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Antonie Pannekoek Archives

Rätekorrespondenz

Quelle: a.a.a.p.


Rätekorrespondenz

Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052


Bericht aus Dänemark / [Marxistisk Arbejder Politik, Dänemark]


Quelle:  Bericht aus Dänemark / [Marxistisk Arbejder Politik, Dänemark]. – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung.  – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1935, Nr. 13 (Oktober); Quelle der Transkription: Rätekommunismus , 23. November 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Am Montag, dem 29. Juli 1935, erlebte Kopenhagen eine große Demonstration der dänischen L.S.-Bewegung (L.S. heißt: Landbevölkerungs-Zusammenschluss) vor dem königlichen Schloss Amalienburg. Es waren ungefähr 35 000 Menschen versammelt, welche der königlichen Familie und der Regierung ihre „Not“ demonstrierten. Der König sprach zu den Demonstranten von der allgemeinen Not und ließ Dänemark hochleben. Dann empfing er die Deputation und verwies dieselbe, weil er ja ein konstitutioneller Monarch sei, an die Regierung des Landes. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Stauning empfing auch die Repräsentanten dieser Bewegung und verwies sie auf den üblichen Verhandlungsweg. Die Delegation vertrat gegenüber der Regierung verschiedene Forderungen, deren Erfüllung innerhalb von 14 Tagen erwartet wurde. Es wurde gefordert eine Sicherung des durch die Produktion bedingten angemessenen Preises für die landwirtschaftlichen Produkte, Aufhebung bestimmter Steuern und Aufhebung aller Pfändungen. Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, will man zu Gegenmaßnahmen schreiten, um sein Recht zu erzwingen. Die Demonstration in ihren einzelnen Phasen wurde durchs Radio übertragen, und manche antikapitalistischen Worte erreichten den Äther. Ein Redner grüßte mit dem Hitlergruß vor dem Mikrofon.

Was ist nun und was will die L.S.-Bewegung? Im Jahre 1930 sammelte der Großgrundbesitzer Knud Bach, der Führer der Bewegung, verschiedene Standesgenossen um sich, und diese starteten diese dänische Bauernorganisation, in welcher so recht nach dem deutschen Vorbild der Nazi-Bewegung in trauter Harmonie alles vereint ist, neben dem Grafen der einfache Landarbeiter, neben dem kleineren oder größeren Bauern der Genossenschaftsdirektor. Nach ihren Schriften will die L.S.-Bewegung eine reine gewerkschaftliche sein.

Sie begründen den Fortschritt der Arbeiterklasse damit, dass dieselbe neben ihrer politischen Partei noch die Fachgewerkschaften hat, welche die Nur-Politiker im Zaume halten. Alle Bauernpolitiker haben die Bauern verraten; die müssen darum eine eigene Fachorganisation haben und sich auch der Kampfmittel wie die Arbeiterschaft bedienen dürfen; und es wäre doch ein Paradoxon, wenn der aus der Fachbewegung hervorgegangene Minister Stauning es wagen sollte, einem Produktionsstreik der Bauern entgegenzutreten. In drei Tageszeitungen und in drei Wochenzeitungen können diese nicht offen als Nazis auftretenden Großgrundbesitzer ihren Standpunkt vertreten. Die Bewegung selbst hat einen sogenannten 21er Rat, in dem sieben Vertreter von den Schlächtereien, sieben von den Molkereien und Meiereien und sieben von der internen Leitung der L.S. vertreten sind. In einer ihrer programmatischen Flugschriften vertreten sie den Standpunkt der Autarkie soweit als möglich, einen gerechten Lohn für gute Arbeit, dazu einen konjunkturbestimmten Lohn, dann eine bewegliche Währung, in erster Linie eine Senkung der Krone. Beseitigung des Klassenstaates, den der Marxismus und der Liberalismus geschaffen haben. Der Hauptgedanke, welche den Leitern der L.S.-Bewegung vorschwebt, ist ein landwirtschaftliches Kartell über ganz Dänemark, um erstmal im Inlande die Preise bestimmen zu können und dann ans Ausland, wenn es geht, an kriegsführende Staaten – selbst ist man nach Möglichkeit ja neutral – jederzeit riesige Mengen an Butter, Speck, Eier und Geflügel liefern zu können. Die höheren Preise könnte der andere Teil der Bevölkerung ruhig zahlen; denn im Weltkriege haben die dänischen Landwirte und Bauern nur sehr wenig ans Ausland verkauft, trotzdem sie dort hohe Preise erzielen konnten. Eine Liebe sei der anderen wert. Im übrigen sei man darüber klar, dass nur durch eine nationale Revolution, durch Beseitigung des Klassenstaates, der den Egoismus geschaffen hat, eine Besserung eintreten könne. Es ist eine neue Zeit angebrochen, und Länder wie Italien und Deutschland sind Wegbereiter für den neuen Gedanken der national betonten Selbstversorgung.

Die dänische Arbeiterschaft unterschätzt diese neue Bewegung, und man tröstet sich damit, dass ja nur 35 000 Menschen anwesend waren, deren Stimmzettel nicht entscheidend sind. Auch seien viele Knechte, die eine doppelte Bezahlung erhielten, mit zur Demonstration gewesen, die innerlich zur Demokratie stehen. In Wirklichkeit ist dies eine getarnte Nazi-Bewegung, in der die Dänische National Sozialistische Arbeiter Partei zielbewusst arbeitet. Man hat aus Bequemlichkeit hier nur acht Punkte, weil ja das Land nicht so stark qualifiziert und industrialisiert ist.

Die parlamentarischen Parteien haben verhandelt mit dieser Bewegung und zu ihren Forderungen Stellung genommen. Man hat diese Forderungen abgelehnt, aber die Verhandlung selbst war kein Zeichen der Stärke, und die Ablehnung selbst nutzt nur den L.S.-Leuten in ihrer Propaganda. Nun ist man zum sogenannten Valutastreik übergegangen, indem man die Bezahlung der gelieferten Waren erst später erwartet oder die schon empfangenen Gelder zurückhält. Echt demokratisch gesehen ist dies alles ungesetzlich, ja, aber man wagt nicht gegen die Bewegung vorzugehen. Das Wort der Sozialdemokratie „Demokratie, schlage zu“ findet nur Anwendung gegen die Proleten, die mal wagen, eigene Wege im Klassenkampf zu gehen. Im Ziel sind sich übrigens Stauning und Knut Bach einig. Beide wollen die Selbstversorgungspolitik, soweit dies eben im weltmonopolistischen Zeitalter möglich ist und soweit es die Rohstoffarmut des Landes gestattet. Und Stauning will für diese Erkenntnis ökonomische und ideelle Opfer bringen, so sagte er auf dem letzten Parteikongress; das heißt die Opfer sollen die Arbeiter bringen eben für die notleidende Landwirtschaft. Man ist sich nur nicht über die Methoden einig. Wenn die dänische Arbeiterschaft weiter so träumt von ihrer vollendeten Demokratie, wenn sie nicht lernen kann und will aus der internationalen Arbeiterbewegung, aus deren Kämpfen und Niederlagen, vor allem aus der katastrophalen kampflosen Niederlage des deutschen Proletariats, dann wird wohl bald eine neue Stimme kraftvoll rufen: „Dänemark fürs Volk“.


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Compiled by Vico, 3 December 2020