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Antonie Pannekoek Archives

Pressedienst

Quelle: a.a.a.p.


Pressedienst

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80.


Die Sowjetmacht in China


Quelle:  Pressedienst der g.i.k., Juli 1930, [No. 1] (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Die Prawda bringt eine Besprechung über den Verlauf der Revolution in China, welche durch die „Tribune“ (Organ der c.p.h.) vom 5. 6. 1930 wiedergegeben wird. Hieraus erfahren wir, dass eine Rote Armee aus Bauern formiert ist, während noch „viele Millionen Bauern bereitstehen“, die Rote Armee zu verstärken. Und in der Mehrheit der Bezirke, wo die Rote Armee die Macht in den Händen hat, ist die Sowjetmacht organisiert.

Was hat diese Sowjetmacht getan?

Die Tribune sagt:

„Die Sowjetmacht hat den Großgrundbesitz enteignet und den Bauern übergeben. Auch das Eigentum des Adels, der Wucherer und anderer Ausbeuter ist denselben abgenommen. Wucherkontrakte sind für aufgehoben erklärt. Die Bauern bekommen ihr Eigentum aus der Konkursmasse ohne Bezahlung zurück; der Achtstundentag ist eingeführt. Diese Sowjetmacht verwirklichte auch die Gleichheit der Frau, hat ‚Leninschulen‘ errichtet, Hospitale organisiert, usf. Revolutionstribunale sind errichtet zur Bekämpfung der Konterrevolution.

Die Sowjetmacht enteignet nicht die Hausindustrie und die kleinen Industriellen. Sie bezahlen nur eine Einkommensteuer, während auf die Einhaltung des Achtstundentags streng geachtet wird.

Die großen Kaufleute müssen hohe Steuern bezahlen und die Spekulation ist verboten. Die kleinen und mittleren Kaufleute dürfen ihren Handel fortsetzen bei progressiver Besteuerung.
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Eine solche Ordnung verbürgt in den Sowjetbezirken einen normalen Tauschverkehr. Es ist bereits ein Aufleben der Volkswirtschaft wahrzunehmen durch den verbesserten Zustand der Bauern.“

Dieser Bericht scheint uns, sobald er Tatsachen vermeldet, ziemlich richtig zu sein. Aber doch können wir nicht umhin, einige Bemerkungen über den Verlauf der chinesischen Revolution zu machen, weil die Ereignisse, die dort in China geschehen, trotzdem falsch eingeschätzt werden. Es wird von einer Sowjetmacht und einer Roten Armee gesprochen und damit der Anschein erweckt, als ob die Bewegung doch kommunistisch sei oder wenigstens sich zum Kommunismus entwickeln könnte.

Das Proletariat in der ersten Phase der chinesischen Revolution

Die große Revolution in China von 1925-1927 war gekennzeichnet durch den Kampf der chinesischen Bourgeoisie gegen die ausländischen Imperialisten, ein Kampf, in dem die Nationalisten siegten. Offiziell sind zwar noch nicht alle Beziehungen geregelt, doch praktisch haben die fremden Unterdrücker ihre bevorrechtete Position aufgeben müssen.

In dieser Revolution hat das chinesische Proletariat (unter der Führung Moskaus) eine „Einheitsfront“ mit der chinesischen Bourgeoisie geschlossen. In den Moskauer „Thesen über die chinesische Frage“ (1926) wurde dies folgendermaßen formuliert: „Das Proletariat bildet einen Block mit den Kleinbürgern aus den Städten und einem Teil der kapitalistischen Bourgeoisie.“ Wir werden sogleich sehen, dass dies nicht nur mit der kapitalistischen Bourgeoisie geschah, sondern auch mit der feudalen, das heißt den Großgrundbesitzern.

