiter (durch die Bankkontrolle und Mitarbeit der Betriebsräte ist es leicht, das festzustellen) – die nötigen Gelder verschafft.“

Man sieht hieran, dass die Arbeiter in den Betrieben die Macht haben. Von ihnen hängt es ab, ob die Unternehmer von der Regierung Unterstützung bekommen. Die Regierung muss offenbar den Arbeitern mehr Gehör schenken als den Unternehmern. Die Syndikate, als Organisation der Arbeiter, sind dabei die vermittelnden Organe. Der Verlauf der Dinge ist hier offenbar so, dass die Arbeiter durch ihre Syndikate Druck auf die Regierung ausüben, also nicht umgekehrt, dass die Regierung die Arbeiterorganisationen gebraucht, um die Arbeiter ihrem Willen gefügig zu machen.

Es blieb denn auch nicht bei der „Zusammenarbeit zwischen Arbeitern, Unternehmern, Syndikaten und der Regierung“. De Syndikalist (Organ Nederlands Syndicalistisch Vakverbond) vom 8. August enthält wichtige Mitteilungen über wirtschaftliche Maßnahmen, die von der Seite der Arbeiter in Barcelona genommen sind. Aus der revolutionären Miliz wurde ein führendes Komitée gebildet, das sich aus folgenden Vertretern zusammensetzte:

3 der c.n.t., 3 der f.a.i., 3 der u.g.t., 1 der kleinen Pächter, 3 der links republikanischen Partei und 2 der vereinigten marxistischen Parteien. Dieses Komitée ist die wirkliche politische Regierung von Barcelona; die Regierung Companys hat über die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und den bewaffneten Kampf nichts zu sagen. „Das Miliz-Komitée steht an der Spitze von 18 000 bewaffneten Arbeitern, wovon 13 000 der c.n.t. und f.a.i., 2 000 der u.g.t. und 3 000 der Volksfrontparteien. Hinzu kommen noch 4 000 bewaffnete Mannschaften der Polizei und Guardia Civil“.

Vergleicht man die Zusammensetzung des Komites mit der Miliz selbst, dann zeigt sich deutlich, dass sie nicht miteinander übereinstimmen. Das beweist, dass das Komitée in Wirklichkeit noch nicht als direkte Vertretung der Arbeiter angesehen werden kann. Es ist vielmehr das Resultat eines Kompromisses zwischen der Führung der verschiedenen Organisationen, die auf „demokratische“ Weise ihren Anteil bekommen haben.

In diesem Sinne haben sie große Ähnlichkeit mit den Arbeiterräten in den Novembertagen vom Jahre 1918 in Deutschland. Doch ist damit natürlich nicht gesagt, dass die Arbeiter nicht die herrschende Macht bilden: sie haben genug Mittel, auch diesem Komitée ihren Willen aufzulegen. Aber es muss schließlich doch ein Zeitpunkt eintreten, wo die Arbeiter mit diesem Komitée, oder einem Teil derselben, in Konflikt geraten. Und zwar, wenn die sozialdemokratischen und kommunistischen Führer Angst bekommen, dass die Arbeiter zu weit gehen. Dann entbrennt ein neuer Kampf zwischen den Arbeitern und diesen Parteien und macht die revolutionäre Entwicklung einen neuen Schritt vorwärts.

In der selben Weise ist ein Ernährungs-Komitée gebildet worden, welches die Nahrungsmittelversorgung von Barcelona regelt. „Für diejenigen, die sich unter den Waffen befinden oder in den Komitées arbeiten, werden durch die ländlichen Syndikate der c.n.t. große Mengen Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt. In der Stadt sind Volksrestaurants geöffnet, um alle diejenigen zu speisen, die von einem Syndikat oder einer antifaschistischen Organisation eine Karte bekommen haben. Auch die antifaschistischen Ausländer können davon Gebrauch machen. Das c.n.t.-Syndikat der Arbeiter in den Lebensmittelbetrieben ist praktisch der Mittelpunkt der Nahrungsmittelversorgung der Stadt. An dieses Syndikat wenden sich die Händler und alle, die Anspruch haben auf größere Menge der Vorräte. Alle Syndikate arbeiten mit an dem Zustandekommen einer Übersicht über den Bedarf, damit das Lebensmittelsyndikat über die nötigen Richtlinien verfügen kann.“ (De Syndikalist, 8. August).

