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Antonie Pannekoek Archives


Nation und Internationale / Arthur Goldstein (*), 1920


 Nation und Internationale ; Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Hamburger Kommunismus / Arthur Goldstein. – 1.-20. Tausend. – [Berlin], [Verlag der k.a.p.d.], [Juli] 1920. – 21 S. Quelle pdf: i.i.s.g. , Amsterdam ; Tekst: “Left Wing” Communism – an infantile disorder? ; Transkription von Ph.B..


I.

Während das Gespenst des Kommunismus heute die Kapitalistenklasse aller Länder in Todesschrecken versetzt und sie zu einer permanenten Mobilmachung zwingt gegen das unter dem Banner des Sozialismus kämpfende internationale Proletariat, während der heroische Widerstand Sowjet-Russlands gegen die immer von neuem vom Weltkapital in Bewegung gesetzten weißgardistischen Söldnerheere die internationale Massensolidarität des revolutionären Proletariats aller Länder herausfordert, während mit einem Wort der Endkampf zwischen Kapital und Arbeit eine Riesenfront geschaffen hat, die ohne Rücksicht auf nationale Schranken und zufällig vorhandene Landesgrenzen die Menschheit mehr und mehr in zwei feindliche Lager auseinanderreißt, die sich immer entschiedener und bewußter um die beiden Pole von Ausbeutern und Ausgebeuteten gruppieren, während also der größte Klassenkampf der Weltgeschichte, der Kampf um den Sozialismus, über alle Länder, Völker und Staaten hinweg in vollem Gange ist, fällt der kommunistischen Vorhut des kämpfenden Proletariats die Aufgabe zu, nicht nur in vorderster Linie zu kämpfen, sondern auch die Ideologie des internationalen Klassenkampfes voranzutragen und in den nachfolgenden breiten Massen des Proletariats das Klassenbewußtsein wachzuhalten und damit dessen Kampfwillen steigern.

Mit anderen Worten: In einer Situation, wo die soziale Revolution ihr entscheidendes Stadium erreicht hat und in einem Lande wie Deutschland, das den Brennpunkt der weltrevolutionären Entwicklung bildet, kommt alles darauf an, den Gedanken des internationalen Klassenkampfes möglichst scharf zu formulieren und ihn zum Leitmotiv proletarischer Weltpolitik zu erheben eine wirklich proletarisch Kommunistische Partei, wie die Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands darf sich nicht mit der grundsätzlichen Ablehnung jedes wie immer gearteten „Nationalbolschewismus“ begnügen, sie muss darüber hinaus schon die ersten Ansätze von Tendenzen bekämpfen, die dem äußeren Anschein nach sich im Dunstkreise eines, sagen wir einmal, geläuterten Nationalismus bewegen. Wir wollen es offen aussprechen: Die Ideologie der sogenannten Hamburger Richtung ist nicht die Ideologie des revolutionären Proletariats und kann es nicht sein, weil Ausgangspunkt und Ziel in beiden Fällen grundverschieden voreinander sind. Wenn wir überhaupt noch Veranlassung nehmen, das Verhältnis von Nation und Klassenkampf zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen, so tun wir es nicht darum, weil etwa neue geschichtliche Erfahrungen eine Revision sozialistischer Grunderkenntnisse verlangten, sondern weil die neuerlichen Publikationen der Genoßen Laufenberg und Wolffheim eine kritische Auseinandersetzung mit dem Hamburger Kommunismus unvermeidlich machen. Will man dieser seltsamen Erscheinung gerecht werden, so müsste man eigentlich versuchen, ihre psychologischen Wurzeln bloßzulegen. Aber nicht darauf kommt es an. Unser Interesse konzentriert sich einmal darauf, das Grundproblem des Hamburger Kommunismus erfassen, d.h. seinen theoretischen Ausgangspunkt bestimmen und sodann zu untersuchen, ob die historische Methode von Laufenberg und Wolffheim mit den Grundsätzen der materialistischen Geschichtsauffassung in Einklang zu bringen ist oder nicht. Deutlicher gesagt: liegen die Grundtendenzen des Hamburger Kommunismus nicht in der Richtung dessen, was unter dem Leitstern des wissenschaftlichen Sozialismus um geistigen Gemeingut des revolutionären Proletariats aller Länder geworden ist?

II.