Diese Einheitsfront zeigte sich in der Tatsache, dass zwei kommunistische Minister im Kantonministerium aufgenommen wurden; – einer für Landwirtschaft und einer für Arbeit. Im Jahre 1927 eroberte die Rote Armee Shanghai, und hiermit war zugleich für die chinesische Bourgeoisie der Augenblick gekommen, dass sie die Arbeiterklasse nicht mehr nötig hatte. Sie drehte die Kanonen um, und die Rote Armee richtete ein furchtbares Blutbad unter den Arbeitern an. Die Kommunisten schrien über den Verrat des Generals der „Roten Armee“, Tschiang-kai-tschek (1). Doch war es völlig verkehrt, hier von Verrat zu sprechen, denn der bürgerliche General war immer nur für die Interessen der nationalen Bourgeoisie eingetreten, und es war nur zu erwarten, dass er diese jederzeit verteidigen würde, auch gegen das der Bourgeoisie gefährlich werdende Proletariat. Die „kommunistische Minister“ blieben auch nach dem Blutbad in Shanghai noch in der Regierung, bis sie von der Bourgeoisie einen Tritt in den Hintern bekamen.

Dieser Abschnitt der chinesischen Revolution wurde mit einer entsetzlichen Niederlage der Arbeiterklasse abgeschlossen.

Die Bauern in der ersten Phase der chinesischen Revolution

An der Revolution von 1925-1927 waren die Bauern praktisch noch nicht beteiligt. Wohl gärte es, die Unzufriedenheit stieg; aber die Bauern formulierten ihre Forderungen noch nicht und gaben sich zufrieden mit einigen Reformen. Sie wollten Staatshilfe, Verminderung der Pacht und der Steuern.

Die Kommunistische Partei gab sich alle mögliche Mühe, um die Bauernbewegung in dem Rahmen dieser Reformpolitik zu halten. Sie sorgte dafür, dass die Revolution nicht unter die Bauern getragen wurde. Eben darum wurde Tan-pin-shan Landwirtschaftsminister. Natürlich bremsten die Kommunisten die Bauernbewegung nicht, weil ihr Herz erfüllt war mit Liebe für den chinesischen Adel und Großgrundbesitzer. Nein, man meinte, dass eine Bauernrevolution den Kampf gegen die fremden Bedrücker behindern würde. Die Großgrundbesitzer und der Adel waren nämlich auch mit in der „Einheitsfront“. Ein Angriff der Bauern auf Adel und Großgrundbesitz hätte die Einheitsfront gesprengt. Wir lesen darüber in der Inprekorr, No. 153, Jahrg. 1926:

„Die Kommunisten fürchten, dass das Hineinziehen der Bauern in die Revolution die antiimperialistische Einheitsfront sprengen werde. Für eine direkte Befriedigung der dringendsten Forderungen der Bauern ist der Sieg der chinesischen Revolution eine unbedingte Notwendigkeit.“

So wurde denn der Kommunist Tan-pin-shan Landwirtschaftsminister, und er trug eine Ermäßigung der Pachten um 25% vor, um die Bauernbewegung zu brechen!

Hiermit war das Todesurteil des Proletariats unterzeichnet. Die Zeit, dass die Bourgeoisie sich gegen die Arbeiter wendet, musste kommen. Und nun war das Proletariat isoliert. Es konnte bei einem Kampf gegen die Bourgeoisie nicht auf die Hilfe der Bauern rechnen wie die russischen Proletarier 1917 in Russland.

Die chinesischen Arbeiter waren nichts anderes als die Schachfiguren, mit denen die Herren in Moskau ihre ausländische Politik gegen England spielten.

Die zweite Phase der chinesischen Revolution

Inzwischen ist die Bewegung 1929 in ein neues Stadium getreten. Die Bourgeoisie ist als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen … die Arbeiterklasse ist geschlagen … Doch die Bauernfrage blieb unentschieden. Nach den oben gebrachten Berichten sind die Bauern jetzt dazu übergegangen, aus eigener Machtvollkommenheit eine neue Herabsetzung der Pacht durchzuführen: Sie teilen das Land auf. Es scheint, dass die chinesischen Bauern in dieser Hinsicht, „dem russischen Beispiel“ folgen. Die Landwirtschaft wird aus feudalen Verhältnissen in kapitalistische gebracht.