In der ersten Woche wurden Maßnahmen getroffen, um die Nahrungsmittelversorgung so gut wie möglich zu sichern. Ohne Zweifel hat die Bourgeoisie gehamstert; daher auch die zahlreichen Requisitionen. Dass die Volksfrontregierung gegen diese Inbeschlagnahme auftrat, ist selbstverständlich; einen solchen Eingriff in das bürgerliche Eigentum kann sie nicht dulden. In Madrid wurde darum bekannt gegeben, dass „bewaffnete Angehörige der Volksmiliz, die sich der Plünderung von Lebensmittelgeschäften schuldig gemacht haben, als Faschisten angesehen und schwer bestraft werden.“ Natürlich kann die Volksfrontregierung in einer solchen Verordnung nicht öffentlich aussprechen, worauf es für sie ankommt. Darum geschieht es unter dem Deckmantel eines Kampfes gegen Plünderungen, die nach glaubhaften Meldungen aus Malaga und Barcelona so gut wie nicht stattfinden. Das ist übrigens nicht anders zu erwarten, denn gegen wirkliche Plünderungen durch Personen, die sich selbst bereichern wollen, wird von den Arbeitern selbst viel schärfer aufgetreten, als eine Regierung in solchen Tagen jemals wagen könnte.

Die Verteilung geschah in der ersten Zeit durch Bons, die an die Mitglieder der Arbeitermiliz, an Bedürftige und an die Arbeiter in den Betrieben ausgegeben wurden. Die Bourgeoisie war also automatisch aus diesem Verteilungssystem ausgeschlossen und auf das Kaufen mit Geld in den gewöhnlichen Geschäften angewiesen. Aber auch die Lebensmittelversorgung durch die Geschäfte wird, wie der Bericht in De Syndikalist zeigt, durch die Arbeiter kontrolliert, da „die Syndikate mitarbeiten, um eine Übersicht über die Bedürfnisse zu bekommen“. Offenbar bekamen die Arbeiter später doch ihren Lohn in Geld. Ob bei dem Kaufen mit Geld außerdem ein Beweis, dass man in einem Betrieb arbeitet, vorgelegt werden muss, wird nicht vermeldet. Die Art und Weise, wie die Verteilung organisiert wird, ist ein direkter Maßstab dafür, in welchem Maße die Arbeiter die Macht haben. Ohne Frage hätte die Volksfrontregierung das nicht getan in einer Weise, die die Bourgeoisie automatisch ausschaltet. Um die verlorene Macht zurückzugewinnen, reorganisierte sich die Regierung Companys. Companys selbst trat als Regierungspräsident ab, aber blieb Präsident der Generalidad. An seine Stelle trat Casanovas. Dann wurden Sozialdemokraten in die Regierung aufgenommen, während die Kommunisten erklärten, die neue Regierung unterstützen zu wollen. Die Syndikalisten aber zwangen die Sozialdemokraten, aus der Regierung auszutreten, so dass der alte Zustand einer rein bürgerlichen, aber vollkommen machtlosen Regierung neben den die Macht ausübenden Arbeiter-Komitées wiederhergestellt wurde.