Der Hamburger Kommunismus ist kein Zufallsprodukt von heute und gestern. Er wurzelt naturgemäß in seinem engeren heimatlichen Boden, in der Geschichte der Hamburger Arbeiterbewegung. Wie der vorkriegszeitliche deutsche Imperialismus die gesamte Arbeiter-bewegung Deutschlands in seinen Bann zu zwingen verstand, was in dem immer stärkeren Anwachsen der reformistischen Tendenzen klar zum Ausbruch kann, so ist es nicht weiter erstaunlich, daß Hamburg, das große Ausfallsstor des deutschen Imperialismus, bestimmten Strömungen in der lokalen Arbeiterbewegung den Boden zu bereiten besonders geeignet schien. Der moderne Imperialismus ist eben nicht nur eine politische Angelegenheit, die, geboren aus dem Zwang historisch-ökonomischer Gesetze, ausschließlich politische Probleme auf die Tagesordnung der Geschichte setzt. Über jeder politischen Sphäre, in der sich der moderne Imperialismus auswirkt, lagert eine andere, die in organischer Verbindung mit jener gleichzeitig die Gedankenwelt des Nationalismus zur Entfaltung bringt und zwar derart, daß der Imperialismus in seiner vollen Blüte auf den entsprechenden Nationalismus in seiner ganzen Glorie erscheinen läßt. Der Widerspruch zwischen Imperialismus und Nationalismus, insofern als jener in der Überwindung nationaler Gedanken, in der Unterdrückung nationaler Selbständigkeiten, in der übernationalen Organisation ganzer Staatensysteme zum Ausbruch gelangt, ist nur scheinbar. Die Unterwerfung fremder Volksgemeinschaften unter das englische Imperium bedeutet neben der ökonomischen Ausbeutung jener unter auch den Triumph des englischen Nationalismus. Es ist der Sieg der englischen Kapitalistenklasse als Nation über politisch wie ökonomisch schwächer entwickelte Nationen. Es ist der Sieg des angelsächsischen Gedankens, der Sieg der angelsächsischen Zivilisation. Hatte vielleicht der auf den Schlachtfeldern Fländern und Nordfrankreichs zerschmetterte deutsche Imperialismus eine wesentlich andere Ideologie? Waren nicht die Theoretiker des deutschen Imperialismus auch die Träger des „deutschen Gedankens in der Welt“? Und der weiland russische Imperialismus mit seiner spezifisch panslawistischen Ideologie?

Man sieht, der Imperialismus in seinem Aufstieg; das ist auch der Nationalismus in seiner historischen Vollendung. Und so ist es sein sinnloser Zufall wenn der heutige Hamburger Kommunismus eine Ausprägung erfahren hat, die ihrer Grundrichtung nach eine Konzession gegenüber der bürgerlich-nationalistischen Ideologie bedeutet.

III.

Auch die heftigste Kritik an der Grundtendenz des Hamburger Kommunismus wird zu der Anerkennung genötigt sein, daß dank Laufenberg und Wolffheim das Problem des Versailler Friedensvertrages überhaupt erst einmal in seiner ganzen Bedeutung und Tragweite für das deutsche Proletariat und für die gesamte weltrevolutionäre Entwickelung erfasst worden ist. Mit anderen Worten, es bricht sich auch im proletarischen Lager die Einsicht Bahn, daß es nicht angeht, mit weltpolitischen Problemen in der Weise fertig zu werden, daß man sie ignoriert oder das man sie mit leeren Lebensarten hinwegzudisputieren sucht. Das Faktum des Versailler Friedens ist in der Tat ein solches Bollwerk des Weltkapitals gegenüber dem Fortgang der Weltrevolution, daß die lahme Stellungnahme des Spartakusbundes zum Versailler Friedensproblem symptomatische Bedeutung gewinnt in Bezug auf die Einschaltung der weiteren weltrevolutionären Entwicklung durch den Reformismus der Spartakusleute. Es ist das Verdienst der Genoßen Laufenberg und Wolffheim, daß sie eine historische Perspektive eröffnet haben, mit der das deutsche Proletariat sich unter allen Umständen vertraut machen muss. Der politische Fehler den die Hamburger begehen, besteht darin, daß sie nur diese einzige historische Entwickelungsmöglichkeit berücksichtigen, und das sie den von ihnen für unvermeidlich gehaltenen Krieg mit dem Ententekapital heute in den Mittelpunkt proletarisch-kommunistischer politisch scheinen für notwendig erachten. Das entscheidende aber ist, unter welchen Voraussetzungen für sie der künftige Krieg mit der Entente vor sich zu gehen hat. In der Voraussicht, daß ein solcher Krieg bei der gewaltigen technisch-industriellen Überlegenheit der Entente das deutsche Proletariat vielleicht vor eine unlösbare Aufgabe stellen könnte, kommen sie zur Schlußfolgerung, daß ein proletarisch aufgebautes Deutschland nur kann einen Krieg nach außen mit Aussicht auf Erfolg zu führen in der Lage sein würde, wenn nicht gleichzeitig im Innern die Konterrevolution ihr Haupt erbebt. Mit anderen Worten: im Interesse des erfolgreichen Krieges gegen die Ententebourgeoisie dürfen wir es in Deutschland nach Errichtung der proletarischen Diktatur auf keinen Fall zum Bürgerkrieg kommen lassen. Noch anders gesagt: wir müssen die eben niedergeworfene deutsche Bourgeoisie und ihre Trabanten durch gewisse politische Konzessionen für den Krieg gegen ihre Klassengenossen und kapitalistischen Gesinnungsfreunde in den Ententeländern zu engagieren versuchen, damit wir so zunächst dem Ententekapital den Todesstoß versetzen. Auf keinem Fall Bürgerkrieg im Innern (das wäre in dieser Situation konterrevolutionär), sondern die ganze Wucht des im „revolutionärem Burgfrieden“ aufs Neue geeinigten „Volksganzen“ gegen die kapitalistisch regierten Völker der Entente ist der sogenannte „revolutionäre Volkskrieg“ der das Leitmotiv des Hamburger Kommunismus bildet.