Vielleicht doch zum Sozialismus?

Sollte Stalin doch recht haben, dass dies alles ein Übergang sein wird zu einer nicht kapitalistischen oder – richtiger – sozialistischen Entwicklung in China?

Dazu sei zuerst bemerkt, dass es uns bis jetzt nicht gelungen ist, unter einer sogenannten sozialistischen Entwicklung etwas anderes zu sehen als die Entwicklung des Staatskapitalismus. Wir wollen uns gerne belehren lassen, wenn man uns nachweist, dass wir uns hier im Irrtum befinden.

Wie dem auch sei: China entwickelt sich nicht zum Staatskapitalismus. Die junge „nationale“ Bourgeoisie hat ihren eigenen Appetit auf Profit gerade dadurch demonstriert, dass sie sich frei machte, so dass sie das Geschäft als privater Ausbeuter wahrnehmen wird. Die Bourgeoisie zieht sich nicht freiwillig auf das Bollwerk des Staatskapitalismus zurück, sondern nur, wenn es nicht anders geht. Wenn die Profitmöglichkeiten im „freien“ Kapitalismus nicht mehr gesichert sind.

Und auf dem Lande? Werden die Bauern dort keinen „sozialistischen Sektor“ bilden, wenn sie sich in Genossenschaften und kollektiven Betrieben zusammenschließen? Sicher werden sie sich organisieren; sie müssen es. Es ist die Grundlage, auf der sich der kapitalistische Bauernbetrieb entwickelt. (man lese hierzu unsere Schrift: „Entwicklungslinien in der Landwirtschaft“) (2).

Es ist noch nicht im Voraus zu sagen, ob die chinesische Industrie- und Handelsbourgeoisie so viel Kraft entwickeln wird, dass sie den Boden für Staatseigentum erklärt. (Dies ist für die Entwicklung des Industrie- und Handelskapitals von großer Bedeutung: Auch unter den bürgerlichen Ökonomen unserer westlichen Länder ist eine Strömung vorhanden, die fortwährend darauf hindrängt. Warum? Darauf werden wir zu gegebener Zeit antworten.) Doch wenn schon die Bourgeoisie damit Erfolg haben würde, was hätte das dann, um alles in der Welt, mit Sozialismus oder Kommunismus gemein?

Lenin über die Genossenschaften und kollektiven Betriebe

Kein geringerer als Lenin macht überzeugend darauf aufmerksam, dass das Nationalisieren des Bodens noch nichts mit Sozialismus zu tun hat. Er tut dies in einer Schrift: Die Agrarfrage in Russland am Ende des 19. Jahrhunderts. Seite 77, erschienen 1908. In deutscher Sprache 1920 ausgegeben. Zitiert bei Pollock: „Planwirtschaftliche Versuche“.

Lenin sagt dort:

„Die Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden ändert nichts an den bürgerlichen Grundlagen, auf denen marktmäßig und kapitalistisch orientierte Landwirtschaft beruht. Es ist nichts verkehrter als die Ansicht, dass die Nationalisierung des Bodens irgendetwas mit Sozialismus oder gar mit Landnutzung zu gleichen Teilen zu tun hätte. Was den Sozialismus anbetrifft, so ist bekannt, dass er die marktmäßig orientierte Wirtschaft aufhebt. Die Nationalisierung des Bodens dagegen ist die Übertragung des Bodens in das Eigentum des Staates, und diese Übertragung greift mit nichts in den privatwirtschaftlichen Betrieb auf diesem Boden hinein. Wenn der Boden zum Eigentum oder Vermögen des ganzen Landes, des ganzen Volkes erklärt wird, so wird dadurch das System der Wirtschaft auf diesem Boden genauso wenig verändert, wie sich das (kapitalistische) System der Wirtschaft des wohlhabenden Bauern ändert, je nachdem, ob er den Boden für ‚immer und ewig‘ kauft, ob er vom Junker oder von der Krone Boden pachtet oder ob er die Anteile der vertriebenen, weniger wohlhabenden Bauern ‚sammelt‘. Solange der Warenmarkt besteht, ist es lächerlich, von Sozialismus zu reden. Der Austausch der landwirtschaftlichen Produkte gegen Produktionsmittel steht in ganz und gar keinem Zusammenhang mit der Form des Grundbesitzes.“ (3)