Doch konnte ein Konflikt zwischen den revolutionären Arbeitern der Volksfrontregierung nicht ausbleiben. Die Regierung versuchte, ebenso wie es die Madrider Regierung getan hatte, die Arbeitermiliz dem Kommando der Armee zu unterwerfen. Sie erließ einen Mobilisierungsbefehl, aber die Arbeiter gehorchten nicht. der Telegraaf vom 8. August berichtet hierüber das folgende:

„Vermutlich ist es auch die Furcht vor Lähmung ihrer Kraft gewesen, die die Arbeiter dazu veranlasst hat, dem Mobilisierungsbefehl der Regierung kein Gehör zu schenken, wonach in dieser Woche verschiedene Jahrgänge zum Militärdienst aufgerufen waren. Ein Teil ist erschienen und hat einen Tag in der Kaserne durchgebracht. Aber dann sind sie wieder weggelaufen. Wie man sagt, nachdem sie ihre Militärkleidung zerrissen hatten. Die anderen sind nicht erschienen. […]“

Die c.n.t. und die f.a.i. erklären, dass sie…

„bereit sind, den Kampf gegen das aufständische Militär fortzusetzen, aber nur als freiwillige Milizsoldaten.“ Die c.n.t. veröffentlichte ein Manifest, worin sie droht, ihre Machtposition – wenn nötig -- mit Gewalt zu behaupten, wenn die marxistischen Organisationen wiederum versuchen sollten, sie zu überrumpeln oder zu entwaffnen, so wie in den Orten Figureras und Gerona geschehen ist, wo die Sozialisten und die Guardia Civil zufällig dass Übergewicht hatten“.

Der Versuch der Regierung, die freiwillige Arbeiter-Miliz unschädlich zu machen, ist also fehlgeschlagen. Solange aber diese Miliz noch die Straßen beherrscht, kann die Regierung verordnen, was sie will, die Arbeiter setzen ihre eigenen Interessen durch. Sie regeln die ganze Produktion und Distribution und treffen Maßnahmen, die für die Fortsetzung des Kampfes nötig sind, ohne dabei vor dem bürgerlichen Eigentumsrecht halt zu machen.

Ein anschauliches Bild von der Art und Weise, wie die Arbeiter-Miliz den Kampf führt, gibt uns ein Korrespondent des Telegraaf (22. August), der die Front von Saragossa besucht hat. Er sprach mit Durutti, dem Führer der c.n.t.- und f.a.i.-Miliz. Auf die Frage des Korrespondenten, „Was ist das Ziel der Roten Armee?“ erhielt er zur Antwort:

„Das ist kurz gesagt: Die Militaristen waren eine fortwährende Bedrohung für die Freiheiten unseres Volkes, und die Volksmilizen sind die einzige Garantie, dass das Volk seine Freiheiten behält. Die Geschichte Spaniens lehrt, dass die Armee bis dahin immer wieder nach der Macht gegriffen und das Schwert gegen das Volk gekehrt hat, von dem es besoldet wurde. Die Soldaten waren dabei ein willenloses Werkzeug, so wie sie es auch in den blutigen Tagen, die hinter uns liegen, gewesen sind. Die Offiziere sind beinahe alle in den Aufstand gekommen. Sie haben selbst gegen die militärische Disziplin gesündigt, die sie von ihren Soldaten verlangen. Unmöglich, dann noch von den Soldaten zu verlangen, dass sie sich je wieder dieser Disziplin unterwerfen. Die Massendienstverweigerung hat daran endgültig ein Ende gemacht.“
„Wie ist dann die Struktur der Armee, wenn die alte Disziplin nicht mehr besteht?“
„Sie wissen, dass die Volksarmee aus Centuria's besteht? Das sind Gruppen von hundert Freiwilligen, die aus ihrer Mitte einen Gruppenführer wählen. Auch die übrigen Führer werden gewählt, und auch ich sitze hier nur, weil die Delegierten der Miliz mich für diesen Posten angewiesen haben. Mit der alten Disziplin haben wir vollkommen gebrochen. Wir haben hier im Felde eine andere Zucht. Plünderung und Anschläge sind bis jetzt nicht vorgekommen. Aber diese Zucht beruht nicht auf dem Prinzip der Autorität, sondern ergibt sich aus unserem Ziel, unter das jedes Mitglied der Miliz sich freiwillig unterworfen hat. […]
Bei Huesca liegt eine Gruppe Soldaten aus der früheren Armee. Sie werden geführt von einem regierungstreuen Obersten. Auch ihn zwinge ich, das Prinzip der Kameradschaft anzunehmen und seine alte Autorität abzulegen. […]
Bei der Guardia Civil, soweit sie bei uns eingereiht ist, geht es nicht anders. Die Guardias sind eigentlich die Kosakken von Spanien; eben blind gehorchend und mit eben strengen militärischen Prinzipien. Das alles muss da heraus. Wir haben begonnen, ihnen die grüne Uniform auszuziehen. Sie laufen jetzt, ebenso wie wir alle, im Arbeitsanzug herum, und wir tun alles, um ihnen Kameradschaftsgefühl beizubringen. […]“