Zunächst: wie müsste ein solch „revolutionärer Volkskrieg“ in Wirklichkeit aussehen? Vorausgesetzt, die deutsche Bourgeoisie könnte sich zu jenem „revolutionären Burgfrieden“ bereit finden, dann täte sie es sicherlich nur unter einer Bedingung: Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise in Deutschland. Denn es ist schlechterdings nicht einzusehen, welches Interesse sie an einem Kriege nehmen sollte, der das politische Ziel verfolgte, neben der Etablierung des Sozialismus in Deutschland auch noch den Kapitalismus in den Entente-Ländern zur Strecke zu bringen. Und vom deutschen Unternehmertum erwarten, daß es nichts sehnlicher wünschte, als an der Vernichtung des kapitalistischen Systems in der ganzen Welt mitarbeiten, wäre – gelinde gesagt – eine Naivität.

Die deutsche Bourgeoisie müsste also schon vorgedrungen den Verzicht auf den Sozialismus zur Conditio sine qua non erbeben. Daß keine Räteregierung darauf eingeben könnte, ist selbstverständlich und weil für ein Rätedeutschland der Sozialismus eben die Conditio sine qua non bedeutet, darum wäre im Fall eines Krieges mit dem Ententekapital auch mit dem Bürgerkrieg im Innern zu rechnen, weil in diesem Fall die Solidarität der kapitalistischen Interessen zwischen der deutschen und der Ententebourgeoisie in voller Klarheit zutage treten würde. Will man also den Bürgerkrieg unter allen Umständen vermeiden, so wird man konsequenterweise sich genötigt sehen, die Errichtung der proletarischen Diktatur überhaupt preiszugeben, da die Diktatur des Proletariats und der verhaßte Bürgerkrieg eben ein und dasselbe sind. Der Tag nach der sozialen Revolution bringt nicht das Ende, sondern den Anfang des Bürgerkriegs, weil sie kann einfe Ende „Enteignung der Enteigner den Kampf mit jedem einzelnen Unternehmer, d.h. den Kampf auf der ganzen Linie heraufbeschwört. Die Verwirklichung des Sozialismus – das ist der Bürgerkrieg in seiner furchtbarsten Gestalt und in seinem gewaltigsten Ausmaß. Darum kann es nur die eine Alternative geben: „Bürgerkrieg oder Verzicht auf den Sozialismus“. Ob man den Bürgerkrieg in einer bestimmten Situation für schädlich hält oder nicht, darauf kommt es gar nicht an. Die Fragestellung kann nur die sein: Kommen wir ohne Bürgerkrieg zum Sozialismus? Ebenso gut könnte man aber fragen: Kommt man ohne Kampf zum Sieg? Die Spekulation auf die Dummheit oder die Selbstverleugnung der Bourgeoisie verdient weit eher die Signatur: konterrevolutionär. Und zwar deswegen, weil durch die Gedankenspielerei mit dem revolutionären Burgfrieden in den Reihen des kampfentschlossenen Proletariats überaus schädliche Verwirrung angerichtet wird, woraus die Konterrevolution den besten Nutzen zieht.

IV.

Ohne uns nun weiter mit der Frage nach der Möglichkeit oder Notwendigkeit des „revolutionären Burgfriedens“ zu beschäftigen, wollen wir lieber die Wurzel aufzudecken versuchen, aus der solch Burgfriedensträume ganz naturgemäß emporkeimen müssen. Man braucht nur die Stellungnahme der Genossen Laufenberg und Wolffheim zum Weltkriege ins Auge zu fassen und man weiß sofort, welche letzten Motive dem Gedanken des Burgfriedens mit der Bourgeoisie zum Dasein verholfen haben. In der Schrift „Kommunismus gegen Spartakismus“, die unserer Auffassung nach einer vollkommenen Kapitulation des wissenschaftlichen Sozialismus vor dem landläufigsten Nationalismus darstellt, bringen die beiden Verfasser ein Zitat aus einer von ihnen zu Beginn des Krieges geschriebenen Broschüre „Demokratie und Organisation“. Es heißt da:

„Nicht soweit die gesellschaftliche Wirtschaft Ausbeutungsfunktion der Minderheit ist, sondern soweit sie Lebensfunktion der Gesamtheit ist, erwächst dem Proletariat ein natürliches Interesse an ihrer Erhaltung. Es muss sich dagegen wehren, daß einheitliche Wirtschaftsgebiete auseinandergerissen, daß höher entwickelte Wirtschaften unter die Herrschaft niedrigerer gebracht werden. Es muss sich dagegen wehren, daß das Recht auf nationale Selbständigkeit, das es allen Nationen zubilligt, in der eigenen Nation verletzt werde. Hieraus resultiert in Kriegsfällen, die die Wirtschaft in ihrer Lebensfunktion bedrohen, die militärische Unterordnung des Proletariats unter die gegebene Heeresleitung.“