Der Leser wird uns vielleicht einer „Verfälschung“ überführen, weil Lenin hier überhaupt nicht über Genossenschaften und kollektive Betriebe spricht. In der Tat. Aber er weist gerade nach, dass das nichts damit zu tun hat. Der Austausch vollzieht sich nach den Bewegungsgesetzen des Kapitalismus, und darauf kommt es an!

Die Maßnahme der „Sowjetmacht“

Besehen werden nun noch einmal die Maßnahmen, die nach der Prawda in China vorgenommen wurden:

  1. Die Bauern teilen den Boden auf.
  2. Die Hausindustrie und kleinen Industriellen wurden nicht enteignet.

Nein, natürlich nicht. Bevor man daran denken kann, müssen zuerst die Großbetriebe enteignet sein. Und die Arbeiterklasse ist geschlagen. Russland aber hat bewiesen, dass es selbst auch dann nicht möglich ist, auch wenn die Großbetriebe in Staatsbesitz übergegangen sind. Diese Art von Betrieben (Klein- und Hausindustrie) zu enteignen und in Staatsbewirtschaftung zu nehmen, geht absolut niemals.

Der „erwachende Osten“

Man verstehe uns richtig. Wir wollen durchaus nicht behaupten, dass die Bewegung im Osten nicht von gewaltiger historischer Bedeutung ist. Aber wir lassen uns darum doch nicht irreführen und sagen, dass diese Bewegung eine ganz andere Bedeutung hat, als man ihr im Allgemeinen in der Arbeiterbewegung beimisst. Asien bewegt sich nicht in der Richtung zum Sozialismus, wie Stalin erklärt. Ohne Zweifel geht Asien zu einer anderen Produktionsweise über, das heißt zur kapitalistischen. Asien ist in der Entwicklung zurückgeblieben und produziert noch in feudalen Verhältnissen. Die kapitalistische Produktionsweise war bis jetzt nur ein „Sektor“ in der alten Kastengesellschaft. Diese Letztere wird nun aufgelöst; die kapitalistische Produktionsweise wird zur herrschenden Produktionsweise, während der „feudale Sektor“ stets mehr einschrumpft.

Der Kapitalismus beginnt seinen Siegeszug über Asien. Er schlägt die alte Bauernwirtschaft in immer stärkerem Maße auseinander; er zwingt die Bauern, ihre Produktion für den eigenen Verbrauch immer mehr aufzugeben und schaltet auch die Arbeit des asiatischen Bauern in den Prozess der gesellschaftlichen Arbeit ein.

Doch das geschieht auf kapitalistischer Grundlage! Während die Arbeit des asiatischen Bauern heute nur zu einem geringen Teil auf dem Markte vergesellschaftet wird, wird der Bauer mit der Entwicklung des Kapitalismus stets mehr auf den Markt angewiesen sein. Asien bewegt sich nicht zum Kommunismus, nach der Aufhebung des Marktes hin, sondern gerade nach der Entwicklung des Marktes. Die Produktion für den eigenen Bedarf, in der der asiatische Bauer noch lebt, wird stets mehr verdrängt durch die Produktion gegen „Barzahlung“.

Redaktionelle Anmerkungen

1. Chiang Kai-shek  (1887-1975), chinesischer Militär und nationalistischer Politiker.

2. De ontwikkeling van het boerenbedrijf, 1930; Deutsche Übersetzung ...

3. Lenin-Werke, Bd. 15, S. 129.


Compiled by Vico, 7 June 2021


























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