Ein Dekret, das von der Kolonne Durutti herausgegeben ist, lautet:

„Das Kriegs-Komitée der Kolonne Durutti gibt unter Berücksichtigung der Wünsche und des Bedarfs der Bevölkerung von Bujaraloz die folgende Instruktion:
1. Angesichts der Tatsache, dass die Ernte als etwas Heiliges für die Interessen des arbeitenden Volkes und für die antifaschistische Sache angesehen werden muss, müssen die Erntearbeiten ohne jeden Zeitverlust ausgeführt werden.
2. Alles Eigentum in der Form von Produkten, Vieh oder Transportmittel, von Besitzern faschistischer Gesinnung müssen unter Kontrolle des Versorgungs-Komitées in die Hände des Volkes übergehen.
3. Durch die Verkündung dieses Dekrets wird das private Eigentum der großen Grundbesitzer abgeschafft und geht der Grund in den Besitz des Volkes über, in der Form und Bedeutung, die das Dorf-Komitée daran gibt.
4. Alle landwirtschaftlichen Werkzeuge, Traktoren, Dreschmaschinen usw. von faschistischen Besitzern werden als Dorfeigentum erklärt, unter Kontrolle der Vertreter der Einwohner des Dorfes.
5. Da der bewaffnete Kampf der antifaschistischen Miliz eine Bürgschaft ist für die Interessen und das Leben des arbeitenden Volkes, müssen die Bewohner von Bujaraloz daran begeisterte und rückhaltlose Unterstützung verleihen, sowohl materiell wie moralisch.“

„Wo wir gewesen sind,“ sagte Durutti dem Correspondenten, „wird es niemals wieder so wie früher“.

Je mehr nun der Kampf sich im revolutionären Sinne entwickelt und die Macht der Arbeiter die Position des Kapitals bedroht, in demselben Maße wächst bei der Bourgeoisie die Strömung, die Volksfrontregierung zu einem Kompromiss mit den Faschisten zu bewegen, um zusammen den gemeinschaftlichen Feind, das revolutionäre Proletariat, niederzuschlagen. Selbst heute schon kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass von Seiten der Regierung nicht alles getan wird, um mit den Faschisten aufzuräumen.

VII.

Dass die Dinge sich in Spanien in dieser Richtung entwickeln, ist durchaus möglich. Es würde nicht das erste Mal in der Geschichte sein, dass derartige demokratische Regierungen zu einem Kompromiss mit dem aufständischen Militär kommen, um gemeinschaftlich die Arbeiter niederzuschlagen. In Russland nahm Kerensky gegenüber Kornilov auch eine versöhnende Haltung ein und wurde nachher durch die Arbeiter verjagt. Als durch den Kapp-Lüttwitz-Putsch im Jahre 1920 eine Rote Armee als Antwort der Arbeiter entstand und in den Industriegebieten an Rhein und Ruhr die Kapp-Lüttwitz-Truppen geschlagen wurden, kam es zu einem Kompromiss. Die aufständischen Truppen erklärten sich wieder für die alte Regierung und haben dann im Auftrage der sozialdemokratischen Regierung die Arbeiter niedergeschlagen und entwaffnet. Die Aufgabe der sozialdemokratischen Partei und der Parlamentskommunisten war dann, den Willen zum Widerstand bei den Arbeitern zu brechen. In dem berüchtigten Bielefelder Abkommen wurde dieser Verrat besiegelt.