Mit anderen Worten: das deutsche Proletariat stellt sich unter das schwarz-weiß-rote Banner der Hindenburg, Ludendorff und Tirpitz, da diese ja nur für die deutsche Wirtschaft, formell sie Ausdeutung Funktion der Minderheit ist, Krieg führen, sondern für die gesellschaftliche Wirtschaft, soweit sie als Lebensfunktion der Gesamtheit in Frage kommt. Mit denselben Argumenten haben ja wohl auch die Scheidemann, David und Heine ihre Kriegspolitik zu rechtfertigen gewußt, mit denselben Argumenten aber auch die französischen, englischen und sonstigen Sozialpatrioten. und wenn die Genoßen Laufenberg und Wolffheim sich für die Richtigkeit ihrer Auffassung nun durchaus auf Lenin berufen zu müssen glaubten, indem sie aus seiner Abhandlung „Das Militärprogramm der proletarischen Revolution“ einen Absatz zitieren, dessen Beweisführung, sich angeblich decken soll mit ihrer Argumentation in Punkto Landesverteidigung, so müssen wir feststellen, daß Lenin in ganz anderem Sinne von Landesverteidigung spricht, als die Hamburger Genoßen, daß einmal sein Anerkennung der Landesverteidigung sich bezieht auf nationale Aufstände von Volksstämmen, die noch nicht das Stadium des Kapitalismus durchlaufen haben, und daß ferner die Rede ist von der Landesverteidigung des siegreichen Proletariats, eine Auffassung, die wohl jeder Marxist akzeptieren wird. Wir müssen aber des Weiteren feststellen, daß Lenins Auffassung von der Landesverteidigung, soweit sie den imperialistischen Krieg von 1914 bis 18 betrifft, eine von der Hamburger Stellungnahme polar verschiedene ist. In dem Aufsatz „Grundsätze des Sozialismus“ und „Der Krieg vom Jahre 1914 bis 15“ führt Lenin in vollster Übereinstimmung mit Rosa Luxemburg den bündigen Nachweis, daß für diesen imperialistischen Krieg die Anerkennung der Landesverteidigung durch das Proletariat gleichbedeutend wäre mit dem Bankerott des internationalen Klassenkampfes. Das heißt es an einer Stelle: „Wer sich jetzt auf das Verhältnis Marxens zu den Kriegen in der Epoche des bürgerlichen Fortschrittes beruft, und die Worte Marxens: „Die Arbeiter haben kein Vaterland“, vergißt, die Worte, die sich besonders auf die reaktionäre Epoche des überlebten Bürgertums beziehen, auf die Epoche der sozialen Revolution, der fälscht schamlos Marx, und setzt an die Stelle der sozialistischen die bürgerliche Auffassung.“ Da wir einmal bei Lenin angefangt sind, wollen wir die Gelegenheit nicht vorübergeben lassen, ohne über die Vereinigung der Berufung auf einen so hervorragenden Marxisten, die vorhandenen unterlagen zu prüfen. Man schlage also beispielweise das Kapitel „Was ist Internationalismus?“ aus Lenins Schrift „Diktatur des Proletariats“ nach und wird sofort konstatieren können, daß Lenins heftigste Kritik gerade dem Kautskyschen „Internationalismus“ gilt. Lenin schreibt: „Alle Anerkennung der Vaterlandesverteidigung ist vom Standpunkte des Proletariats an die Rechtfertigung des gegebenen Krieges, die Anerkennung seiner Gesetzlichkeit. Da jedoch der Krieg ein imperialistischer Krieg bleibt – unabhängig davon, wo im gegebenen Augenblick die feindlichen Truppen stehen – in seinem oder in einem fremden Lande – so bedeutet die Anerkennung der Vaterlandsverteidigung in Wirklichkeit die Unterstützung der imperialistischen, räuberischen Bourgeoisie, den vollen Verrat am Sozialismus […]. Lenin hat übrigens auch über die von den Hamburger Genoßen empfohlene „militärische Unterordnung unter die gegebene Heeresleitung“ sein besondere Meinung polemisiert heftig gegen Kautskys Kritik an der Haltung der Bolschewiki, die unter der Kerenski-Regierung, also nach dem Sturze des Zarentums, die „Desorganisation“ des Heeres betrieben. Doch lassen wir Lenin sprechen: „Ohne „Desorganisation“ des Heeres hat noch keine große Revolution stattgefunden und kann auch keine stattfinden. Denn das Heer ist das allerverknöchertste Werkzeug der Unterstützung des alten Regimes, der festeste Hort der bürgerlichen Disziplin, der Anrechterhaltung der Herrschaft des Kapitals, der Erhaltung und Erziehung sklavischer Ergebenheit und Unterwürfigkeit der werktätigen Massen gegenüber dem Kapital“. Und weiter:

„Wenn ein Deutscher unter Wilhelm oder ein Franzose unter Clemenceau sagen müsste, ich als Sozialist, habe das Recht und die Pflicht meine Heimat zu schützen, wenn der Feind in mein Land dringt, so wäre das nicht der Ausspruch eines Sozialisten, eines Internationalisten, nicht der Ausspruch eines revolutionären Proletariers, sondern eines Spießers und Nationalisten. Wenn in einem solchen Ausspruch fehlt der Hinweis auf den revolutionären Klassenkampf des Proletariats, des Klassenkämpfers, des Arbeiters gegen das Kapital, die Einschätzung des ganzen Krieges als Gesamterscheinung vom Standpunkte der Weltbourgeoisie und des Weltproletariats; der Internationalismus fehlt und übrig bleibt nur ein kläglicher, verknöcherter Nationalismus.“