So wird man es auch jetzt in Spanien versuchen, das heißt, wenn man es wagt und wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Es wurde schon berichtet von Anerbieten von Azana an Mola, die aber abgewiesen sein sollen. Der Ursprung solcher Meldungen kann natürlich Stimmungsmache und von den Offiziersbanden losgelassen sein, um die Arbeiter zu demoralisieren. Aber in jedem Falle weisen sie darauf hin, dass man über die Möglichkeit denkt. Auch der Correspondent des n.r.c. hat von Anfang an mit diesem Gedanken gespielt: „Wird man in ganz Spanien zur Besinnung kommen können? Und im letzten Augenblick noch einen Burgfrieden schließen können zwischen den bürgerlichen Elementen, die nicht wünschen, dass das Land ein rauchender Schutthaufen wird, oder ein Gebiet, wo ein chaotischer Anarchismus oder ein sogenannter freier Kommunismus alles vernichtet, was einem großen Teil des Volkes teuer ist?“ schrieb er schon am 22. Juli.

Dass die Regierung, wenn sie einen Kompromiss zustande bringt, auf die Unterstützung der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien rechnen kann, ist sicher. Das Sekretariat der französischen kommunistischen Partei hat das folgende Kommuniqué veröffentlicht:

„Das Zentralkomitee der spanischen kommunistischen Partei bittet uns, Antwort auf sichere fantastische Erzählungen der öffentlichen Meinung bekannt zu geben, dass das spanische Volk in seinem Kampf gegen Aufrührer keinesfalls die Aufrichtung der Diktatur des Proletariats als einziges Ziel im Auge hat, sondern die Verteidigung der republikanischen Ordnung und Aufrechterhaltung des privaten Eigentums.“
(n.r.c., 3. August) .

Jede weitere Bemerkung ist überflüssig.

Aber so sehr die Regierung auch der Unterstützung der beiden Volksfrontparteien versichert sein kann, ebenso sicher weiß sie, dass die bewaffneten Arbeiter sie hinwegfegen werden, wenn sie es wagt, mit den Faschisten zu unterhandeln. Sie wird damit auch nicht beginnen, wenn sie nicht auf die Unterstützung der französischen und eventuell anderer Regierungen rechnen kann, in der darauf notwendig folgende Auseinandersetzung mit den revolutionären Arbeitern.

VIII.

Die Entscheidung fällt aber nicht in Spanien selbst; die Intervention des Auslandes ist von entscheidender Bedeutung. Wären die Faschisten ausschließlich auf ihre eigene Kraft angewiesen, dann wäre die Situation für sie hoffnungslos. Sie haben nur einen Teil des Landes in den Händen, und zwar den weniger wichtigen, die beiden großen Städte, die wichtigsten Industriezentren sind in den Händen der Arbeiter. Das Gebiet, das die Offiziere in Händen haben, beherrschen sie nur mit dem schärfsten Terror. Die ersten Verordnungen der Offiziere in Marokko und Sevilla waren: Auflösung der Arbeiterorganisationen und Streikverbot unter Androhung der Todesstrafe. Nach einem Bericht des Telegraaf wird die Unterwerfung des Bergarbeitergebietes zwischen Sevilla und Cordoba folgendermaßen vollzogen: Die schwarzen Truppen überwältigen durch ihre Übermacht ein Dorf. Da keine Besatzung hinterlassen werden kann, müssen die Faschisten am Orte nachher die „Ordnung“ aufrechterhalten. Die Anwohner werden zusammengetrieben, die örtlichen Faschisten weisen die bekannten Vorkämpfer der Arbeiter an, diese werden erschossen und ein anderer Teil gefangengesetzt. Die Faschisten werden von Waffen versehen und müssen weiterhin die Bevölkerung im Zaume halten. „De Syndikalist“ vom 8. August berichtet über den Zustand in Saragossa: Die Offiziere beherrschen die Straße. Radioapparate sind in Beschlag genommen. Regierungsflugzeuge werfen Manifeste und Flugschriften ab. Wer sie aufnimmt, setzt sich der Todesstrafe aus. Und n.r.c. meldet von der Insel Mallorca: Bei den Luftangriffen der Regierungsflugzeuge war die faschistische Miliz schon bei den ersten Schüssen nicht mehr zu sehen. Aber sobald die Luft rein ist und das Rote Kreuz die blutigen Reste aufgeräumt hat, erscheint sie wieder und rast in Frachtautos bis an die Zähne bewaffnet durch die Straßen und brüllt: „Viva Espana ariba unestra espana“, und die Arme heben sich zum Cäsar-Gruß. Radioberichte bekommt man nur von der Insel selbst; - Regierungsflugzeuge werfen Aufrufe ab, aber „wehe dem, der sie aufnimmt“ (n.r.c., 4. August). Auch militärisch scheinen die Arbeiter erfolgreich zu sein, doch auch ohne dem kann man einen Sieg der Faschisten für ausgeschlossen halten. Überall, wo sie sind, sitzen sie auf einem Vulkan.

Inzwischen bekommen die Faschisten aus dem Auslande Hilfe; vor allem aus Italien und Deutschland. Beide sind direkt an einem Sieg der faschistischen Kreise in Spanien interessiert. Deutschland durch seinen großen Kapitalbesitz dort und weil es durch die Rohstoffe angelockt wird, die in Spanien in so reichem Maße gewonnen werden und die für die deutsche Industrie so bitter nötig sind. Aber auch aus sonstigen politischen Gründen. Italien wegen seiner Position im Mittelländischen Meer und weil die Macht der römischen Kirche, die durch den Vertrag von „Lateran“ zu einem Teil des italienischen Staates geworden ist, auf dem Spiele steht. Italien liefert Flugzeuge und Piloten, Deutschland sendet unter dem Schutz seiner Kriegsschiffe Schiffsladungen allermodernsten Kriegsgerätes, wie Flugzeuge, Tanks, Panzer, Autos, Geschütze, Bomben und Brisantmunition. Die Waffen der Kirche sind natürlich die Waffen des „Geistes“: „Wir stehen gegenüber einem Ku-Klux-Klan, das eine Politik, eine Methode, ja ein Ziel für Gangster (Verbrecher) geworden ist, kurzum für diejenigen, die den Kommunismus, dessen Fahne sie hissen, verkünden“, schrieb der Osservatore Romano, das offizielle Organ des Vatikans. Man kann die Wut der römischen Kirche begreifen, wo sie doch für immer aus dem spanischen Lande, das für sie ein besonders wichtiger Stützpunkt war, herausgeworfen wird.

Aber auch Länder wie Frankreich und England sind am Gang der Dinge in Spanien interessiert; ein Spanien, das von Italien abhängig ist, kann keiner von beiden dulden. Beide würden das Spiel im Mittelmeer so gut wie verloren haben. Darum ist mit der Einmengung der großen Mächte in die spanischen Kämpfe unmittelbar Kriegsgefahr verbunden. Will Frankreich-England einen Krieg mit Italien-Deutschland vermeiden, dann müssen sie auf einen Kompromiss hinarbeiten. Das öffnet zugleich für die spanische Volksfrontregierung die Möglichkeit, zusammen mit den faschistischen Banden und wenn nötig mit deutschen, italienischen, englischen und französischen Truppen, die revolutionären Arbeiter niederzuschlagen. Schaltet man das Ausbrechen eines internationalen Krieges, dessen Nähe man noch nie so fühlte wie jetzt, aus, dann gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Der erwähnte Kompromiss, oder Deutschland und Italien lassen ihre Hände aus dem Spiel, weil sie sehen, dass die Faschisten doch nicht der Lage Herr werden können. In diesem Falle wird die Volksfrontregierung als Sieger aus dem Kampf hervorgehen und bei der Unterwerfung der Arbeiter auf die Unterstützung des ausländischen Kapitals und der sozialistischen und kommunistischen Parteien rechnen können. Ein Sieg des Proletariats in Spanien (nach der Auffassung der Trotzkisten: Durchführung des Sozialismus in einem Lande) ist ausgeschlossen, solange im übrigen Europa das Kapital Herr und Meister ist, so lange nicht überall die Revolution ausbricht.