Das genügt wohl fürs Erste. Die obigen Zitate genügen auch wohl zu Illustration der ebenso irrigen, wie irreführenden Behauptung, daß Lenin „vom Grundbegriff der Nation“ ausginge. Täte er das, er verdiente mit Recht das Prädikat „Nationalkommunist“ und gerade in dem Eingeständnis der Hamburger Genoßen, daß ihre sozialistische Orientierung auf dem „Grundbegriff der Nation“ basiert, d.h. daß für sie das Faktum der Nation den Ausgangspunkt für ihre Stellungnahme zur Weltrevolutionären Entwicklung bildet, liegt die Erklärung für den unproletarischen Charakter ihrer Kriegspolitik. Hier liegt auch psychologisch die Erklärung für die Möglichkeit des ebensowenig proletarischen Gedankens vom „revolutionären Burgfrieden“, liegt aber auch die Erklärung für die absolut antiproletarische und antisozialistische Auffassung der Internationale als einer „Föderation der freien Nationen.“ Hier stoßen wir auf das Grundproblem, des Hamburger Kommunismus, d.h., hier geraten wir auf den Punkt, wo der Hamburger Kommunismus selber problematisch wird, wo das große Fragezeichen erscheint: Bewegt sich die Hamburger Ideologie noch in der Linie des wissenschaftlichen Sozialismus oder ist die materialistisch-dialektische Methode bereits verlassen? Mit andern Worten: welches ist nach materialistischer Geschichtsauffassung das regulative Prinzip im wissenschaftlichen Sozialismus?

V.

Daß im Marxismus der „Grundbegriff der Nation“ den Ausgangspunkt der historisch-materialistischen Betrachtungsweise bilden soll, steht im Widerspruch zu den Grundelementen der allerersten kommunistischer Adresse, die unter dem Namen „Kommunistisches Manifest“ innerhalb des revolutionären Proletariats aller Länder bedingungslose Anerkennung gefunden hat. Der Ausgangspunkt ist dort wirklich nicht der „Grundbegriff der Nation“. Er besteht vielmehr in der Erkenntnis von der Bedeutung der Klassenkämpfe als des Hauptfaktors geschichtlicher Entwicklung. Man könnte vielleicht einwerfen: Haben nicht auch Marx und Engels den „Grundbegriff der Nation“ zum Ausgangspunkt ihrer politischen Orientierung gemacht? Haben sie nicht in nationalen Kriegen ein historisch-fortschrittliches Moment erblickt und sich mit Feuereifer für die deutschen, italienischen, polnischen u. a. Einheitsbestrebungen eingesetzt? Allerdings! Und sie hatten als Historiker sehr gewichtige Gründe dafür. Sie sahen doch wohl in der nationalen Einigung eine geschichtliche Notwendigkeit für die volle Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie hätten es aber für baren Nonsens erklärt, wenn Sozialisten in der Epoche des Imperialismus, d.h., in der Epoche der Zertrümmerung der Nationen, den Gedanken der Nation zum Ausgangspunkt ihrer Politik erheben wollten. Im Zeitalter des Imperialismus von nationalen Kriegen zu reden ist nur für die kleinbürgerliche Ideologie keine Absurdität. Aber man komme nicht mit dem Beispiel von Indien und Ägypten, da ein Vergleich zwischen diesen und kapitalistisch entwickelten Ländern historisch nicht gut angängig ist. Feststeht, daß im heutigen Europa, im Europa nach dem imperialistischen Weltkriege, die Zeit der nationalen Kriege definitiv vorüber ist. Damit ist für den Sozialisten auch die Frage der Nation keine Frage der Aktualität. Das soll nicht heißen, daß irgendjemand die Existenz der Nationen leugnen wollte, das soll auch nicht heißen, daß die Bedeutung der Nation als rassenbiologisches Problem irgendwie unterschätzt zu werden verdiente. Aber der Sozialist, der von dem „Grundbegriff der Nation“ ausgeht, ist nicht mehr Marxist. Daran kann auch die Berufung auf den mißverstandenen Lenin nichts ändern. Von Lenin stammt unter anderem das Wort: „Der Gedanke der rechtlichen Absonderung der Nationalitäten von einander (die sogenannte nationale Kulturautonomie Otto Bauers und Renners) ist ein reaktionärer Gedanke.“