IX.

Die Tatsache, dass die Entscheidung des Kampfes in Spanien ganz und gar von der Entwicklung der Dinge im übrigen Europa abhängt, macht es in diesem Falle besonders notwendig, die Haltung der Arbeiterorganisationen im Ausland gegenüber dem spanischen Bürgerkrieg zu besprechen. Sehen wir ab von den syndikalistischen und anarchistischen Organisation, die sich selbstverständlich mit der spanischen revolutionären Bewegung solidarisieren, – geschieht es dann auch oft in eigenartigen Wendung, so bei den Holländischen Anarchisten, denen das Anwenden organisierter Gewalt im Bürgerkrieg schwer Magen liegt – dann bleiben die sogenannten marxistischen, in Wirklichkeit sozialdemokratischen II., III. und IV. Internationalen übrig. Die Rolle der Zweiten und Dritten Internationale ist ohne weiteres deutlich. Sie unterstützt in allen wesentlichen Fragen die bürgerliche Politik ihrer Länder und versammeln Liebesgaben; die Rote Hilfe will Notverbände senden für „die armen Schlachtopfer des Faschismus“. Die Politik der Vierten Internationale hat eine andere Bedeutung.

Die Vierte Internationale erwartet von der Entwicklung in Spanien ein ähnliches Resultat wie in Russland. Wir haben schon auseinandergesetzt, dass dies unmöglich ist, einmal weil die Kraftverhältnisse und Bauern ganz andere sind, dann aber, weil die ausländische Intervention in letzter Instanz entscheidet. Das heißt aber, die Revolution, soweit sie in Spanien ausgefochten wird, trägt vielmehr wie in Russland proletarisch kommunistischen Charakter, was zugleich das Eingreifen aller kapitalistischen Mächte umso wahrscheinlicher macht. Natürlich besteht, wenn die Arbeiter militärisch niedergeworfen werden, die Möglichkeit einer demokratischen Regierung, die vorläufig an die Arbeiter eine Reihe von Konzessionen macht. Aber solange die proletarische Revolution nicht international um sich greift, wird das Kapital in Spanien nicht enteignet werden können, vor allem nicht der Teil, der in den Händen des Auslandes ist. Die andere Möglichkeit ist, dass der spanische Bürgerkrieg der Auftakt zum internationalen Kriege ist. In diesem Falle wird mit den Truppen und Waffen der feindlichen imperialistischen Großmächte auch auf spanischem Boden um die Vorherrschaft im Mittelmeer und für die Interessen der führenden Staaten gekämpft. Die proletarische Revolution wird hierdurch erstickt.

Unter diesen Umständen schreibt die trotzkistische Nieuwe Fakkel (Amsterdam):

„Was uns freut in der Aktivität der Zweiten Internationale ist der folgende Aufruf: Verlangt von allen demokratischen Staaten dass, in Übereinstimmung mit den Bestimmung des internationalen Rechts, die gesetzliche Regierung von Spanien die Mittel bekommen kann, die für ihre Verteidigung nötig sind.“ […]

Die Fakkel fragt, weshalb nur an die demokratischen Staaten und nicht auch an Russland appelliert wird und findet den Ausdruck „Internationales Recht“ eine Phrase. Auch hat sie noch hier und dort einige Kleinigkeiten auszusetzen, aber im Wesentlichen begrüßt sie diese Solidarität der Zweiten – und der Gewerkschafts-Internationale.

Die Fakkel konnte wissen, dass die Unterstützung der „Volksfrontregierung“ durch die kapitalistischen Regierungen der „demokratischen Länder“ nichts anderes ist als ein maskierter Kampf gegen die spanischen revolutionären Arbeiter. Es ist wieder der „Leninismus“, der die Anhänger der Vierten Internationale blind macht. Erst müssen die Arbeiter zusammen mit der Volksfrontregierung die Faschisten niederwerfen, und erst dann wird es Zeit, gegen die Volksfront zu kämpfen, so lautet ihre Marschorder. Aber dabei übersehen sie, dass diese „Bundesgenossen“ tausendmal lieber die Arbeiter an die Faschisten verraten, ehe sie dieselben zur Macht kommen lassen. Die Fakkel hat darum wahrscheinlich auch nicht bemerkt, wie jetzt schon die Arbeiter gegen die Volksfrontregierung kämpfen, um ihre Macht zu behaupten, die sie behalten müssen, wenn der Kampf gegen die Faschisten irgendwelche Aussicht auf Erfolg haben soll. Die Fakkel wusste ebenso wenig über die Maßnahmen der Volksfrontregierung zu berichten, die auf die Entwaffnung der Arbeitermiliz gerichtet sind, und die Ausübung des „Ordnungsdienstes“ wieder der Polizei, Guardia Civil und dem staatlichen Militärapparat übertragen wollen. Nur wer sich auf die Seite der Volksfrontregierung stellt, sieht in solchen Maßnahmen keinen Angriff auf die Arbeiterschaft. Aber die Konsequenz davon ist, dass man dann auch an der Seite der reaktionären Mächte steht, die in der „demokratischen“ Bourgeoisie verkörpert sind.

Gerade diese Frage verdient die vollste Aufmerksamkeit. Eben weil die internationale Situation immer gespannter wird, ist es durchaus nicht ausgeschlossen, dass der Kampf in Spanien zu einem internationalen Kriege auswächst. Welche Haltung wird dann die Vierte Internationale einem solchen Kriege gegenüber annehmen; einem Kriege, der die Verteidigung der Volksfrontregierung den Faschisten in Spanien, Italien, und Deutschland gegenüber zum Einsatz hat? Dann ist sie die Gefangene ihrer eigenen Propaganda von heute; aber das bedeutet, dass sie in diesem Kriege „gegen den Faschismus“ an der Seite der eigenen demokratischen Bourgeoisie steht.

Es besteht nun einmal kein prinzipieller Unterschied zwischen der Unterstützung der spanischen Volksfrontregierung durch kapitalistische Regierungen heute im „Frieden“ und morgen im internationalen Kriege. In beiden Fällen wird dem bürgerlichen Element geholfen, nur tritt im Kriegsfalle die spanische Volksfrontregierung offen in die imperialistische Kriegsfront ein. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, dass gegenüber dieser gewaltigen Macht sich die selbständige Macht der spanischen revolutionären Arbeiter nicht behaupten kann. Die spanische Arbeiterrevolution wird damit unmittelbar erstickt. Und die Arbeiterorganisationen der II., III. und IV. Internationale in England, Frankreich, Belgien und Holland helfen dabei, wenn sie ihre Regierungen auffordern, die Volksfrontregierung zu unterstützen, heute, und auch wenn diese Länder direkt in den Krieg hineingezogen sind.

Die proletarische Revolution kann nicht verteidigt werden durch die Bourgeoisie. Die Revolution kann nur verteidigt werden durch das internationale Proletariat. Das internationale Proletariat hat keine Veranlassung, die „demokratischen“ Regierungen zu ersuchen, sich in den Kampf in Spanien einzuhängen. Seine einzige Aufgabe ist, eine Intervention unmöglich zu machen, indem es den revolutionären Kampf gegen die eigene Bourgeoisie aufnimmt. Allein auf diesem Wege kann das internationale Proletariat durch die Tat den spanischen Arbeitern Solidarität beweisen.


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Compiled by Vico, 5 December 2020


























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