Das Fundament marxistischer Geschichtssauffassung besteht jedenfalls nicht im Gedanken der Nation, sondern in der Grunderkenntnis, daß „alle bisherige Geschichte eine Geschichte der Klassenkämpfe gewesen ist.“ Der Klassenkampf ist das regulative Prinzip der Weltgeschichte. Mit dieser ebernen Tatsache mag sich die bürgerliche Ideologie den Schädel einrennen, sie mag über den Abgrund der Klassengegensätze den Nebel nationalistischer Phrasen zu breiten versuchen, – nie wird es ihr gelingen, die Tatsache selbst ans der Welt zu schaffen. Die Geschichte wird ihr immer wieder unrecht geven. Der erbärmlichste Lohnkampf stellt den historischen Sachverhalt immer wieder von neuem fest. Die Redensart vom „Volksganzen“ ist das Verlegenheitsgestammel der bürgerlichen Welt, die mit ihrem politischen Latein zu Erbe ist. Die weltgeschichtliche Tatsache des Klassenkampfes in Permanenz ist die Negation des „Volksganzen“ oder der Nation. Das Argument, daß die Tatsache der Klassenscheidung das Vorhandensein der Nation zur Voraussetzung hat, da der Zerfall in die einzelnen Teile eben die vorherige Existenz des Ganzen bedinge, besagt garnichts, da etwas behauptet wird, was niemand bestreitet. Worauf es ankommt, ist die Erkenntnis, daß das Faktum der Klassengegensätze das „Volksganze“ sprengt und über die angebliche Gemeinsamkeit „nationaler“ Interessen zur Tagesordnung übergeht. Die Ökonomie triumphiert eben im letzten Grunde immer wieder über die Ideologie, auch über die nationale. Und da die Klassenkämpfe der Gegenwart nicht mehr die Hebung der Lage der arbeitenden Klasse innerhalb des kapitalistischen Systems zum Ziele haben, sondern die Zertrümmerung des internationalen überstaatlichen Kapitalismus selbst, so ergibt sich heraus die Notwendigkeit, die Organisierung des Kampfes gegen dieses Weltausbeutungssystem ausschließlich nach ökonomischen Gesichtspunkten vorzunehmen. Wir warnen hier gleich vor dem etwaigen Mißverständnis, als ob die Anwendung von ausschließlich nach ökonomischen Kampfmitteln in Vorschlag gebracht würde. Die Forderung, daß der Kampf gegen das Weltkapital an nichts außer an ökonomischen Gesichtspunkten sich zu orientieren hat, wurzelt eben in der Grundtatsache, daß in der Epoche des Imperialismus nationale religiöse oder irgendwelche kulturelle Besonderheiten im Augenblicke zu einer solchen Belanglosigkeit (was an sich natürlich nicht der Fall ist) herabgefunden sind, daß der ideologische Prozeß immer einheitlicher und klarer in der Richtung verläuft: Weltkapital und Weltproletariat sind die beiden wesentlichen Pole, um die sich die Menschheit gruppiert. Jede andere Orientierung ist für die gegenwärtige Gesichtsepoche relativ bedeutungslos. Diese Orientierung, die nach dem – nebenbei gesagt – immer problematischer werdenden „Grundbegriff der Nation“ erfolgt, ist heute notwendig konterrevolutionär.

Der theoretische Ausgangspunkt der Hamburger Ideologie bedingt logischerweise auf die entsprechende Auffassung vom Wesen der Internationale. Nach Laufenberg und Wolffheim ist die Internationale identisch mit der „Föderation der Nationen“. Hier scheint der persönliche Wunsch Rate gestanden zu haben und nicht historisch Erkenntnis in die Gesetze der proletarischen Revolution. Daß persönliches Wollen über objektives Erkennen dominiert, zeigt sich deutlich in der offenen Erkenntnis, wo von der Unterordnung der Klassenorganisationen des Proletariats unter die „Einheit und Freiheit der Nation“ die Rede ist. (Siehe Maizeitung der k.a.z.). Ohne uns aber bei der Frage aufzuhalten, ob hier Wille oder Erkenntnis die Ideologe bestimmen – so viel ist sicher: weder sozialistisches Wollen noch marxistische Erkenntnis können jemals ein solch ungeheuerliches historisches Salto mortale ermöglichen. Die Erklärung ist vielleicht in der seltsamen Hamburger Geschichtstheorie zu finden, daß die proletarische Revolution an dem Punkte anzuknüpfen hätte, wo die verunglückte bürgerliche Revolution schecfen geblieben ist was ist eine interessierte Geschichtsbetrachtung, da die historische Entwickelung eben tatsächlich bereits andere Wege eingeschlagen hat. Die Idee der Nation, die von der bürgerlichen Revolution nicht verwirklicht werden könnte, ist leider definitiv ad Acta gelegt, da der Imperialismus die Entnationalisierung der Menschheit gründlich betreibt und dem Sozialismus nicht mehr viel übrig bleiben dürfte, um die „Einheit und Freiheit der Nation“ zu verwirklichen. Da die bürgerlich-kapitalististische Welt offenbar an der Verwirklichung der Tendenzen von 1848 sein Interesse mehr besitzt weil sie unter der Signatur des Imperialismus notwendig darüber hinaus wachsen musste, wäre damit auch jede wie immer geartete Anknüpfungsmöglichkeit eine historische Absurdität.

Aber davon abgesehen besteht für den Sozialismus keinerlei Verpflichtung, seine historische Zukunft mit dem Kadaver der bürgerlichen Gesellschaft in organischen Zusammenhang bringen. Der Sozialismus ist der Antipode der bürgerlichen die, er ist nicht nur der Gegenpol der bürgerlichen Gedankenwelt, er kann sich nur verwirklichen – auf dem Grabe der bürgerlichen Welt. Sozialismus ist Aufbau einer absolut neuen Welt mit einer absolut neuen Ideologie. Darum verliert der bürgerliche Begriff der Nation jeden Sinn und Inhalt in einer sozialistischen Welt. Der Sozialismus beginnt überhaupt erst dort, wo die Nation zu Ende ist, d.h. er bewegt sich jenseits dessen, was man heute noch unter Nation versteht.

VI.

So treten wir zum Schluß vor die Frage, wie der Aufbau der werdenden Internationale vom Standpunkt des wissenschaftlichen Sozialismus sich vollziehen muss, wenn der Begriff „Internationale“ mehr als nur eine leere Worthülle vorstellen soll. Was versteht das revolutionäre Proletariat unter der werdenden internationale? Sicher nicht das, was Laufenberg und Wolffheim darunter verstehen. Nach deren Auffassung erschöpft sich das Wesen der internationale darin: „Die arbeitenden Massen des deutschen Volkes, als herrschende Klasse konstituiert, das ist die freie deutsche Nation, die dem freien Volke Russlands die Hand reichen wird, um den Grundstein zu legen zur Föderation der Nationen, zum Bund freier Völker, zur Freiheit der Welt“. (Maiaufruf der k.a.z.)

Daß eine solche Geschichtsperspektive dem Grundgedanken des wissenschaftlichen Sozialismus Schnurstraks zuwiderläuft, ist ohne weiteres klar. Wo in aller Welt hat jemals die marxistische Geschichtsauffassung, deren theoretischer Ausspunkt eben nicht auf dem „Grundbegriff der Nation“ basiert, die Föderation der Nationen zum Endziel des Sozialismus proklamiert? Der Nationalismus ist eine Angelegenheit der bürgerlichen Welt. Die Begründung von Nationalstaaten war der Sinn aller bürgerlichen Revolutionen. Die historische Entwicklung ist diesen Weg nicht bis Ende gegangen. Die für die Geburtswehen des modernen Kapitalismus charakteristischen nationalen Tendenzen schlagen auf einer bestimmten Stufe der geschichtlichen Entwickelung in das Gegenteil um. Der Imperialismus, als überstaatliches und internationales Weltaufbeutungssystem, gibt über die „Einheit und Freiheit der Nation“ ohne sentimentale Seufzer auf Tagesordnung über. Der Weltkrieg und sein „völkerrechtlicher Abschluß“ in Versailles liefern handgreifliche Argumente. Die Einheit der Nation ist im Räderwerk der Geschichte in Atome zersetzt worden. Der Sozialismus wird anderes zu tun haben, als einen Organismus zusammenzuflicken, der nur noch ideologisch als historischer Atavismus vegetiert und durch eine scheinbare Existenz die Gedankenwelt des Proletariats in gemeingefährlicher Weise irritiert. Der Bund freier Völker oder die „Föderation der Nationen“ – dieser Wilsonsche Einfall – musste notgedrungen am Ausgangspunkt einer Epoche auftauchen, wo die Zertrümmerung der Nationen zum unaufhaltsamen Faktum der Menschheitsgeschichte ward. Noch einmal versuchte eine verwirrende Ideologie das festzuhalten, was das zerwalwende Rad der Ökonomie bereits dem Untergange überliefert hatte. Die Welt des Nationalismus ist historisch definitiv erledigt. Der Sozialismus tritt in die Arena der Weltgeschichte.

Der Sozialismus ist in den innersten Massen verschieden von der bürgerlich-kapitalistischen Welt. Er übersieht nicht das Vorhandensein von Nationen oder deren kümmerliche Überreste, aber er ignoriert ein Faktum, das ihn im Augenblick nicht interessiert, d.h. nicht interessieren darf. Der Sozialismus im entscheidenden Stadium nach der Eroberung der politischen Macht kennt nur ein Ziel: Überwindung des Kapitalismus. Der Kapitalismus als organisierte Staatsmacht kann nur durch die organisierte Staatsmacht des Proletariats gebrochen werden. Der Diktatur der Kapitalistenklasse stellt sich geschichtsnotwendig entgegen die Diktatur des Proletariats. Angesichts der Tatsache aber, daß der Kapitalismus jedes einzelnen Landes nur als Ziel des kapitalistischen Weltsystems zu betrachten ist, bedeutet der Sieg des Proletariats im einzelnen Lande nichts anders als den partiellen Erfolg des gegen den Gesamtkapitalismus solidarisch verbundenen Weltproletariats. So wäre es eine phänomenale Gedankenlosigkeit, wenn man behaupten musste, daß der Sieg des russischen Proletariats über seine Kapitalistenklasse mit der Konstituierung als russische Nation gleichbedeutend wäre. Der Sieg des russischen Proletariats ist die Ausschaltung der Verfügungsgewalt des Weltkapitals über die Produktionsmittel, formell das russische Wirtschaftsgebiet in Frage kommt. Dem russischen Proletariat ist es niemals eingefallen, sich als Nation zu konstituieren, sondern es betrachtet sich als Vorkämpfer des Weltproletariats, an dessen internationale Solidarität es alle Augenblicke zu appellieren genötigt ist. Wenn die proletarische Revolution in Deutschland und Polen zum Siege gelangt, wird ein sozialistischer Wirtschaftsblocke vorhanden sein, der vom Rhein bis zum Ural reicht. Die Signatur eines solchen internationalen Wirtschaftsbündnisses liegt gerade darin, daß die Klassenorganisationen des Proletariats außerhalb des Rahmens der Nationen den Sozialismus verwirklichen. Und da der Sozialismus die grundlegende Umwälzung aller bisherigen Ökonomie und Ideologie bedeutet, kann die höchste Potenz des Sozialismus nur im Internationalismus der Ökonomie und Ideologie begründet sein. Darin allein kann unseres Erachtens der historische Sinn der Internationale erblickt werden. Aber das Wesen der Internationale auf die „Föderation der Nationen“ reduzieren, heißt in der Tat den Nationalismus auf die Spitze treiben. Der bürgerliche Nationalismus war noch relativ bescheiden. Er beschränkte sich auf die Propaganda des nationalen Gedankens in Bezug auf das eigene Land, was der gewollten Vernichtung aller feindlichen Nationalismen gleichkommen musste. Laufenberg und Wolffheim aber predigen die Föderation der Nationen, d.h. die Summe aller vorhandenen bzw. denkbaren Nationalismen. Das wäre der bis in seine letzte Konsequenz zu Ende gedachte Nationalismus. In Wirklichkeit ist die letzte Konsequenz noch nicht gezogen. Der Hamburger Kommunismus hat eins bisher unterlassen: die Definition dessen, was er unter Nation eigentlich versteht. Diese letzte Konsequenz ist im Interesse der allgemeinen Klärung notwendig. Und wir zweifeln nicht, daß der nächste und letzte Schritt auf das problematische Feld rassenbiologischer Hypothesen führen wird, weil der historische Rückzug in die bürgerliche Welt mit dem Rückzug auf die „Grundlagen des XIX. Jahrhunderts“ identisch ist. Noch einen Schritt weiter und wir werden es erleben, den Kapitalismus zum Rassenproblem degradiert zu sehen. Der einmal die schiefe Ebene des Nationalismus betritt, ist rettungslos verloren. Wir sprechen es offen aus: Der Hamburger Nationalismus ist eine Gefahr für die proletarische Revolution. Die kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands muss diese Gefahr ins Auge blicken. Nicht die vom Parteiegoismus diktierten Argumente des Spartakusbundes können auf uns Eindruck machen, noch werden uns Rücksichten auf „Instanzen“ der III. Internationale bestimmen, den Kampf gegen die Hamburger Richtung in einen Kampf gegen Personen zu verwandeln. Eine Polemik mit Laufenberg und Wolffheim gilt nicht ihnen als Personen: sondern die notwendige Auseinandersetzung mit ihnen ist ein Kampf um die grundliegende Idee des Kommunismus.

Dies allein ist der Sinn dieser Polemik. Das Streitobjekt ist nicht Laufenberg und Wolffheim, sondern die von ihnen entwickelte Ideologie. Sie gilt unser Kampf gegenüber dieser in allen Regenbogenfarben, des Nationalismus schillernden Ideologie formulieren wir auf das schärfste den Gedanken der internationalen Klassensolidarität. Er ist das Leitmotiv der proletarischen Revolution. Er allein auch ist das Leitmotiv proletarischer Weltpolitik. Der den Gedanken der internationalen Klassensolidarität unterordnet dem „Grundbegriff der Nation“, verneint den Sozialismus und die proletarischen Revolution. Entweder man bekennt sich zu der Idee des Sozialismus oder zu der des Nationalismus. An dem unmöglichen Kompromiß dieser beiden sich einander auschliessenden Grundrichtungen der Geschichte ist die zweite internationale in die Brüche gegangen. Möge die Dritte Internationale die richtige Lehre daraus ziehen.


Redaktionelle Anmerkungen

*) Arthur Goldstein (1887-1943, see also: Wikipedia (de) , pseudonym: Stahl). Born in Lipine, Silesia [today Lipiny, Świętochłowice, Śląsk, then Germany, now Poland] on 18 March 1887, he was with a doctorate in law a journalist. A member of the s.p.d. in 1914, he joined the u.s.p.d. in 1917. In opposition in the k.p.d. in 1919, he was a founding member of the k.a.p.d. Within the latter he led a stubborn battle against national Bolshevism, and wrote this pamphlet against it. A delegate on the Comintern’s Executive from November 1920 until the end of March 1921, he returned to Germany to edit the k.a.p.-organ in the Ruhr, Klassenkampf. He was part of the group around Karl Schröder, and a member of the k.a.i. Bureau of Information, before the split of March 1922. After this, he rapidly became a collaborator of Paul Levi and of the periodical Unser Weg. Levi had him enter the s.p.d. ‘to form an opposition’. At the end of the 1920s, he formed the clandestine Rote Kämpfer group together with Karl Schröder, Bernard Reichenbach and Alexander Schwab, who left the k.a.p.d. claiming to take up its original positions. He was exiled to France after 1933, where he tried to form an organisation of the Rote Kämpfer. He may have been the co-author, using the pseudonym A. Lehmann, of the article The Communist Workers’ Groups, and of The economic, social and political causes of fascism (Masses, No. 11, Paris, November 1933). In Paris he had close relationship with the Trotskyist i.k.d. group (Unser Wort), to which he adhered in 1933 and he left one year later together with Erwin Ackerknecht  (1906-1988), because both were rejecting the entryism in the social democracy advocated by Leon Trotsky in his essays on The French Turn in June 1934. He was captured by the Gestapo around June 1943. Deported with transport 55 from Drancy Camp (near Paris) to Auschwitz Birkenau Lager on 23 June 1943, with hundreds of others he was assassinated on 25 June 1943. (See: Trotzkisten gegen Hitler / Peter Berens. – Köln : i.s.p., 2007, p. 199; and yad vashem , the World Holocaust Remembrance Center); his wife, daughter and son survived the war in London, see: Geni  [Anmerkung von Ph.B., edited by Vico].


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Compiled by Vico, 3 December 2016



















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